Wie auch ein Krieg gegen Olivenbäume Existenzen zerstört
So wirkt Israels umstrittene Siedlungspolitik im Alltag: Siedler kippen Abwasser in das Trinkwasser palästinensischer Dörfer, fällen Olivenbäume und stürzen damit 40 Familien in die Armut.
Als Rabah Fenoon am Dienstag morgen zu seinem Olivenhain ging, fand er 80 frisch gefällte Bäume vor. Rabah Fenoon schaut jeden Tag nach seinen Olivenbäumen. Seine und zig andere Familien lebten bis heute vom Verkauf dieser Oliven. Über Nacht wurde ihnen die Eistenzgrundlage entzogen.
Rein wirtschaftlich gesehen, bedeutet der Verlust von 80 Olivenbäumen einen Verlust von 25.000 NIS, umgerechnet 5 000 Euro. Der langfristige finanzielle Schaden ist jedoch viel höher. Für die nächsten 15 Jahre wird die Familie keine Oliven mehr pflücken können, denn so lange braucht ein Olivenbaum um Früchte zu tragen. Einfach gesagt – der Familie wurde die Haupteinnahmequelle der nächsten 15 Jahre entzogen. Insgesamt 40 Häuser in Nahhalin werden nachhaltig von diesem Überfall finanziell betroffen sein.
Rabah Fenoon glaubt zu wissen, wer hinter diesem Angriff steckt. Nahhalin liegt nahe Bethlehem und ist umzingelt von israelischen Siedlungen. Rabah Fenoon besitzt Land, welches zwischen einer religiös-motivierten Siedlung namens Beit Ayn und der Siedlung Geva’ot liegt. Fenoon ist einer der wenigen Palästinenser, die Dokumente besitzen, die beweisen, dass ihnen das Land gehört. Israel muss diese Dokumente anerkennen und kann demzufolge das Land nicht besetzen.
Das heißt allerdings nicht, dass das Land in Frieden gelassen wird. Siedler, besonderen religiös-motivierte, sind für ihre Übergriffe an Palästinensern und deren Hab und Gut bekannt. Es ist auch kein Geheimnis, dass die israelische Armee und Polizei siedlerfreundlich handeln, wenn es zu Übergriffen kommt. Erst letzte Woche veröffentlichte das +972 Magazin ein Foto auf dem zu sehen ist, wie die israelische Grenzpolizei die Hand eines vermummten Siedlers schüttelt.
Es war nicht das erste Mal, dass das Dorf Nahhalin unter den Siedlern gelitten hat. Regelmäßig verseucht die Siedlungen das Trinkwasser Nahhalins mit Abwasser. Dies läuft auch auf die Felder und Straßen des Dorfes. Voraussagen kann man nur schwer, wann die nächste Flutwelle kommt. Das Abwassersystem der umliegenden Siedlungen ist begrenzt auf eine bestimmte Zahl von Anwohnern. Da die Siedlungen regelmäßig ausgebaut wird und mehr mehr Israelis sich dort niederlassen, ist das Abwassersystem überfordert. Somit scheint es die einfachste Lösung für dieses Problem zu sein. Die Klappen öffnen und das Abwasser auf Nahhalin über laufen lassen.
Israels umstrittene Siedlungspolitik hat nicht nur Auswirkungen auf Nahhalin. Im gesamten Westjordanland sind die Siedlungen so angelegt, dass Dörfer und Städte eingekesselt sind. Auf der einen Seite bedeutet dies, dass die Bewohner dieser Dörfer Checkpoints passieren müssen, um ihr Dorf zu verlassen. Und auf der anderen Seite besteht die ständige Gefahr von Übergriffen und der Ausbreitung der Siedlungen. Wenn man sich eine Karte von Bethlehem ansieht, kann man das Grundprinzip erkennen: Die Mauer und Siedlungen umschließen die historische Stadt fast komplett. Für wirtschaftliche Entwicklung wird kein Platz gewährt.
Als wir uns die gefällten Bäume und das umliegende Land ansahen, wurden wir von zwei Seiten von Siedlern beobachtet – aus ihren Autos heraus. Für ungefähr eine Stunde bewegten sie sich nicht, dann fuhren sie ganz langsam an uns vorbei. Eine Erklärung für das Verhalten der Siedler zu finden, ist einfach. Die Motivation hinter Übergriffen dieser Art ist Gier nach Landbesitz. Sie versuchen Bauern wie Fenoon, die offiziell Land besitzen, zu vertreiben um ihre Siedlung auszubauen. Fenoon hat Anzeige erstattet, bei der Polizei des Gush Ezion Blocks. Ein Ermittlungsverfahren hat sie nicht eingeleitet.
Nächste Woche wird die Familie Fenoon neue Olivenbäume anpflanzen – für einen Neuanfang im Geschäft mit Olivenöl in 15 Jahren.
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