Der Politik entgleitet die Euro-Krise
Was immer Europas Politiker bislang gegen die Euro-Krise unternahmen, es blieb so gut wie wirkungslos. Erst vor einem Monat beschlossen die Staats- und Regierungschefs eine Aufstockung des Rettungsfonds. Damit verbanden sie die Hoffnung, die Märkte zu beruhigen und den hochverschuldeten Ländern Griechenland, Irland und Portugal ein wenig Luft zu verschaffen. Doch das Gegenteil trat ein. Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen aus Griechenland und Portugal sind seither noch einmal kräftig gestiegen. Die Rendite zweijähriger griechischer Staatsanleihen übersprang erstmals seit Gründung der Währungsunion die Marke von 25 Prozent. Die nun vom europäischen Statistikamt veröffentlichen Haushaltszahlen werden diese Entwicklung wohl noch einmal verstärken. Denn danach lag das griechische Haushaltsdefizit Ende 2010 nicht, wie erwartet, bei 9,4 Prozent, sondern bei 10,5 Prozent. Auch Portugal schnitt mit einem Defizit von 9,1 Prozent fast zwei Prozentpunkte schlechter als erwartet ab. Unter Strich heißt das, der Politik gelang es bislang nicht, die Krise auch nur einzudämmen. Ein beängstigender Eindruck. Denn mit jedem Tag scheint sich die Lage weiter zuzuspitzen.
In den betroffenen Ländern werden harte Sparpakete aufgelegt, in der Hoffnung damit dauerhaft die Einnahmen der Staaten zu erhöhen. Doch diese Politik führt nur noch tiefer in die Katastrophe. Die steigenden Steuern und Abgaben schwächen die ohnehin geringe Wirtschaftskraft der hochverschuldeten Länder nämlich zusätzlich. In der Folge werden die Staaten noch weniger Geld einnehmen und letztlich vollends am Tropf der EU hängen.
Die Weichen für eine dauerhafte Alimentation sind bereits gestellt. Mit ihren Beschlüssen haben die Staats- und Regierungschefs de facto die sogenannte Transferunion – auch wenn sie diesen Begriff nicht zulassen wollen – auf den Weg gebracht, in der die starken Länder für die schwachen Länder zahlen.
Für Deutschland sieht das so aus: In das Ende März beschlossene und ab 2013 wirksam werdende Rettungspaket ESM zahlt die Bundesrepublik rund 21,7 Milliarden Euro in bar. Weitere 168,3 Milliarden Euro übernimmt sie an Garantien. Damit ist Deutschland Europas größter Gläubiger.
In der deutschen Bevölkerung gibt es bereits heute große Vorbehalte gegen diese Politik. Die Furcht ist groß, das Land könne mit der Euro-Rettung letztlich überfordert sein. Dieser Sorge halten Bundesregierung und Oppositionsparteien entgegen, die Hilfe für die notleidenden Staaten sei unumgänglich.
In Finnland hat sich die Skepsis der Menschen bereits zu politischen Konsequenzen geführt. Dort gewann die populistische Partei „Wahre Finnen“ bei den jüngsten Parlamentswahlen 19 Prozent der Stimmen und wurde damit drittstärkste Partei. Die Nationalisten wollen die Pläne der EU zur Rettung des Euro stoppen.
Diese Haltung findet auch in Deutschland und anderen EU-Ländern viel Sympathie. Denn je mehr Zeit vergeht, desto tiefer rutscht die EU in die Schuldenkrise. Es ist längst ein offenes Geheimnis, dass die Griechen ihre Schulden wohl nicht mehr zurückzahlen können. Portugal droht ein ähnliches Schicksal. Auch die Iren sind pleite. Spanien wackelt bereits kräftig.
Aber wo ist die Idee für eine Wirtschaftspolitik, die in den notleidenden Ländern wieder Wachstum und Wohlstand schafft und die Zahlerländer langfristig entlastet?
Weder die Europäische Zentralbank noch die EU-Kommission oder all die Staats- und Regierungschefs haben auf diese Frage eine Antwort. Bald ist es nicht mehr nicht mehr zu leugnen, dass sie alle der europäischen Schuldenkrise im Grunde machtlos gegenüberstehen. Armes Europa.
Günther Lachmann für Welt Online