Ein Vatikan-Thriller mit überraschendem Finale

Papst Franziskus / Quelle: Pixabay, lizenzfreie bilder, open library: Annett_Klinger; https://pixabay.com/de/photos/papst-rom-vatikan-italien-5678520/ Papst Franziskus / Quelle: Pixabay, lizenzfreie bilder, open library: Annett_Klinger; https://pixabay.com/de/photos/papst-rom-vatikan-italien-5678520/

Der neue Vatikan-Thriller „Konklave“ begeistert Filmkritiker, der Münchener Erzbischof war im Kino, und Papst Franciscus hüllt sich in Schweigen.

Passend zur Vorweihnachtszeit erfreut uns Oscar-Preisträger Edward Berger („Im Westen nichts Neues“) mit einem Thriller aus den heiligen Hallen des Vatikans: „Konklave“. Wie der Name verrät, geht es um die Wahl eines neuen Papstes, und die ist nicht allein ein bedeutender geistlicher Akt. Sie ist mindestens genauso ein bedeutendes politisches Ereignis. Der Vatikan mit seinen uralten Ritualen und Geheimnissen bietet immer Stoff für spannende Geschichten, die sich um Macht, Einfluss und Intrigen drehen. Für Autoren wie Regisseure haben die historischen Ränkespiele aus der Renaissance mit den Medici und Borgia die Blaupausen geliefert. Der deutsch-österreichische Regisseur Berger greift genüsslich in diesen Schatz an Geschichten und übersetzt sie in unsere Zeit.

Wie real ist die Fiktion?

Der Film beginnt mit einem Kardinal, der spät in der Nacht angespannt eine römische Autobahn entlanggeht, sein karmesinrotes Birett fest in der Hand. Es ist ein nüchternes, fast komisches Bild, diesen hohen Kleriker in seinem eleganten Gewand im Kontrast zu einer trostlosen urbanen Umgebung sich abhetzten zu sehen. Die Protagonisten von Konklave werden nicht viel Zeit in der Welt draußen verbringen – es ist eines der wenigen Male, dass wir in Bergers Film eine der Figuren draußen sehen werden. Jedoch wird diese Dissonanz nachhallen.

Es sind Männer, die letztlich für eine uralte Funktion vorgesehen sind: einen neuen Papst zu wählen, nachdem der alte gestorben ist. Sie haben die moderne Welt geflissentlich ausgeblendet, aber sie ist immer noch da, draußen vor den Fenstern und hinter den Türen, ständig spürbar in allem, was sie tun.

Im Zentrum der Ereignisse steht Thomas Lawrence (Ralph Fiennes), der Dekan des Kardinalskollegiums. Dessen Aufgabe es ist, das Konklave zu leiten, während sich Kardinäle aus der ganzen Welt in der Sixtinischen Kapelle versammeln, um ihre Stimmzettel für einen neuen Pontifex abzugeben. Es ist eine perfekte Rolle für Fiennes, der sowohl Gelassenheit als auch Intensität ausstrahlen kann – manchmal, irgendwie, alles gleichzeitig. Die Rolle des Lawrence strahlt Demut und Toleranz aus. Er ist ein aber auch zutiefst zerrissener Mann, der in einer ersten Ansprache an das Konklave zugibt, dass er Glaubenszweifel schätzt und Gewissheiten verabscheut – und doch wird er im Laufe des Films immer besessener davon, das Ergebnis zu kontrollieren.

Was ist die Wahrheit?

Bergers Film ist eine getreue Adaption des Bestsellers von Robert Harris von 2016 und verbindet die Süffigkeit des Romans mit der Ernsthaftigkeit eines politischen und psychologischen Dramas. Er zeigt feierlich die kunstvollen Rituale rund um den Tod des Papstes – die Bänder, die über die Tür der Privatgemächer gelegt werden und mit geschmolzenem rotem Wachs befestigt sind, das päpstliche Siegel, das in seinem Ring zerschnitten wird, die ständigen Gebete und das geheimnisvolle Gemurmel.

Der Zuschauer schwankt zwischen Faszination und der Frage nach dem Sinn des Ganzen. Doch diesen wichtigsten Männern der Heiligen Römischen Kirche bedeuten diese Rituale viel, und das scheint ihnen genug. Das Gleiche gilt für das Konklave selbst, mit seinen Runden von Abstimmungen, Auszählungen und stillem Nachdenken. So scheint es, aber so still sind die Kardinäle nicht mehr, wenn sie auf den Fluren, im Speisesaal und in ihren Kammern Taktiken für die nächsten Wahlgänge besprechen.

