Frankreichs Staatskrise – Zerbricht die Fünfte Republik?

Frankreich / Die Gegner Emmanuel Macrons eint die Abneigung auf Deutschland / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder und Grafiken; nvd9612: https://pixabay.com/de/illustrations/emmanuel-macron-8105194/
Frankreich / Die Gegner Emmanuel Macrons eint die Abneigung auf Deutschland / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder und Grafiken; nvd9612: https://pixabay.com/de/illustrations/emmanuel-macron-8105194/

Seit Monaten taumelt Frankreich von einer Regierungskrise in die nächste. Präsident Macron wirkt isoliert – und das politische System selbst droht zu zerfallen. Eine Republik im Stillstand.

Paris, Herbst 2025. Frankreich steckt in einer Staatskrise, wie sie das Land seit den Tagen de Gaulles nicht mehr erlebt hat. Drei Premierminister in zwölf Monaten – alle gescheitert. Ein Präsident ohne Mehrheit. Ein Parlament, das blockiert. Was im Sommer 2024 als taktischer Schachzug begann, hat sich zu einem verfassungspolitischen Alptraum entwickelt: Emmanuel Macron löste die Nationalversammlung auf, um seine Macht zu sichern – doch das Wahlergebnis brachte ein dreigeteiltes Land hervor.

Linke, Zentristen und rechte Nationalisten halten sich gegenseitig in Schach. Niemand kann regieren, niemand will nachgeben. Und alle hassen sich bis aufs Blut. „Wir erleben eine Art institutionellen Stillstand. Die Fünfte Republik war nie auf Kompromisse gebaut – und genau die wären jetzt nötig“, kommentiert Cécile Alduy, Politikwissenschaftlerin an der Stanford University, die Lage in Paris.

Ein System, das an sich selbst scheitert

Die Fünfte Republik wurde 1958 von Charles de Gaulle geschaffen mit einem starken Präsidenten an der Spitze. Die Idee: Stabilität durch Führung. Jahrzehntelang funktionierte das Modell. Doch heute offenbart sich seine Schwäche: Frankreich ist fragmentiert, Parteien zersplittern, Koalitionen gelten als unfranzösisch. Das präsidiale System, einst Garant für Ordnung, ist in der Wirklichkeit einer pluralistischen Gesellschaft gefangen.

„Die Fünfte Republik ist zu monarchisch für ein modernes Land“, fasst der bekannte Politkommentator Nicolas Domenach zusammen. Selbst in den Machtzirkeln des Élysée herrscht Ratlosigkeit. Verfassungsrechtler sprechen von einem „Konstruktionsfehler“: Ein System, das auf Mehrheiten angewiesen ist, aber keine schaffen kann.

Das tiefere Problem liegt im Aufbau der Fünften Republik, die quasi monarchisch auf ihren Schöpfer General de Gaulle maßgeschneidert war. Diese omnipotente Rolle des Präsidenten vermochte nur noch François Mitterrand einzunehmen, der im Stile eines roten Monarchen glänzte und sämtliche Register der Machtfülle des Präsidenten zog.

Macron zwischen Ohnmacht und Verantwortung

Emmanuel Macron wirkt zunehmend wie ein Präsident ohne Land. Seine Partei Renaissance verliert Mitglieder, seine Popularität ist im Keller. Dennoch betont er: „Ich werde meine Verantwortung bis 2027 wahrnehmen. Für die einen Hoffnung, für immer mehr Franzosen eine Drohung.Doch was bedeutet Verantwortung in einem System, das sich selbst blockiert? Selbst politische Verbündete sprechen inzwischen von einem „erschöpften Präsidenten“, der zwischen Pflichtgefühl und Sturheit schwankt.

Seine Gegner sehen in ihm den Inbegriff einer abgehobenen Elite, die das Land nicht mehr versteht. Die gesellschaftliche Spannung wächst: Zwischen Stadt und Land, Arm und Reich, Zentrum und Peripherie. Frankreich ist nicht nur politisch, sondern auch sozial gespalten – und heillos verschuldet. Die Kritik an Macron und seinem autoritären Führungsstil fassen seine Gegner in dem alles andere als schmeichelhaft gemeinten Spitznamen „Jupiter“ analog zum allmächtigen Gott der Römer zusammen.

