Der Knall von München als Zeitenwende für Europa
Historisch, empörend, fassungslos: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) lassen die Amerikaner die Maske fallen und überlassen die Europäer sich selbst.
Die Ansprache von US-Vizepräsident Vance erschütterte die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) und sorgte für steigenden Blutdruck unter den anwesenden europäischen Politikern. Der Grund: Mit einer neuen Außenpolitik verändert die Trump-Regierung das internationale Koordinatensystem. Am Beispiel der ersten Gespräche zwischen russischen und amerikanischen Vertretern in Saudi-Arabien für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine sehen die Europäer, wo ihr Platz ist: nicht einmal am Katzentisch. Eilig hat der französische Präsident Macron zu einem Krisengipfel in Paris gebeten, um über die Sicherheit des Kontinents zu sprechen. Wie geht es weiter für Europa zwischen USA, Russland und China? Hier sind vier Erkenntnisse aus München.
1. Ende einer Ära
Inhaltsverzeichnis
Die NATO wurde 1949 mit dem Hauptziel gegründet, die Expansion der Sowjetunion in Europa zu verhindern und die geschlagenen (West-)Deutschen in ein US-dominiertes Bündnissystem zu integrieren. Heute zählt die Militärallianz 32 Mitglieder, darunter mehrere osteuropäische Länder. Bisher sind sich die Mitglieder einig, dass die anderen bei der Verteidigung helfen sollen, wenn eines von ihnen angegriffen wird. Das sieht der Artikel Fünf im NATO-Vertrag vor, die Beistandsklausel.
Jedoch existiert nach dieser Münchner Tagung die Sicherheitsarchitektur für Europa aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Amerika ist noch in der NATO, aber Europa kann und darf sich nicht mehr automatisch auf die Hilfe der USA verlassen. In Brüssel forderte US-Verteidigungsminister Hegseth die europäischen Verbündeten auf, deutlich mehr für die Verteidigung auszugeben, da sie den „überwältigenden“ Anteil der Militärfinanzierung für die Ukraine übernehmen müssten.
Hinzu kommt nach dem Treffen des russischen Außenministers Lawrow mit seinem amerikanischen Amtskollegen Rubio in Saudi-Arabien, dass USA und Russland zur Beendigung des Krieges in der Ukraine ein Abkommen alleine nach ihren Vorstellungen schließen werden, ob es den Europäern und den Ukrainern gefällt oder nicht. Das Treffen in Riad beendete eine dreijährige Unterbrechung der Gespräche mit Präsident Putin trotz eindringlicher Warnungen aus Kiew, dass dem russischen Präsidenten nicht zu trauen sei.
Der ukrainische Präsident Selenskyj, der wiederholt erklärt hat, er würde kein Abkommen ohne die Beteiligung seines Landes akzeptieren, kritisierte, Kiew sei nicht zu den Gesprächen eingeladen worden. Was ein wenig nach einem beleidigten Kind klingt, das nicht zur Geburtstagsfeier eingeladen wurde, dürfte massive Folgen haben. Washington und Moskau sind die Europäer egal und Selenskyj ist ein Präsident auf Abruf. Putin verachtet ihn, Trump inzwischen auch – „He’s a dictator“ – und die beiden werden sich über die Interessen der Ukraine und der Europäer hinwegsetzten.
Man stelle sich vor, Putin bekommt das größte Stück aus der ukrainischen Torte und hat ein paar Jahre später Appetit auf Sahnebaiser wie beispielsweise Lettland. Dort gibt es eine russische Minderheit, die sich von der lettischen Regierung benachteiligt fühlt und Moskau um Hilfe ruft. Plötzlich tauchen dort die berühmten grünen Männchen auf wie 2014 auf der Krim. Was macht dann die NATO für ihr baltisches Mitglied? Nach der Lesart der Trump-Regierung ist nicht einmal mehr sicher, ob der Bündnisfall nach Artikel Fünf ausgelöst würde. Und selbst wenn, heißt das nach den Statuten eben nicht, dass dem angegriffenen Mitglied sofort Waffenhilfe seiner Verbündeten geliefert werden muss. Der NATO-Rat kann es auch bei einer salbungsvollen Beileidsbekundung belassen.
2. Neue Aufrüstungsspirale
Europa, da sind sich so gut wie alle einig, muss seine Verteidigungsausgaben rasch erhöhen, wenn es überhaupt die Hoffnung haben will, das neu erstarkte Russland abzuschrecken. Das derzeit von der NATO vorgeschriebene Minimum von 2% des Bruttoinlandsprodukts wird wahrscheinlich auf 3-5% steigen. Russland gibt derzeit prozentual mehr als doppelt so viel für die Verteidigung aus wie die europäischen Staaten, mit Ausnahme von Polen. Warschau weiß aus seinen historischen Erfahrungen mit Moskau, warum.
