Millionenschwere Geheimverträge bringen ZDF in Erklärungsnot

Auf dem Höhepunkt der  Gebührendebatte trifft das ZDF ein Werbeskandal: „Wetten, dass..?“ war möglicherweise jahrelang eine lukrative Projektionsfläche für Schleichwerbung. Und verdient haben nur die Brüder Gottschalk.

Deutschlands beliebteste Samstagabendshow im ZDF, „Wetten, dass..?“, war möglicherweise jahrelang eine lukrative Projektionsfläche für Schleichwerbung. Angeblich hat die Firma Dolce Media für die gezielte Präsentation von Produkten Millionenbeträge kassiert. Dolce Media gehört Christoph Gottschalk, dem Bruder des langjährigen „Wetten, das..?“-Moderators Thomas Gottschalk. Grundlage der Vorwürfe sollen Verträge mit den Unternehmen Daimler-Chrysler und Solarworld, sowie der Entwurf eines Vertrages zwischen Dolce Media und BMW sein, berichtet der „Spiegel“.

Mit diesen Verträgen sei die redaktionelle Unabhängigkeit des ZDF untergraben worden, schlussfolgert das Magazin. Der Sender habe eklatant gegen einschlägige Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages verstoßen. „Damit trifft das ZDF ausgerechnet auf dem Höhepunkt der aktuellen Gebührendebatte ein neuer Werbeskandal“, schreibt der „Spiegel“.

Auch der Medien- und Werberechtsexperte Gero Himmelsbach spricht von „verbotener Schleichwerbung“.

Der Sender hingegen weist die Vorwürfe zurück. „Dem ZDF liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass im Zusammenhang mit der Präsentation von Gewinnspielpreisen Schleichwerbung bei „Wetten, dass..?“ stattgefunden hat“, sagte ein Sprecher auf Anfrage der „Welt“. „Einflussnahme von Dritten auf redaktionelle Entscheidungen gab es nicht.“

Die nun bekannt gewordenen Vertragsinhalte erlauben einen tiefen Einblick in das Geschäftsgebaren der Gottschalk-Brüder und in das Verhalten des ZDF. Vordergründig sei es um Lizenzrechte gegangen. Die Kooperationspartner konnten Fotos und Filmszenen der Sendung mit ihren Produkten in ihren Verkaufsräumen zeigen.

Weitaus wertvoller aber sollen die Vereinbarungen mit den Kooperationspartnern über die Platzierung und Präsentation von Produkten in der Sendung gewesen sein. In Teilen hätten die Verträge sogar detaillierte Regieanweisungen für die Vermarktung in der Show enthalten. So etwa für ein Sondermodell der Mercedes-A-Klasse. „In sechs Sendungen, so steht es da, sollte der Hauptgewinn, eine A-Klasse, Sondermodell ,Piccadilly“, präsentiert werden, ,idealerweise im Zeitfensterzwischen 21.45 Uhr und 22.15 Uhr’“, schreibt der Spiegel. „Und damit zum Auftakt auch genau das gesagt wird, was gesagt werden soll, wird ,die konkrete Anmoderation in der 1. Sendung der Staffel zwischen den Parteien einvernehmlich festgelegt.“

Laut einem vom 10. Dezember 2003 bis März 2006 gültigen Kooperationsvertrag habe Daimler-Chrysler pro Show- Staffel 1,25 Millionen Euro plus Mehrwertsteuer an Dolce Media gezahlt. Moderator Thomas Gottschalk sei zudem während der Vertragslaufzeit ein gemeinsam ausgesuchter „Mercedes-Benz zur Nutzung in Europa überlassen“ worden. Als Beispiel führt der „Spiegel“ das Modell „CL 600“ an, das „damals laut Listenpreis mindestens 133.516 Euro kostete“. Daimler nennt all dies einen „ganz normalen Vorgang“.

Das sieht der Münchener Medien- und Werberechtsexperte Gero Himmelsbach ganz anders: „Regieanweisungen in einem Vertrag, dazu sogar die Absprache, eine Moderation gemeinsam festzulegen, das alles zeigt: Hier geht es nicht nur um die Überlassung eines Autos als Gewinnpreis, hier geht es um verbotene Schleichwerbung.“

Als der Vertrag mit Daimler-Chrysler auslief, wurde Dolce Media mit Audi einig. Im Jahr 2009 soll das Gottschalk-Unternehmen dann parallel mit Audi und BMW verhandelt haben. Angeblich sei BMW bereit gewesen, sogar fünf Millionen Euro pro Staffel zu zahlen. Den Zuschlag bekam dennoch wieder Audi – zu welchem Preis, ist nicht bekannt. Im Jahr drauf stieg dann für eine Million Euro auch das Photovoltaik-Unternehmen Solarworld ein. „Ich bin mit dem Gegenwert sehr zufrieden, das war ein Super-Sendeplatz, und wir hatten einen tollen Werbeeffekt“, soll „Solarworld“-Chef Frank Asbeck hinterher gesagt haben.

Als Audi seine Modelle in „Wetten, dass..?“ präsentieren konnte, sollen Thomas Gottschalk und sein Bruder übrigens statt Mercedes Audi gefahren haben, aber nicht irgendein Modell, sondern das teure Sportmodell R8. Gottschalk-Nachfolger Markus Lanz lehnte diese „Mitfahrgelegenheit“ angeblich ab. Er lasse sich grundsätzlich keine Fahrzeuge von Unternehmen zur Verfügung stellen“, soll er gesagt haben.

Obwohl das ZDF jeden Einfluss auf redaktionelle Inhalte vehement bestreitet, kündigte es an, den Vorwürfen nachgehen zu wollen. Kritisch klingt auch der Satz: „Dolce Media war nicht berechtigt, das ZDF gegenüber Dritten zu verpflichten.“ Ob dies in der Vergangenheit geschah, geht aus den Angaben des Senders allerdings nicht hervor. Allerdings verweist er  darauf, dass „die Beauftragung zur Akquise von Gewinnspielpreisen für ,Wetten, dass..?’ durch Dolce Media“ im Sommer 2013 auslaufe.

In den vergangenen Jahren habe Dolce Media habe Marken- und Merchandisingrechte etwa an der Verwendung des Show-Titels beispielsweise für ein „Wetten, dass..?-Magazin“ oder ein „Wetten, dass..?“-Brettspiel vermarktet. Außerdem seien über die Gottschalk-Firma Preise für Gewinnspiele akquiriert worden. Allerdings würden die Preise „im Rahmen der rechtlichen Rahmenbedingungen für Gewinnspiele präsentiert“. Auf deren Einhaltung wache die Clearingstelle des ZDF.

Inzwischen gebe es keine solche Vermarktung von Markenrechten und die Akquise von Gewinnspielpreisen aus einer Hand mehr. Soweit „Wetten, dass..?“-Lizenzen vermarktet würden, sei dafür das ZDF zuständig.

Geschrieben für „Die Welt

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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