Ausweitung der Kampfzone: 500 Jahre Bauernkriege

Bauernkriege: Aufstellung vor Weingarten. Ganz links das Heer des Schwäbischen Bundes mit rot-weißer Fahne, in der Bildmitte die Haufen des Bauernheers. Mittig oben das Kloster Weingarten. Rechts zu Pferde die Vermittlerdelegation aus Ravensburg kommend. Federzeichnung aus der Bauernkriegschronik des Abt Jacob Murer / Quelle: Wikipedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Murer_Chronik_Faksimile_19.jpg Bauernkriege: Aufstellung vor Weingarten. Ganz links das Heer des Schwäbischen Bundes mit rot-weißer Fahne, in der Bildmitte die Haufen des Bauernheers. Mittig oben das Kloster Weingarten. Rechts zu Pferde die Vermittlerdelegation aus Ravensburg kommend. Federzeichnung aus der Bauernkriegschronik des Abt Jacob Murer / Quelle: Wikipedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Murer_Chronik_Faksimile_19.jpg

Sonderausstellungen und Lobreden von höchster Stelle zum Jubiläum der Bauernkriege. Sonstiges Interesse? Fehlanzeige. Zu Unrecht!

Wenn nur die Sieger Geschichte schreiben, dann widerfährt den Verlierern selten Gerechtigkeit, erst recht dann nicht, wenn Sieg und Niederlage so total sind wie 1525 am Ende des deutschen Bauernkrieges“, sagte Bundespräsident Johannes Rau am 10. März 2000 zum 475-jährigen Jubiläum der „Zwölf Memminger Bauernartikel“. Mit dieser deutschen Magna Carta, in Anlehnung an die 1215 dem Adel abgetrotzten Bürgerrechte in England, erreichten die aufständischen Bauern einen politischen Höhepunkt. Jedoch blickten sie zugleich in den Abgrund, da die militärische Übermacht der Fürsten die Bauern letztlich niederrang. Der Furor der Sieger war gnadenlos. Was bedeutete dieser Flächenbrand damals und was sagt er uns heute?

Langer Anlauf

Der Knall kam nicht überraschend. Er baute sich seit dem 14. Jahrhundert mit seinen Pestwellen, einer kleinen Eiszeit und massiven Ernteausfällen allmählich auf. Anfang des 16. Jahrhunderts explodierte das Pulverfass und die aufständischen Bauern brachten die Herrschaft des Adels und der Kirche ins Wanken. Ihre Rebellion stand für etwas Grundsätzliches: Freiheit und Gerechtigkeit. Ein Begriff, der seit damals Hochkonjunktur hatte und auf den sich linke Parteien bis heute berufen.

Der Hintergrund für diese erste soziale Bewegung von unten in Deutschland, die sich in den Bauernkriegen abbildete, ist in der deutschen Erinnerungskultur unterbelichtet. Das mag mit dem schlechten Leumund, den die Bauern nach ihren vernichtenden Niederlagen verpasst bekamen, zusammenhängen. Auch Martin Luther hat an der negativen Deutung der Bauernkämpfe seinen Anteil mit seinem Pamphlet „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“. Für den abtrünnigen Augustinermönch waren die Forderungen der Bauern zu viel des Guten, obwohl er anfänglich mit ihnen sympathisierte. Luther wusste, wenn er seine Reformation retten wollte, dann musste er sich mit der Obrigkeit gut stellen. Für den Reformator sollte die soziale Ordnung, die für ihn gottgegeben war, erhalten bleiben.

Römische Sitten und Spießertum

Allerdings wollten die Bauern eine soziale Revolution, die sie aus ihrer politischen Unmündigkeit und wirtschaftlichen Abhängigkeit von Adel und Klerus befreien sollte. Luther hingegen beabsichtigte im Kern eine Reform der Katholischen Kirche, zurück zu ihren Anfängen im frühen Christentum. Auf seiner Rom-Reise hatte der Wittenberger sein Damaskus-Erlebnis, als er das Luxusleben und die Ausschweifungen des römischen Klerus mit eigenen Augen sah. Luther wollte die Römische Kirche retten und nicht verlassen. Dass es anders kam, hatte viel mit politischen Machtspielen zu tun und nicht zuletzt mit einer Eigenschaft, die den Deutschen zugeschrieben wird: dem Spießertum.

