Wenn die D-Mark als Parallelwährung zurückkommt

Vor dem Hintergrund der europäischen Schulden- und Finanzkrise empfiehlt der Hamburger Volkswirtschaftler Dirk Meyer ein System von Parallelwährungen. Er vertritt die Ansicht, dass die Euro-Zone in ihrer bisherigen Form auf Dauer nicht haltbar sei. Die Freien Wähler begrüßten Meyers Vorschlag als eine denkbare Alternative für eine zukunftsfähige Finanzpolitik.

Meyer sprach auf einer Veranstaltung der Freien Wähler in Berlin von einem europäischen Dilemma. Einerseits verursache der Euro heute große ökonomische Probleme, andererseits sei er politisch-ökonomisch unverzichtbar.

„Unkalkulierbare Kosten“

„Wenn wir so weitermachen wie bisher, verursacht diese Politik jährliche Kosten zwischen 75 und 150 Milliarden Euro“, sagte Meyer. Eine grundsätzliche Aufgabe des Euros und die Rückkehr zu nationalen Währungen hätte im Gegenzug „Kleinstaaterei, den Zerfall des gemeinsamen Binnenmarktes“ zur Folge. „Die Kosten dieses Prozesses sind unkalkulierbar“, sagte Meyer.

Geschätzt lägen sie zwischen 300 und 400 Milliarden Euro. Aus diesem Grunde müsse der Euro erhalten bleiben und durch nationale Währungen als Zahlungsmittel ergänzt werden.

Zurück zur Drachme

Das heutige Europa sei ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Dieser Tatsache werde der Euro als alleinige Währung nicht gerecht. Nach Ansicht des Hamburger Experten von der Helmut Schmidt Universität funktioniere das Binnenmarktprinzip nur durch eine Währungskonkurrenz. Auch rechtlich gesehen seien Sonderwege in einzelnen Mitgliedstaaten möglich, so Meyer und verwies dabei auf Ausnahmen in der Fischerei- und Landwirtschaftspolitik.

Konkret hieße das etwa für Griechenland, dass die Drachme wieder als offizielles Zahlungsmittel eingeführt würde, der Euro aber als gleichwertiges Zahlungsmittel erhalten bliebe. Die griechische Zentralbank würden dann in zwei Abteilungen geführt. Eine Euro-Abteilung wäre an die finanzpolitischen Instanzen der heutigen Eurozone angeschlossen. Die Drachme-Abteilung wäre zuständig für eine eigenständige Geldpolitik mit flexiblen Wechselkursen.

Keine Kapitalflucht

Gerade im Falle Griechenlands sei aber auch eine Staateninsolvenz denkbar. In diesem Fall plädiert Meyer für einen Ausluss des Landes aus der Eurozone und Rückübertragung der Währungssouveränität auf die nationale Notenbank, die die Drachme als offizielles Zahlungsmittel wieder einführt. Ungeachtet dieser Maßnahmen sollte der Euro aber als legales Zahlungsmittel erhalten bleiben.

„Wenn wir so vorgehen, senken wir die Anreize zur Kapitalflucht, das heißt, wir reduzieren das Risiko eines Bankruns erheblich“, sagt Meyer. Die abgewertete Drachme steigere die Wettbewerbsfähigkeit des Landes wieder und schaffe mittelfristig neues Wachstum.

D-Mark gegen Euro-Inflation

Auch für Deutschland könne sich unter Umständen eine Rückkehr zur Mark rechnen, wenn der Euro als Parallelwährung erhalten bleibe, meint Meyer. Bei einer Euro-Inflation könne die Mark finanzielle Werte sichern. Diese Möglichkeit gelte jedoch nur eingeschränkt, räumte der Hamburger ein.

Wer etwa seine Lebensversicherung in Euro abgeschlossen habe, der werde diese auch in Euro ausgezahlt bekommen und werde voll von einer möglichen Euro-Inflation getroffen. Generell gehe er davon aus, dass der Euro bei einer Wiedereinführung der D-Mark in Deutschland als Zahlungsmittel stark an Bedeutung verlieren würde.

Staatsbankrott ist denkbar

„Wir wollen solche Alternativen zur Alternativlosigkeit der heutigen Europapolitik denken“, sagte der Bundesvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger. „Wir brauchen neue Konzepte, statt nur zu sagen, Deutschland muss immer länger immer mehr zahlen über den ESM.“ Griechenland werde seine Schulden nicht zurückzahlen können. Entweder müsse ein Schuldenschnitt über einen Staatsbankrott erfolgen.

Die Einführung der Drachme parallel zum Euro sei aber eine denkbare Alternative. Später könnten auch weitere Euro-Länder eine Parallelwährung bekommen. „Wir haben eine Währungszone, die nicht zusammenpasst.“

Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen den europäischen Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt sieht Aiwanger kritisch entgegen. „Das Bundesverfassungsgericht wird das mit Einschränkungen tolerieren.“ Auch die Freien Wähler hatten geklagt. Die Entscheidung soll am 12. September fallen.

Veröffentlicht am 5. September 2012 auf Welt Online

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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