Sofort nach seiner Amtseinführung forderte Trump die europäischen NATO-Mitglieder auf, mindestens 5% ihres Nationaleinkommens für die Verteidigung auszugeben. NATO-Generalsekretär Rutte verlangte von den Mitgliedsstaaten ebenfalls höhere Militärausgaben. Aber bei der Hilfe für die Ukraine hat Europa die USA insgesamt bereits überholt. Zusammengenommen hat es 70 Milliarden Euro an finanzieller und humanitärer Hilfe sowie 62 Milliarden Euro an Militärhilfe bereitgestellt. Dem stehen 64 Milliarden Euro Militärhilfe aus den USA sowie 50 Milliarden Euro an finanziellen und humanitären Zuweisungen gegenüber.
Nach den berechtigten Forderungen seitens Washingtons, mehr in die europäische Verteidigungskraft zu investieren, müssen die Europäer umgekehrt ihre Rechnung aufmachen. Das heißt, Trump klar zu sagen, dass sie bei der Zukunft der Ukraine mit am Tisch sitzen wollen aufgrund der erbrachten Hilfen. Außerdem dürfen die Europäer keinen einseitigen Deal mit ukrainischen Bodenschätzen zulasten der Europäer zulassen. Ganz nach dem Motto: Die Kosten werden europäisch sozialisiert und die Profite amerikanisch-russisch privatisiert. Sowohl Trump wie Putin verstehen nur die Sprache der Stärke. Versagen hier die Europäer, dann sind sie auf lange Sicht raus aus dem Rennen um Einfluss in der Welt.
3. Europa im Zangengriff
Der regelrecht vernichtende Angriff des US-Vizepräsidenten Vance auf die europäische Politik in seiner Rede in München wurde von vielen Delegierten auf der Sicherheitskonferenz als „unüberlegt“ und „beleidigend“ bezeichnet. In dieses Horn bliesen auch CDU-Chef Merz, Kanzler Scholz und nicht zuletzt der Spitzengrüne Habeck: „Kümmere dich um deinen eigenen Kram“, warf er Vance hinterher. All jene hatten gehofft, der US-Vizepräsident würde ihnen versichern, dass die USA die Ukraine nicht im Stich ließen, und damit auch die Europäer. Stattdessen verbrachte Trumps Vize die meiste Zeit damit, den europäischen Regierungen vorzuwerfen, von ihren Werten der Freiheit abzuweichen und die Bedenken der Wähler hinsichtlich Migration und Meinungsfreiheit zu ignorieren.
Die Temperatur im Saal nach seiner Rede soll in den Minusbereich abgerutscht sein und wurde mit betretenem Schweigen aufgenommen. Ein Novum war, dass anschließend die meisten europäischen Politiker auf der Konferenz Vances Rede verurteilten. Eine bislang nie dagewesene harsche Kritik am wichtigsten Verbündeten im Westen. Trump nannte den Vortrag „brillant“, was nicht überraschte, aber sicherlich fand auch Moskau die Rede brillant, deren Tenor war: Europa darf den Russen gehören.
4. Uneinigkeit und Zwietracht
Während die Münchner Konferenz von geopolitischen Themen beherrscht wurde, kündigte Trump Pläne an, ab März einen 25-prozentigen Zoll auf alle Stahl- und Aluminiumimporte einzuführen. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass es inzwischen in mehreren Fragen, vom Handel bis zum Umgang mit Russland, große Gräben zwischen den Positionen Washingtons und denen Europas gibt.
Es hat sich eine Kluft aufgetan, die schwer zu überbrücken ist. So hat sich der in München anwesende britische Premierminister Stamer als möglicher Vermittler ins Gespräch gebracht. Er sagte gegenüber Reportern, beide Beziehungen seien wichtig und Großbritannien würde „nicht zwischen den USA und der EU wählen“.
Die Botschaften der Trump-Regierung sind manchmal widersprüchlich, und Trump rudert oftmals einen Tag nach großen Ankündigungen wieder zurück. Bei den Handelsfragen ist das jedoch weniger wahrscheinlich als bei den geopolitischen Herausforderungen. Auf dem Gebiet der Wirtschaft fühlt sich der „Dealmaker“ sicher, auf außenpolitischem Terrain könnte er bei einem einseitigen Kurs pro Moskau unter die Räder geraten, und zwar unter chinesische.