Der Ex-Mönch aus Thüringen hat den Spießer stilbildend geschaffen: obrigkeitstreu, bescheiden, ernst. Ironie der Geschichte ist, dass der neue Papst Leo XIV. wie Luther Augustiner ist und dass dessen Gegenspieler Medici-Papst Leo X. war. Ihm wird die kirchenpolitisch wenig korrekte Aussage zugeschrieben: „Mir und den Meinen hat die Legende von Jesus Christus viel gebracht.“ Allerdings dürfte dieser Playboy auf dem Papstthron nicht das Vorbild für die Namenswahl des aktuellen Pontifex gewesen sein. Für die Bauern vor 500 Jahren ging es weniger um die Zustände am päpstlichen Hof, sondern um das nackte Überleben.  

Verkommene Verhältnisse

Woran entzündete sich dieser Flächenbrand? Um 1500 veränderte sich für die Bevölkerung des Heiligen Römischen Reiches die Welt rasant. Das Reich war in hunderte größere und kleinere Herrschaften zersplittert, und besonders der Südwesten war von dieser Kleinstaaterei gekennzeichnet. Hinzu kam, dass oft mehrere Herren im selben Dorf Abgaben einzogen oder Recht sprachen – Adel wie Klerus und oft gegeneinander. Etliche versuchten daher, die Verwaltung zu vereinheitlichen, was zu Widerständen der konkurrierenden Standesherren führte. Den Konflikt trugen Adel und Klerus auf dem Rücken der Bauern aus.

Ein Beispiel aus den Quellen zeigt, wie absurd das Leben der Bauern damals oft ablief: Sie mussten Schneckenhäuser sammeln, damit Edeldamen ihr Garn darumwickeln konnten, was ein Trend war. So hat es beispielsweise die Gräfin von Lupfen im Juni 1524, also mitten in der Erntezeit, den Bauern des Dorfes Stühlingen im Klettgau befohlen. Dieser Klettgau, eine Region westlich des Bodensees, gilt als Wiege jenes Aufstands, der vor 500 Jahren das Heilige Römische Reich vom Elsass bis zur Steiermark erfasst hat. Der Funke zum Pulverfass entzündet sich oft an den Rändern, nicht so sehr in den Zentren. Hier zeigt sich eine Analogie zu den neuzeitlichen Aufständen gegen Assad in Syrien oder Gaddafi in Libyen, die von der Peripherie ausgingen.

Geschichtsdeutung der Bauernkriege

Vor 500 Jahren griffen zehntausende Bauern zu den Waffen, um eine bessere und gerechtere Welt zu erkämpfen. Zwischen Januar und Juni 1525 schien es, als ob die Herrschaft der Katholischen Kirche und des Adels wankte. Die Träume waren überschwänglich, und unter der Fahne mit dem Regenbogen, verstanden als Sinnbild der Verbindung von Gott und Mensch, sammelten sich in Mittel- und Süddeutschland die Aufständischen. Schließlich unterlagen die Bauern durch die bis heute gültige Formel: Viel Geld für Waffen und Masse Mensch auf dem Schlachtfeld erringen den Sieg. Die Rebellen hatten keine Verbündeten außerhalb ihres eigenen Standes, bis auf wenige bekannte Ausnahmen wie den Theologen Thomas Müntzer. Dass sie politisch scheiterten, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bauern von 1525 mit den Zwölf Memminger Artikeln ein eindrucksvolles Vermächtnis für die Freiheit hinterließen.

In der DDR waren die Bauernkriege in der Erinnerungskultur verankert. Mit Thomas Müntzer, der auf der Fünf-Mark-Banknote prangte, hatte die SED-Kulturpolitik einen frühen sozialistischen Freiheitskämpfer geschaffen. Die Bauernkrieger galten den Sozialisten als ihre Vorkämpfer, ganz anders als im Westen. Bei der diesjährigen 500-Jahrfeier in Memmingen forderte Bundespräsident Steinmeier, die Memminger Deklaration “auf die Landkarte unserer nationalen Erinnerung zu setzen”. Ausnahmsweise hat er Recht.

