Die AfD-Schmerzen der CDU

AfD / CDU / Quelle: Unsplash, lizenzfreie Bilder, open library: Christian Lue: https://unsplash.com/de/fotos/eine-person-die-ein-pappschild-vor-einer-menschenmenge-halt-UA7IqjKbgIA
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In der Union flammt erneut die Debatte auf: Ist die seit Jahren propagierte „Brandmauer“ gegen die AfD noch halt- und wirkungsvoll – oder inzwischen ein Hemmnis für politische Handlungsfähigkeit?

Mehrere führende CDU-Politiker und ehemalige Unionsgrößen plädieren öffentlich für eine Neubewertung der strikten Abgrenzungslinie. Die Grundsatzfrage lautet: Wie weit darf politische Distanz gehen, und wann wird sie kontraproduktiv?

Auslöser der Debatte

Der Startschuss fiel mit Äußerungen von ehemaligen Unionsfunktionären: Peter Tauber warf der Union in einem Stern-Interview vor, die AfD ausschließlich zu stigmatisieren, schade mehr als helfe. Er forderte, eine differenzierte „Politik der roten Linien“ zu entwickeln, die unter bestimmten Bedingungen gemeinsame Beschlüsse ermöglicht ohne ideologische Verbrüderung. Auch Karl-Theodor zu Guttenberg nahm sich dieser Position an. Er kritisiert, dass der Boykott allein nicht zur Schwächung der AfD geführt habe, und fordert stattdessen inhaltliche Konfrontation und eine flexiblere Normierung der Abgrenzung.

Diese Stimmen stehen im Gegensatz zu harten Abgrenzern in der Partei: Wolfgang Bosbach ist unmissverständlich gegen jede Kooperation mit der AfD. „Ein Heranpirschen an die AfD wird der Union mehr schaden als der AfD“, sagte er in einem Interview. Auch die Parteispitze um Friedrich Merz gibt sich fest zur Linie: Der Unvereinbarkeitsbeschluss, keine Kooperation, keine Tolerierung, soll gelten.

Argumente der Kritiker: Blockade statt Einfluss

Befürworter einer Öffnung argumentieren, dass die starre Brandmauer die Union politisch lähme. Insbesondere in bundes- und landespolitischen Konstellationen, in denen stabile Mehrheiten schwer herzustellen seien, könne die Union zunehmend handlungsunfähig erscheinen. Die AfD profitiere davon, sie werde durch Ausgrenzung als Außenseiter paradoxerweise erst gestärkt. Ein weiterer Punkt: Gesetze und Initiativen, die aus demokratisch legitimem Prozess hervorgehen, dürften nicht allein aufgrund der Zustimmung von Parteien wie der AfD infrage gestellt werden.

In einem Interview argumentierte Thüringens CDU-Fraktionschef Andreas Bühl, dass man nicht befangen agieren dürfe, nur weil einzelne Maßnahmen Zuspruch von der AfD erhielten. In Ostdeutschland wächst der Unmut über die Strategie. Einige Landespolitiker fordern, der Union müsse eine eigenständige Position abseits der ständigen Abgrenzung gelingen. Die gegenwärtige Abgrenzungspolitik habe kaum Wirkung auf das Wahlergebnis der AfD, so ihre Einschätzung.

Argumente der Verteidiger der Brandmauer: Unvereinbarkeit und Demokratie

Auf der Gegenseite argumentieren Unionsheute, dass eine Öffnung demokratiepolitisch riskant sei. Die AfD beharre auf Positionen, die laut Verfassungsschutz eine rechtsextreme Komponente aufwiesen. Eine Zusammenarbeit, selbst punktuell, könne ein verheerendes Signal senden. Wolfgang Bosbach etwa warnt, dass das „Herantasten“ an die AfD dem Ansehen und Profil der Union schade. Stattdessen müsse die Partei klar auf ihren Grundprinzipien bestehen. Der CDU-Landeschef von Mecklenburg-Vorpommern, Daniel Peters, ging zuletzt noch einen Schritt weiter und betonte, dass die derzeitige Beschlusslage eindeutig sei – und dass keine Lockerung stattfinden dürfe.