Fazit von München für die Europäer ist: Die Konferenz war tatsächlich historisch, da Trump mit seiner MAGA – „Make Amerika Great Again-Bewegung“ – die Welt neu ordnen will. Das soll zu Lasten klassischer Bündnisse wie der NATO gehen, die sich in Luft auflösen könnten. Die künftige Bundesregierung muss darauf kraftvoll reagieren, und das geht nur noch im Zusammenspiel der Europäer untereinander. Mit so viel wirtschaftlicher Kooperation wie nötig und so viel geostrategischer Distanz wie möglich zu den Polen Washington, Moskau und Peking.
Alter Wein in neuen Schlaeuchen.
„Distanz wie möglich zu den Polen Washington, Moskau und Peking“… der Autor hat fast nur ein Komma vergessen… Distanz wie möglich zu den Angelsachsen, Polen, Washington, Moskau und Peking.
Fast alle Parteien sind trotzig auf Krieg eingestellt, weil keiner die Nato mit ihrer Osterweiterung als Kriegsgrund erkennen will und sich bewußt etwas in die Tasche lügen, um im Grunde dem systemischen US-Hass auf Rußland zu frönen. Da Trump sich nun als Unschuldslamm präsentiert (wohl nur mit Hintergedanken, Rußland zu neutralisieren, um sein Augenmerk ungehindert auf China lenken zu können), führt Europa obigen US-Hass weiter. Es gäbe aber auch eine andere Zukunft: Statt Kanonenfutter ohne relevante Atommacht könnte Europa sich zur bündnisfreien Neutralität, wie Schweiz und Österreich, besinnen. Wir hatten keine Nato-geschürte Angst vor Rußland, deswegen die Vernachlässigung der Bundeswehr.… Read more »
Nathan der letzte Vertreter des deutschen Idealismus, „des Guten, des Schoenen, des Wahren“, ich wuerde ihnen gerne recht geben… aber… konfrontiert mit der Chuzpe (von jiddisch Chutzpah) eines Trump, gross geworden als Spekulant in einem mafioesen, korrupten System, wer wird wohl die Oberhand haben ?
Einfache Loesungen fuer Deutschland gibt es nicht mehr. Wo sind eigentlich die Goldreserven verblieben, ich hoere nichts mehr darueber, vor einigen Jahren hat man angeblich die Haelfte zurueckgeholt. Zumindest hier koennte sich die AfD doch engagieren.
‚Die künftige Bundesregierung muss darauf kraftvoll reagieren…‘ Das kommt davon wenn eine Gesellschaft 60 Jahre einen auf Wolken-Kukuksheim macht und eine ganzes Volk belügt. Wir sind eine Kolonie, eine Vasall mehr nicht. Jahrzente geplündert und wenn sich die Interessen ändern angewickelt und abgestoßen. Wer hat das alles zu verantworten? CDU/CSU/SPD/FDP/GRÜNE.. das Parteienkartell. Ihre Aufgabe war es Jahrelang das Ganze zu vertuschen und dafür gut belohnt zu werden. Jetzt greinen alle Kraft Ihrer Wassersuppe. Nein der Zug ist weg. Der einzige Ausweg? Friedliches und neutrales Europa der Vaterländer. Ohne Parteien und ohne Brüssel. Die haben nur fremden Herren und Konzernen gedient.… Read more »
War längst überfällig. Mit großen Kindern will man nicht spielen.
Trump will 25% Zoelle auf Importe der EU ?
Kein Problem 50% auf Tesla, Apple… Scharfe Kontrolle des Hygienestandards bei McDonalds… Verbot von Investitionen Blackrocks in Europa… Rueckfuehrung der Ruestungsausgaben auf 1%… kein Kauf US-amerikanischer Ruestungsgueter… Rueckforderung der Goldreserven…
Die Ukraine kann er behalten, 300% Zoelle auf Agrarimporte aus der Ukraine… Verstaendigung mit Russland…
Ein deutliches FuckTrump… und er wuerde sich als Papiertiger erweisen.
Problem nur, dass die europaeische Politikergarde ihre Karrieren auf die „transatlantische Freundschaft“ ausgerichtet haben, die nie existiert hat.
und hat ein paar Jahre später Appetit auf Sahnebaiser wie beispielsweise Lettland.
wenn man solche Sachen schreibt, sollte man zu mindest den Ursprung des Ukrainekonflikts kennen… beziehungsweise nicht ignorieren
Europa braucht Russland nicht zu fuerchten. Europas groesster Feind sind die USA und die Feinde von innen, die korrupte EU und die NATO. Der Krieg in der Ukraine, angezettelt von den USA, zielte auf die Zerstoerung Europas und insbesondere Deutschlands, die Ausschaltung eines maechtigen Konkurrenten. Ob es gelingt wird von Europa selbst abhaengen.
so ist es…