Portugiesen gegen den Fiskalpakt

In einem Manifest fordern angesehene Politiker ein Ende der Austeritätspolitik. Die Gläubiger, sprich die Deutschen sollen einen Teil ihrer Schulden übernehmen.

IIn wenigen Wochen ist Europawahl. Doch sie scheint keinen Einfluss auf das Politikdrama der Portugiesen zu haben. In Kürze wird das Bailout-Programm ebenfalls beendet sein, aber die öffentliche Debatte dreht sich nur um die Umstrukturierung der Staatsschulden. Sie sind das Kernthema der Medien, liegen wie ein Fluch auf der Regierung und blamieren die Opposition.

Vor kurzem hat eine Gruppe von  angesehenen Politikern ein Manifest verfasst, das nach einer Umstrukturierung der portugiesischen Schulden fragt. Der Text beinhaltet zwar keine klaren Details, aber die Autoren sind gegen einen Schuldenschnitt wie in Griechenland. Sie wollen etwa kürzere Laufzeiten und mehr Zeit für die Rückzahlung, die bereits 2013 mit Unterstützung der EU erreicht wurde. Portugal hat eine Staatsverschuldung von 130 Prozent des BIP (ähnlich wie die Iren), die Differenz zur  europäischen 60-Prozent-Grenze sei  also ein europäisches Problem, das durch einen neuen kollektiven Mechanismus gelöst werden sollte, schreiben die Autoren des Manifestes. Kurz gesagt, dieser Ansicht nach sollten die Deutschen einen Teil der portugiesischen Schulden übernehmen und dem Prinzip der Solidarität gehorchen.

Petition gegen die Rettungspolitik

Diese Woche wurde das Manifest in eine Petition umgewandelt. Das könnte die Diskussion vielleicht sogar ins Parlament bringen. Zu den Unterzeichner des Dokuments einige der Hauptkritiker der Rettungspolitik aus den  Mitte-Rechts-Parteien. Peinlich daran ist, dass einige der Autoren als ehemalige Minister für die Anhäufung der Staatsschulden verantwortlich waren. Mit dabei sind aber auch Mitglieder der regierenden Mitte-Rechts-Partei PSD zusammen mit einigen Linken, was die Regioerung einigermaßen empörte. (Es mag verwirrend klingen, aber die regierende Mitte-Rechts-Partei ist die effektivste Opposition gegen sich selbst.)

Die Wirtschaft kommt wieder in Schwung, die Arbeitslosenrate sinkt, und letzte Woche fielen die Renditen der zehn Jahres-Anleihen unter 4 Prozent – zum ersten Mal seit 2010. Das Defizit lag im vergangenen Jahr bei 4,9 Prozent des BIP, deutlich niedriger als das Ziel der Troika von 5,5 Prozent. Die Exporte steigen, und der Aktienmarkt macht optimistisch. Es scheint bergauf zu gehen, und in nur zwei Monaten wird Portugal die Rückkehr an die Finanzmärkte testen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung kommt die Petition zur denkbar schlechtesten Zeit. Sie ist die Botschaft an alle Anleger: „Glaubt nicht an uns, wir werden unsere Schulden niemals begleichen“, klagt die Regierung.

Drohende Katastrophe für die Mittelklasse

Die Verteidiger der Restrukturierung sagen, das Problem sei der Fiskalpakt, der neue Vertrag für die Eurozone. Die Arithmetik ist einfach: Um alle Spezifikationen des Vertrags zu erfüllen, muss Portugal einen Primärüberschuss in der Größenordnung von 3 Prozent des BIP (den es nie hatte) erwirtschaften und mindestens auf ein Wachstum von 2 Prozent kommen. Die Ausgaben müssen weiter sinken, und innerhalb von 20 Jahren muss das Land seine Schulden auf 60% des BIP herunterschrauben, obwohl es  jährlich 4 Prozent bis 5 Prozent des BIP an Zinsen zu zahlen hat. Das ist übrigens mehr Geld, als der Staat  in Bildung investiert. Die Bank of Portugal behauptet, diese Politik sei nachhaltig, und die Märkte scheinen es zu glauben, wenngleich sich das Rating aufgrund der Schulden nicht verbessert.

Die Kritiker des Dokuments sagen, dass eine Umschuldung zwei Monate vor dem Ende der Rettungsaktion wie ein zweiter Bailout gewertet werden könnte, da keiner einem Land leihen würde, das seine Schulden nicht begleicht. Mit der Umschuldung würde Portugal außerdem den Fiskalpakt nicht einhalten, was ein Ausscheiden aus der Eurozone zur Folge hätte. Das könnte für die Mittelklasse leicht in einer Katastrophe enden, mit Konkursen, steigender Arbeitslosigkeit und Sparpolitik. Wie auch immer, die Autoren des Dokuments jedenfalls streiten diese Hypothese ab, sie sprechen von einer reibungslosen Umstrutkurierung  mit Hilfe der Gläubigerländer – sie scheinen zu vergessen, dass die Gläubigerländer das letzte Wort haben.

Kurz gesagt, die möglichen Folgen könnten Jahrzehnte spürbar sein. Dessen sind sich die Autoren bewusst, weshlab die ganze Aufregung weniger mit den Europawahlen als mit den Parlamentswahlen 2015 zu tun hat.

Tiefe Unzufriedenheit

Die Mitte-Rechts-Regierung befindet sich in einer schwierigen Lage. Das Sparprogramm beinhaltet harte Reformen mit neuen Steuern, starken Einschnitten in die staatlichen Gehälter und Renten lässt die Arbeitslosigkeit stark ansteigen. Rund 40 Prozent der Arbeitslosen sind von Armut bedroht.

Die Unzufriedenheit sitzt tief, und einige der Eliten fordern einen sofortigen Stopp der Reformen. Ihrer Meinung nach gehen sie zu weit. Man nennt dies Reform-Müdigkeit, übersetzt in die Sprache der Politik, ist es Spar-Müdigkeit wird. Viele Menschen aus dem Mitte-Rechts-Lager verstehen, dass diese tiefe Unzufriedenheit dazu führen wird, dass sie die 2015 Parlamentswahlen verlieren werden, auch wenn die sozialistische Linke für diese Situation verantwortlich ist. Denn sie verantworten nicht nur den Bailout, sondern verhandelten auch noch das Troika Programm. Aus der Sicht von Mitte-Rechts ist die Regierung am wenigsten verantwortlich für den Schmerz und muss sich jetzt auf einen Wahlerfolg im kommenden Jahr konzentrieren. Daraus leiten sie die immer gleich Logik ab: Sparmaßnahmen und Reformen müssen aufhören, eine Einschnitte wieder rückgängig gemacht werden, die Steuern müssen sinken.

Die Reformmüdigkeit scheint zu gewinnen, und das Ende des Bailouts bedeutet das Ende der Reformen. Es bedeutet auch, dass es schwieriger sein wird, den Fiskalpakt zu erfüllen. Für die Politik ist das ein echtes Dilemma. Sie kann die Realität ignorieren und mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Aber die Wand wird trotzdem gewinnen. Die Umschuldung scheint also eine Frage der Zeit zu sein oder halt eine Frage des Verlierens. Auf jeden Fall wird die Wand stärker sein als der Kopf.

Übersetzung: Anne Lachmann

Unser Newsletter – Ihr Beitrag zur politischen Kultur!

Über Luis Naves

Luis Naves ist Journalist und Schriftsteller. Er lebt und arbeitet in Lissabon. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

×