Merz reißt die Brandmauer nach links ein

Demokratie / Inschrift am Reichstag / Bundestag / Einheit/ Die deutsche Nation / Friedrich Merz / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library; Kamyq: https://pixabay.com/de/photos/berlin-der-bundestag-denkmal-680198/ Demokratie / Inschrift am Reichstag / Bundestag / Einheit/ Die deutsche Nation / Friedrich Merz / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library; Kamyq: https://pixabay.com/de/photos/berlin-der-bundestag-denkmal-680198/

Historisches Debakel? Die Kommentatoren wählen bei der Kanzlerwahl von Friedrich Merz einen Superlativ, der überzogen ist. Bedeutend war etwas ganz anderes.

Olaf Scholz konnte es nicht fassen, dass er am Vormittag des 6. Mai immer noch Kanzler war. Einem Journalisten, der ihn fragte, ob er sich über Merz‘ verpatzten ersten Wahlgang freue, zeigte der fast Kanzler a.D. genervt den Vogel. Sein Nachfolger Friedrich Merz verpasste mit sechs Stimmen die Kanzlermehrheit und musste in eine zweite Runde. Unklar war, wann?

Spaßvögel in der Koalition

Der Kanzlerwahltag war ein Hochamt für die Deuter des Grundgesetzes und der Geschäftsordnung des Bundestages. Viele Meinungen und wenig Substanzielles prägten die Stunden zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang. Dass es keinen weißen Rauch nach der ersten

Abstimmung geben würde, konnten sich die Spitzen von Union und SPD anscheinend nicht vorstellen. Merz und Klingbeil wirkten nach dem Misserfolg rat- und planlos. Wer waren die Abweichler? Wollten vergrätzte Genossen sich ihr Mütchen kühlen, indem sie Merz durchfallen ließen, aber eigentlich Lars Klingbeil meinten?

Die Spekulationen schossen ins Kraut, aber Antworten darauf wird es nicht geben. Die Antworten wird nach der Kanzlerwahl die Koalition in ihrem fachpolitischen Abstimmungsverhalten im Parlament geben müssen. Heikle Fragen gibt es reichlich: von der Migrations- über die Wirtschafts- bis zur Außenpolitik. Wenn es dann zu ähnlichen Possen kommt wie am 6. Mai, dann freuen sich zwei Parteien: AfD und Linke. Und jene hatte am Wahltag unverhofft alle Fäden in der Hand.

Nächste Ausfahrt links

Als am späten Dienstagnachmittag Merz die notwendigen Stimmen doch noch zusammenbekam, gab es einen Gewinner: die Linke. Sie sorgte dafür, dass der Antrag der Koalition für einen zweiten Wahlgang am selben Tag die notwendige Zweidrittelmehrheit erhielt. Politiker aus den Reihen der Union lobten die staatspolitische Verantwortung der Linken, die im neuen Bundestag für Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit gebraucht wird. Die AfD ist dafür tabu, zumal der Verfassungsschutz die Partei als gesichert rechtsextremistisch einstuft. Die Annäherung zwischen

CDU und Linke hat einen längeren Vorlauf und beginnt mit den schwierigen Verhältnissen in Thüringen.

Moderater Wegbereiter

Dort genießt der frühere Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow auch bei CDU-Abgeordneten Ansehen. Während dessen Minderheitsregierung brachte sein Kabinett mit der Union den Haushalt und weitere Vorhaben durch den Landtag. Als seriöser und im Kern sozialdemokratischer Linker geschätzt, hat Ramelow in Unionskreisen über Thüringen hinaus dafür gesorgt, dass seine Partei aus der Schmuddelecke herauskam.

Nach der konstruktiven Haltung am Kanzlerwahltag dürfte die Linke im Osten künftig als Mehrheitsbeschaffer für die Christdemokraten salonfähig sein. Denn sie wird mehr denn je von CDU und SPD als Brandmauer gegen die AfD gebraucht. Kanzler Merz hat den Unvereinbarkeitsbeschluss stillschweigend am 6. Mai geschliffen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Union dieses Relikt, wie es Linken-Maskottchen Heidi Reichinnek bezeichnete, auf den Kehrichthaufen der Geschichte räumt.