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fufu
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30 Tage her

Wenn man die 12 Artikel liest, z.B. nach Wikipedia, so waren die Bauern vor 500 Jahren der heutigen Zeit weit voraus.

Ella Stitz
Ella Stitz
Reply to  fufu
30 Tage her

500 Jahre und nix geändert. Mit Hilfe der Medien hat man die Leute dazu gebracht die Tyrannei als gut zu empfenden. Ja, die Domestizierung des Menschen schreitet voran.

fufu
fufu
Reply to  Ella Stitz
29 Tage her

Die Verhausschweinung… die Preise fuer Schweinefleisch sind im Keller, der Bauer ist Alkoholiker und hat kein Geld fuers Futter mehr. Keiner da der den Stall aufmacht.

dragaoNordestino
dragaoNordestino
Reply to  fufu
28 Tage her

erstaunliche Feststellung…. wo genau in den 12 Artikeln, können Sie dies erkennen.?

fufu
fufu
Reply to  dragaoNordestino
28 Tage her

„erstaunliche Feststellung“?????

Das Bewusstsein der Ausbeutung quillt aus jedem der 12 Artikel. Das Bewusstsein heute in diesem Sinne und ueberhaupt aehnelt mehr dem im genannten Bauernhof. Man koennte es weiter ausfuehren… ein gute Beispiele waeren die Energiewende, das Gesundheitssystem mit und ohne Covid, jetzt die Aufruestung…

dragaoNordestino
dragaoNordestino
Reply to  fufu
28 Tage her

hmmm… Wohlstandsverwahrlosung pur… die Zustände im Zentrum Europas des frühen Mittelalters kann man nun wirklich nicht nicht, mit dem Europa des frühen 21. Jahrhundert vergleichen… sorry

fufu
fufu
Reply to  dragaoNordestino
27 Tage her

„…sorry“

Genau, s(S)ie merken es nicht mal.

fufu
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Reply to  fufu
27 Tage her

Um es verstaendlicher zu machen… es ging um das Bewusstsein, nicht um Waschmaschinen, Autos und Fernsehen.

dragaoNordestino
dragaoNordestino
Reply to  fufu
27 Tage her

Sie wollen allen Ernstes, das Leibeigentum des frühen Mittelalters mit dem Europa des frühen 21. Jahrhundert vergleichen.?

Last edited 27 Tage her by dragaoNordestino
fufu
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Reply to  dragaoNordestino
27 Tage her

Genau das.

fufu
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Reply to  fufu
27 Tage her

„Genau das“… nur dass auf Ebene der Innenwelt die Situation des 21. Jhs eher mit dem Bauernhof zu vergleichen ist wobei ich mich natuerlich auf die erste Welt beziehe.

dragaoNordestino
dragaoNordestino
Reply to  fufu
26 Tage her

so was nent man wohl, Jammern auf hohem Niveau …. eigentlich nicht verwunderlich bei den Wohlstandsverwahrlosten Mitteleuropäern.

fufu
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Reply to  dragaoNordestino
26 Tage her

Grunz… grunzgrunz… ich hoer’s auch.

dragaoNordestino
dragaoNordestino
28 Tage her

Was genau möchte der Artikel zum Ausdruck bringen.?? Bauernaufstände waren vom 9 bis ins 19 Jahrhundert weltweit allgegenwertig…

fufu
fufu
26 Tage her

„In der DDR waren die Bauernkriege in der Erinnerungskultur verankert…“ Die Buerger der ehemaligen DDR haben nicht die Gehirnwaesche des Westens erhalten, hier zeigt sich noch ein gewisser revolutionaerer Geist was sich auch im Wahlverhalten ausdrueckt. Allerdings auch eine gewisse Naivitaet gegenueber dem westlichen System, uebrigens auch, zumindest frueher, bei Putin… die BRICS sind ja nur ein Abklatsch des frueheren Antiimperialismus der Sowjetunion. Sein Krieg gegen das Vordringen der NATO … wohl nicht wegen einer realen militaerischen Bedrohung sondern aus Furcht vor Unterwanderung durch ein System das eine betraechtliche Anziehungskraft fuer die Masse ausuebt, dessen Boesartigkeit aber im Gegensatz zum… Read more »

dragaoNordestino
dragaoNordestino
Reply to  fufu
26 Tage her

ja da gibts ja auch ein Buch dazu:

