Zum ESM-Urteil kündigt Barroso die Europäische Föderation an
Das Bundesverfassungsgericht hat das von Bundestag und Bundesrat ratifizierte Gesetz Europäischen Stabilitätsmechanismus mit Auflagen genehmigt. Es müsse sichergestellt werden, dass die Haftung Deutschlands auf die vereinbarten 190 Milliarden Euro beschränkt bleibe, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Das Ausland reagiert zufirieden, EU-Kommissionspräsident präsentiert bereits weitere Pläne.
Der Rettungsschirm dürfe nicht so ausgelegt werden, dass sich der Anteil Deutschlands von 190 Milliarden Euro ohne Zustimmung des Bundestages erhöhe, sagte Voßkuhle. Außerdem dürfe die Schweigepflicht für alle ESM-Mitarbeiter nicht dazu führen, dass der Bundestag nicht ausreichend unterrichtet werde. Mit seiner Entscheidung wies das Gericht Klagen des Vereins „Mehr Demokratie e.V.“, der Linksfraktion und des CSU-Politikers Peter Gauweiler ab. Bundespräsident Joachim Gauck kann das ESM-Gesetz in den kommenden Tagen mit den genannten Auflagen unterschreiben.
Auch im Ausland war die Urteilsverkündung mit Spannung erwartet worden. In Tokio stieg etwa der Euro-Kurs auf auf 1,2876 Dollar und damit den höchsten Stand seit vier Monaten. Zuvor hatte er an der Wall Street bei 1,2848 Dollar geschlossen. Das ist der höchste Wert sei Mai. Auch an den Aktienmärkten schnellten die Kurse in die Höhe.
Gegen das ESM-Gesetz hatten insgesamt rund 37.000 Bürger geklagt. Es ist die größte Massenklage in der Geschichte der Bundesrepublik. Sie alle fürchteten die weitreichenden Folgen für die Haushaltssouveränität der Bundesrepublik, die nun eintreten werden.
Parallel zum Urteil zeichnen sich bereits weitere Schritte zur Europäischen Einigung ab.Vor dem europäischen Parlament in Straßburg kündigte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine Änderung der europäischen Verträge an. Ziel sei es, Europa zu einer Föderation der Nationalstaaten zu formen. Noch „vor den nächsten Wahlen zum Europaparlament 2014“ will er konkrete Vorschläge für solche Vertragsänderungen vorlegen.
Zuvor will Barroso bereits die Schulden- und Bankenunion verwirklichen. So soll die Europäische Zentralbank (EZB) an dem kommenden Jahr direkt bei in Not geratenen Banken intervenieren können.
Allerdings solle dies nur der erste Schritt hin zu einer Bankenunion sein. Letztlich solle der ESM diese Aufgaben übernehmen. „Wir brauchen eine Übersicht für alle Banken, weil wir überall nach Risiken suchen müssen“, sagte Barroso. „Wir wollen den Teufelskreis aus Banken und Staaten brechen“, sagte Barroso. Mit dieser Haltung stellt er sich die Bundesregierung, die sich bislang dagegen sperrt, dass eine gemeinsame EU-Bankenaufsicht auch die deutschen Sparkassen und Volksbanken kontrolliert.
Die sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergebenden Fragen wird GEOLITICO mit dem Staatsrechtler Prof. von Arnim erläutern. Das Gespräch wird morgen früh auf GEOLITICO dokumentiert.
Hier gibt es das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als PDF zum Download.