Bin Laden ist tot, Barack Obama wieder ein Held
Die gezielte Tötung des Terrorfürsten Osama Bin Laden kam für die USA und ihren Präsidenten Barack Obama zu einem außerordentlich günstigen Zeitpunkt. Er verschaffte der Obama-Regierung einen dringend benötigten Aufschwung und lässt deren bisherige Bilanz zumindest für kurze Zeit vergessen. Obama regiert ein Amerika, das am Rande der Pleite steht und von einer lange Zeit nicht gekannten Armut geplagt wird. In der Bevölkerung ist der Unmut darüber groß. Wie groß, das hielt dem Weißen Haus erst im April eine Umfrage im Auftrag von New York Times und dem Fernsehsender CBS vor Augen. Danach war die Stimmung der US-Bürger so schlecht wie zuletzt inmitten der historischen Weltwirtschaftskrise Anfang 2009, als Obama als großer Hoffnungsträger zum 44. Präsidenten gewählt wurde. Er sollte das Land aus der Rezession führen und Millionen Menschen neue Arbeit geben.
Stattdessen habe er sie enttäuscht, sagten 45 Prozent der US-Bürger in der aktuellen Umfrage. Seine Wirtschaftpolitik schnitt noch schlechter ab. Sie wurde von 57 Prozent der Befragten abgelehnt.
Ebenfalls im April stufte die Ratingagentur Standard & Poor´s den Bonitätsausblick für US-Staatsanleihen herab. Die Agentur begründete dies mit der desaströsen Lage der öffentlichen Finanzen. Gerade erst war das US-Haushaltsdefizit auf 830 Milliarden Dollar gestiegen, was einer Verschuldungsrate von zwölf Prozent entspricht. Die Abstufung kam einer Abstrafung der Regierung Obama gleich.
Gerechtfertig ist sie allemal, denn in der Summe übersteigen die gesamten öffentlichen Schulden bereits 14 Billionen Dollar oder etwa 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Da sind Renten- und Sozialversicherungsansprüche noch nicht einmal eingerechnet.
Entgegen allen Versprechungen steht diesen Zahlen bisher kein belastbares Wirtschaftswachstum gegenüber. Im Gegenteil. Die zunehmende Armut im Land wird immer sichtbarer. Zwar sank die US-Arbeitslosenquote im März auf 8,9 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit 2009.
Doch diese Zahlen verzerren die Wirklichkeit, da ein erheblicher Teil derer, die seit 2009 keinen Job haben, in dieser Statistik gar nicht mehr auftaucht. So stehen inzwischen 35 Millionen Amerikaner täglich an den Suppenküchen an, weil sie sich kein warmes Essen mehr leisten können.
In dieser schwierigen Phase zwingt die katastrophale Wirtschafts- und Haushaltslage die US-Regierung auch noch zu unpopulären Maßnahmen, unter denen auch Obamas Ansehen weiter leidet. Dazu zählen erstmals seit 1998 drastische Einschnitte in den Militärhaushalt.
Die sind einer Nation, die jahrelang in Afghanistan und im Irak einen kostspieligen und verlustreichen Krieg gegen den Terror geführt hat, nur schwer zu vermitteln. Geplant sind Einsparungen in Höhe von 78 Milliarden Dollar. Obama will unter anderem die Zahl der Bodentruppen reduzieren und auf den Kauf neuer Waffensysteme verzichten. Außerdem sollen Soldaten im Ruhestand höhere Krankenkassenbeiträge zahlen.
So ist es nur zu verständlich, dass die Abneigung der US-Bürger gegen den Afghanistan-Einsatz wächst. In einer Gallup-Umfrage aus dem vergangenen Jahr sagten 43 Prozent der Befragten sogar, der Beginn des Einsatzes in Afghanistan nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sei ein „Fehler“ gewesen. Zwei Jahre zuvor hatten sich nur 28 Prozent der Befragten so geäußert. Nun aber schätzten 62 Prozent die Lage in Afghanistan als „ziemlich schlecht“ oder „sehr schlecht“ ein.
Nicht nur die US-Bürger, auch Obama selbst möchte seine Truppen so schnell wie möglich aus Afghanistan abziehen. Bislang scheiterte dieses Vorhaben auch an der Tatsache, dass das Ziel des Militäreinsatzes, nämlich die Gefangennahme oder Tötung Osama Bin Ladens, nicht erreicht worden war.
Seit dem 1. Mai 2011 gibt es dieses Hindernis nicht mehr. Der Terrorfürst ist tot, und US-Präsident Barack Obama wird wieder als Held gefeiert. Endlich ist er da, der in der bald beginnenden Vorwahlzeit dringend benötigte Popularitätsschub.
Günther Lachmann am 3. Mai für Welt Online