Rufe nach einer „Sechsten Republik“

In linken und liberalen Kreisen kursiert ein neues Schlagwort: Sechste Republik. Sie soll die Macht des Präsidenten beschneiden und das Parlament stärken. Mehr Verhältniswahlrecht, mehr Zusammenarbeit, weniger Dekretpolitik, so die Forderung. Die Fünfte Republik ist eine Monarchie ohne Krone, bringt es der deutsch-französische Alt-68er Daniel Cohn-Bendit auf den Punkt. Und die Franzosen sehnen sich klammheimlich nach der Monarchie, da diese Staatsform trotz oder eher wegen all ihrer Revolutionen am besten zu ihnen passt.

Doch wie soll sich das republikanische System selbst reformieren, wenn es nicht einmal eine Regierung bilden kann? Ironischerweise bräuchte es für den Wandel genau das, was heute fehlt: eine Einigung aller relevanten politischen Kräfte über die Zukunft des Landes. Wie könnte es weitergehen?

Neuwahlen und bange Blicke

Macron könnte die Nationalversammlung erneut auflösen. Aber das wäre ein riskantes Spiel: Umfragen sehen Marine Le Pens Rassemblement National vorne. Ein Wahlsieg der Rechten könnte Frankreich endgültig in eine verfassungsrechtliche Schockstarre führen – oder in eine völlig neue politische Ära. Gleichzeitig wächst in der Bevölkerung der Wunsch nach Stabilität. Selbst eingefleischte Macron-Gegner sagen inzwischen: Noch ein Jahr Chaos – das hält das Land nicht aus.

Die Krise in Frankreich hat längst europäische Dimensionen. Ein blockiertes Paris bedeutet aus der Sicht der EU-Elite ein gelähmtes Europa: Reformprojekte, Verteidigung, Ukrainepolitik – all das braucht aus deren Sicht französische Führungsstärke. In Brüssel wächst die Sorge, dass der französische Stillstand die EU schwächt. Ohne Paris kein Fortschritt“, heißt es hinter vorgehaltener Hand in der Kommission. Frankreich, einst treibende Kraft der europäischen Integration gemeinsam mit Deutschland, ist zum Unsicherheitsfaktor geworden. Eines stimmt zumindest: Frankreich ist zu wichtig für Europa, als dass es im Chaos versinken darf.

Am Rand der Geschichte

Frankreich steht an einem Scheideweg. Reformiert es sich, oder bricht es auf zu einer neuen Republik? Seit 1958 hat die Fünfte Republik unzählige Krisen überlebt – den Algerienkrieg, Mai 68, die Gelbwesten. Doch diesmal scheint etwas Grundsätzlicheres zu wanken, das Vertrauen in die Institutionen. Die Zeichen stehen auf Wandel. Ob durch eine große Reform, durch schleichende Anpassung oder durch eine radikale Neugründung – niemand weiß es. Frankreich wird überleben. Aber die Fünfte Republik vielleicht nicht, meint der Politologe Joseph de Weck.

Die Krise Frankreichs ist mehr als eine politische Episode – sie ist ein Symptom für das Ende einer Epoche. Was de Gaulle 1958 geschaffen hat, trägt das Land nicht mehr in die Zukunft. Ob die Sechste Republik kommt, bleibt offen.

Am Ende seiner 14-jährigen Amtszeit unternahm Mitterrand eine Rundreise mit Getreuen und handverlesenen Journalisten zu den aus seiner Sicht wichtigsten Orten Frankreichs. Beim Gang durch die Kathedrale von Chartres, der Ikone der Gotik schlechthin, blickte er am Eingangsportal hinaus in die Sonne und sagte: Ich werde der letzte Präsident der Fünften Republik sein. Nach mir kommen nur noch Bankiers und Medienleute.“ Er könnte recht behalten.

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fufu
fufu
27 Tage her

Mitterand „Ich werde der letzte Präsident der Fünften Republik sein. Nach mir kommen nur noch Bankiers und Medienleute.“

Nun hat Trump, der vorgeblich maechtigste Mann der Welt, vor der Knesset bestaetigt, dass er eine gekaufte Marionette ist. Erstaunlich.

Da stellt sich doch die Frage… wer zieht die Faeden bei Bankiers und Medienleuten und den kleineren Kalibern auf dieser Welt… oder braucht es den ominoesen Faedenzieher gar nicht ?