Als Zuschauer schaut man eine Zeitlang gebannt zu, wie sich die Loyalitäten zwischen den Wahlgängen verschieben, je nachdem, wer vorne liegt, wer wahrscheinlich gewinnt und wessen Unterstützung zu bröckeln beginnt. Ob es so oder so ähnlich in einem realen Konklave abläuft, muss weitgehend offenbleiben, da alles dort geheim ist. Jedoch ist manches aus historischen Quellen bekannt, und aus den letzten Konklaven wie jene, in denen Josef Ratzinger und Jorge Bergoglio zu Päpsten gewählt wurden, ist etwas durchgesickert.

Sowohl das Buch als auch der Film erheben selbstbewusst Anspruch auf die Wahrheit, oder zumindest der Wahrhaftigkeit. Damit folgen sie dem Credo der Katholischen Kirche selbst, über die absolute Wahrheit zu verfügen. Mit der Wahrheit nehmen es einige der Figuren im Laufe des Films jedoch nicht ganz so genau. Recht schnell erkennt der Zuschauer, wer ein falsches Spiel treibt und wer treu auf Gottes Wegen wandelt.  

Viele Sünder und ein Heiliger?

Berger lässt fast keinen der Kardinäle offensiv für sich als Papst werben. Abgesehen von dem extravaganten Patriarchen von Venedig, Kardinal Tedesco, die der bekannte italienische Mime Sergio Castellitto in barocker Manier überzeugend spielt. Seine Kollegen und vor allem Kardinaldekan Lawrence suchen den Ausgleich, den Kompromisskandidaten und stehen mit hochgezogenen Augenbrauen gedämpft flüsternd im kollegialen Austausch in den Ecken.

Allerdings gibt es wie im wirklichen Leben einige, die sich nicht demütig vor Gott niederwerfen und seine Führung suchen. Es gibt einige mit einer dunklen Vergangenheit, die sie beim Konklave einholt und sich die Dolche in den Rücken rammen wollen. Diese Machenschaften sind eine wunderbare Bühne für Schauspieler wie Isabella Rossellini als Ordensschwester, die immer mehr in den Mittelpunkt der Handlung rückt und zu einer Schlüsselfigur für das Komplott wird.

Hinzu gesellt sich der bisher hierzulande unbekannte mexikanischen Schauspieler Carlos Diehz als Kardinal namens Vincent Benitez. Benitez, der insgeheim vom alten Papst zum Erzbischof von Kabul (!) ernannt wurde, taucht am Tag des Konklaves unangekündigt auf. Die Kardinäle sind erstaunt über diesen Fremden, der noch dazu eine Diözese leitet, in der es offiziell keine Katholiken gibt. Seine Ankunft bringt die bisherigen Absprachen und Taktiken völlig durcheinander.

Trotz der Tatsache, dass alle Kardinäle im Vatikan hinter verschlossenen Türen eingesperrt sind und ihnen die Mobiltelefone weggenommen wurden, sind sich die Priester alle sehr wohl bewusst, dass alles, was sie tun, Auswirkungen auf die reale Welt haben wird. Dabei insbesondere auf die Art und Weise, wie die Kirche wahrgenommen wird. Diese fragile Isolation ist nicht nur ein psychologisches Element, und der Zuschauer spürt durchweg, dass die Außenwelt in Aufruhr ist.

So gibt es in Rom einen islamistischen Anschlag, von dem die Kardinäle verzögert doch erfahren. Daran entzündet sich eine heftiger Schlagabtausch zwischen den Hardlinern um Kardinal Tedesco und den Besonnenen um Kardinal Lawrence. Dann kommt mit einer eindringlichen Rede, die sich um den Kern der christlichen Botschaft dreht, der sanftmütige, geheimnisvolle Kardinal von Kabul ins Spiel. Immer deutlicher zeichnet sich nach dieser Szene ab, wer der neue Papst wird. Der Neue verbirgt ein Geheimnis, das er am Ende Lawrence gesteht. Er will, bevor er den Gläubigen gegenübertritt, den Segen von Lawrence, den dieser ihm gewährt.

Als das Geheimnis gelüftet wird, ist der Zuschauer tatsächlich überrascht, denn damit war nicht zu rechnen. Der frisch gewählte Pontifex ist intersexuell oder altmodisch gesagt Hermaphrodit. Aber der Zeitgeist weht auch durch die heiligen Hallen des Vatikans, zumindest im Film. Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising und selbst Teilnehmer beim letzten Konklave, hat sich begeistert über das Werk geäußert: oscarverdächtig!

In Hollywood gehört Bergers Streifen neben dem Biopic über Donald Trump zu den heißen Oscar-Anwärtern. Konklave ist ein teilweise spannender, opulent ausgestatteter Film, der jedoch vorhersehbar ist bei der Entwicklung der Handlung. Mit gut zwei Stunden Spielzeit hätte der Regisseur sich kürzer fassen sollen, um einige langatmige Szenen zu vermeiden. Alles in allem gute Unterhaltung und sicherlich Oscar-prämiert im März 2025.  

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