Merz und die Brandmauer

Im Wettlauf zwischen AfD und Linkspartei um die Gunst der CDU hat letztere gewonnen. Ausgerechnet der Ziehsohn von Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble schleift die Brandmauer nach links außen. Parteigrößen wie Generalsekretär Carsten Linnemann beeilten sich, aufgeregte Gemüter zu beruhigen. Eine inhaltliche Zusammenarbeit mit der Linken sei weiterhin nicht vorstellbar. Allein schon, weil die Partei die soziale Marktwirtschaft überwinden wolle. Aber wer glaubt der Union noch nach ihrem sofort nach der Bundestagswahl gebrochenen Wahlversprechen, die Schuldenbremse nicht anzutasten?

Historisch war der 6. Mai, wenn überhaupt, nicht wegen des vermasselten ersten Wahlgangs für Friedrich Merz. Es wären auch ohne den Antrag, am selben Tag ein zweites Mal zu wählen, problemlos weitere Wahlgänge in den folgenden Tagen möglich gewesen. Nebenbei sollte aus dieser Erfahrung die Geschäftsordnung des Bundestages geändert werden: Es wird unverzüglich weitergewählt, bis spätestens mit einfacher Mehrheit der Kanzler feststeht. Historisch war am 6. Mai 2025, dass Friedrich Merz die Linke in den Club der „demokratischen Parteien“ aufnahm.

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dragaoNordestino
9 Tage her

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Last edited 9 Tage her by dragaoNordestino
dragaoNordestino
9 Tage her

Ja nun, im deutschen Kasperli-Theater ist nun wohl alles möglich. Anders ist wohl kaum mehr zu erklären, wieso eine Linkspartei sich hergibt, um den Weg frei zu machen, für Merz und BlackRock.

Ja die Bürgerdarsteller in der BRD haben tatsächlich ein nettes Polit-Theater.

dragaoNordestino
7 Tage her

nettes Polittheater
LINKE wählt BlackRock… wow

fufu
fufu
Reply to  dragaoNordestino
7 Tage her

Auch die Rechte wuerde mit Handkuss Blackrock waehlen um an die Regierung zu kommen wenn man sie den liesse.Aber das dauert noch.

fufu
fufu
5 Tage her

Der Artikel verfehlt wieder mal die Essenz. Deutschland ist eine US/NATO-Kolonie, der Rest ist Theater fuers Volk. Die einzige Brandmauer ist die Zugehoerigkeit zum transatlantischen Buendnis und das ist saemtlichen Parteien im Parlament sehr bewusst. Die Zeit der AfD wird wohl kommen, aber wenn, dann gegen die Russen.

fufu
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Reply to  fufu
4 Tage her

Leicht an den Vorgaengen in Rumaenien zu demonstrieren… der putinfreundliche Kandidat wurde verboten… der Trump- und Israelfreundliche „konservative“ Kandidat hat zumindest Chancen… der putinfreundliche Kandidat dient letzterem als Stimmenfaenger und darf vielleicht ein Ministeramt uebernehmen… kontrollierte Opposition falls es mit dem liberalen Kandidaten nicht klappt.

fufu
fufu
Reply to  fufu
4 Tage her

… saemtliche „rechten“ Parteien in Europa sind kontrollierte Opposition, so auch die AfD.

dragaoNordestino
4 Tage her

Es ist wohl wie Patrik Baab sagt:
Wir sind in einer Kakistokratie angekommen, das ist die Herrschaft der Dümmsten und Schlechtesten.
Verursacht durch die sogenannte Identitätspolitik.

fufu
fufu
Reply to  dragaoNordestino
14 Minuten her

Kannte diesen Patrik Baab nicht. Auch so ein Medienvertreter der die Showeinlage von Trump zelebriert. Begriffe wie Kakistokratie lassen nur den Blutdruck der Duemmsten steigen was zu deren fruehzeitem Ableben beitraegt. Ob der zu letzteren oder den Schlausten gehoert weiss man natuerlich nicht.

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