Auch die CSU verweigert sich jeder Öffnung: Partei- und Fraktionsspitzen warnen vor einer „Blitzkoalition“ mit rechtsradikalen Tendenzen, da solche Verbindungen dem Rechtsstaat und der Demokratie schaden könnten.

Innerparteilicher Konflikt und strategische Risiken

Die Debatte spaltet die Partei. Die Führung insistiert auf Klarheit und Koalitionsverbot mit der AfD. Doch im innerparteilichen Diskurs wächst der Druck, auf pragmatische Lösungen zuzugehen etwa in Minderheitsregierungen oder bei Gesetzesvorlagen, wo AfD-Zustimmung den Ausschlag geben könnte. Beobachter sehen darin ein Dilemma, denn die Union darf nicht inhaltsleer erscheinen, aber muss gleichzeitig ihre demokratischen Grenzen wahren.

Ein Risiko bei Öffnung: Die AfD könnte die Beziehungen instrumentalisieren, beispielsweise im Fraktionsstatus, Ausschussrollen oder parlamentarischen Allianzen. Eine vorsichtige Kooperation auf der Arbeitsebene (etwa bei einzelnen Initiativen) birgt zudem die Gefahr politischer Opportunität durch die Gegner – mit dem Vorwurf, man öffne die Schleusen.

Was bleibt? Polarisierung oder Kurskorrektur?

Die Union steht an einer strategischen Weggabelung: Entweder sie beharrt auf der glasklaren politischen Abgrenzung und riskiert eine innerparteiliche Entfremdung oder Bedeutungsverlust durch die Blockade oder sie wagt eine differenzierte Annäherung mit einem klaren Wertekompass und roten Linien. Die zunehmende, durch prominente Stimmen gestärkte öffentliche Diskussion könnte der Auftakt für eine Neugestaltung des politischen Umgangs mit der AfD sein.

Die Richtschnur von Franz Josef Strauß, dass es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, gilt sie noch? Entscheidend bleibt für die CDU: Rote Linie bleibt Rote Linie – jeder Schritt zur Öffnung müsste glaubwürdig, rechtlich sicher und demokratisch legitimiert sein. Ansonsten zerreißt es die Partei.

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Gerhardt Meese
Gerhardt Meese
26 Tage her

Zitat: „Ein weiterer Punkt: Gesetze und Initiativen, die aus demokratisch legitimem Prozess hervorgehen, dürften nicht allein aufgrund der Zustimmung von Parteien wie der AfD infrage gestellt werden.“ Aber das ist doch einer der zentralen Gründe für die Ausgrenzung. Wenn auf diese Weise gezeigt wird, dass die AfD rechtsstaatlich-demokratische Beschlüsse befürwortet und mitträgt, kann man ihr wohl kaum noch unterstellen, sie sei demokratiefeindlich und ein Verfassungsfeind.   Zitat: „Wolfgang Bosbach etwa warnt, dass das „Herantasten“ an die AfD dem Ansehen und Profil der Union schade. Stattdessen müsse die Partei klar auf ihren Grundprinzipien bestehen.“   Sehr geehrter Herr Bosbach, welche „Grundprinzipien“… Read more »

Nathan
Nathan
Reply to  Gerhardt Meese
25 Tage her

Die jeweiligen Regierungen haben schon zig-fach das Grundgesetz geändert bzw. manipuliert und somit „rote Linien“ überschritten. Wo also sind die „Verfassungsfeinde“, die der AfD Verfassungsfeindlichkeit vorwerfen? Die Systemparteien sind alle undemokratisch, weil sie, allein aus Machterhalt, Demokratie nicht anerkennen. Eine Verzweiflungstat, weil sie am Ertrinken sind.

fufu
fufu
24 Tage her

Was fuer ein Herumgeeiere. Sicher gibt es rechtsradikale Tendenzen in der AfD. Allerdings hat die CDU scheints kein Problem mit der Unterstuetzung von echten Neonazis in der Ukraine oder von Israel. Ob die AfD eine Alternative zu den Blockparteien bilden kann steht in den Sternen, wenn sie den anderen rechten Parteien Europas folgt ist sie entbehrlich.