Mythen in der Politik der DDR

Bauernkrieg und Reformation als politische Mythen der DDR

wie auch immer

dragaoNordestino
dragaoNordestino
Reply to  fufu
26 Tage her

ah ja, hier noch eine kleine Zusamenfassung: Über die gesamte Zeit der DDR hinweg unterlagen die einschneidenden Ereignisse des 16. Jahrhunderts, namentlich der Bauernkrieg von 1525 und die Reformation ab 1517, einer ausgeprägten Mythisierung. Sie stellten ”Additionsmythen”277 zum wichtigsten Gründungsmythos vom Antifaschismus dar, charakterisierten ihn näher und schrieben seine sozialpolitische Richtung fest. Thomas Müntzer und der Bauernkrieg stellten dabei den Kern mythischer Zugehörigkeitsbezüge dar, da diese den Versprechungen und Erwartungen auf eine auf Gleichheit und Volksherrschaft beruhende Gesellschaft in der DDR entsprachen und einem sich als revolutionär definierenden Staates wie kein anderes geschichtliches Ereignis gerecht wurden. Dies änderte sich, als… Read more »

fufu
fufu
Reply to  dragaoNordestino
26 Tage her

Religion, Mythen, Nation und die zugehoerigen Narrativen sind sinnstiftend fuer die Masse, heute grossteils ohne Bezug zur Realitaet. Solange die Masse die Realitaet nicht erkennt gibt es keine Aenderung. Ansaetze gab es jederzeit nur sind die Methoden zu derer Unterdrueckung heute perfider.

fufu
fufu
Reply to  fufu
26 Tage her

Die Realitaet ist fuer die meisten zu brutal, selbst wenn sie vor ihren Augen liegt… Gaza. Selbst Merkel… „das macht man unter Freunden nicht“… heilige Naivitaet.

dragaoNordestino
dragaoNordestino
Reply to  fufu
26 Tage her

heilige Naivitaet

so würde ich dies nicht bezeichnen

verblödete Ideologie passt besser

Last edited 26 Tage her by dragaoNordestino
dragaoNordestino
dragaoNordestino
Reply to  fufu
26 Tage her

Sein Krieg gegen das Vordringen der NATO … wohl nicht wegen einer realen militaerischen Bedrohung sondern aus Furcht vor Unterwanderung

hmmm… vermutlich nicht.Wer will schon mit dem Polittheater, westlicher Politdarsteller zu tun haben.

Vermutlich wollen die RF, Moskau einfach nicht, hinter den Ural verlegen… deshalb die Abwehr der sich nahenden Nato Gelüste

fufu
fufu
24 Tage her

Natuerlich ist es quasi gotteslaesterlich das Ebenbild Gottes mit einem Schwein oder die menschliche Gesellschaft mit einem Schweinestall zu vergleichen. Es ist mir schon bewusst, dass ich damit der Realitaet etwas vorausgeeilt bin. Immerhin haben die Schweine im Stall schon den Chip im Ohr und was passiert wenn das Futter ausbleibt kann man sich ausmalen. Und kein Gott wird den Stall aufmachen.

fufu
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Reply to  fufu
22 Tage her

Als Vegetarier gehoert meine Solidaritaet den Schweinen. Sie koennen nichts dafuer, sie wurden so geboren und kennen nichts anderes als den Stall. In besseren Zeiten glaubten sie vielleicht sogar der Bauer meint es gut mit ihnen weil er ihnen Futter bringt. Letztendlich ist der Bauer auch ein armes Schwein weil sein Schicksal von hoeheren Maechten bestimmt wird.

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