Liebesgrüße der CDU nach Moskau

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Ein Colloquium der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) sorgt für parteiinternen Unmut. Wie hält es die Union mit Moskau, und was heißt das für einen wahrscheinlichen Kanzler Merz?

Am Westufer des Comer Sees liegt das idyllische Städtchen Cadenabbia. Dort verbrachte Konrad Adenauer seine Sommerfrische und spielte Boule. Fern von Bonn entspannte sich der erste Bundeskanzler, und in Erinnerung daran veranstaltet die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS)hier hin und wieder Tagungen. Fern von Berlin kamen im Oktober illustre Gäste zusammen, die sich zum Thema „Krieg oder Frieden? Russland und die neue geopolitische Realität nach dem 24.02.2022″ austauschten. Was sachlich klingt, birgt viel Sprengstoff.

Viele Ex und ein Experte

Wer sich die Referenten anschaut, bekommt den Eindruck, dass die CDU-nahe Stiftung möglichst weit weg von der deutschen Hauptstadt tagen wollte. Ein näherer Blick auf die Gästeliste lohnt sich. Ronald Pofalla – wer erinnert sich noch an ihn? – war als ehemaliger Kanzleramts-Chef, Ex-Bahn-Vorstand und Ex-Co-Chef des deutsch-russischen Gesprächsformats „Petersburger Dialog“ dabei.

Sehr viel Ex für einen in der Union nie allzu beliebten Funktionär, von dem am ehesten seine Beleidigung gegen den in der Partei höchst beliebten Wolfgang Bosbach hängen geblieben ist: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.“ Bosbach hatte sich der Kritik an Angela Merkels Euro-Rettungsschirmpolitik schuldig gemacht und der willige Vollstrecker der Kanzlerin holte die verbale Keule aus dem Sack.

Pofalla ist für seine Dienste von Merkel nach oben weitergereicht worden, was zumindest bei der Bahn einen faden Beigeschmack hinterließ. Aus Pofallas Zeiten beim Petersburger Dialog sind anscheinend belastbare Kontakte entstanden, die der Merkelianer kürzlich bei einem diskreten Treffen mit einflussreichen Russen in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku vertieft haben soll. Im Sinne des Parteivorsitzenden Merz, für direkte Kanäle in den Kreml? Diese Fragen bleiben vorerst offen, aber es würde überraschen, wenn die CDU-Spitze nichts davon wüsste.

Ein weiterer Gast in Cadenabbia war Friedbert Pflüger, an den sich wahrscheinlich nur jene erinnern, die weit vor 1980 geboren wurden. Er gilt als liberaler Schöngeist in der Union, was ihn für seinen Posten als Staatssekretär im Bundespräsidialamt unter Richard von Weizsäcker prädestinierte. Böse Zungen ätzten, dass Pflüger das Eau de Cologne seines Herrn geradezu eingeatmet hätte, so nahe sollen sie sich gewesen sein. Die Nähe hat sich bezahlt gemacht für Pflügers diverse Lobby-Aktivitäten nach seinem Abschied aus der aktiven Politik. So hat er im Auftrag der Gazprom-Tochter Nord Stream 2 gewirkt und sich damit für die Tagung am Comer See als Experte empfohlen.

Transatlantiker gegen Eurasier

Ein besonderer Gast und wirklicher Russland-Fachmann war Dr. Alexander Rahr. Kaum jemand kennt den Deutsch-Russen außerhalb politischer Insider-Zirkel. Er hat mit seinem direkten Zugang zu Präsident Putin und somit eine Ausnahmestellung unter den Diskutanten. Seine Kompetenzen und Aktivitäten sind vielfältig. So half Rahr Hans-Dietrich Genscher bei der Freilassung des Oligarchen und Putin-Kritikers Michail Chodorkowski; er ist gelobter Autor zahlreicher Bücher über die russische Politik, und nicht zuletzt saß er einige Jahre im Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs.

Die Kreise schließen sich zu Referenten wie Pflüger, und Rahr öffnete seine Kreise in den letzten Jahren auch in andere Richtungen. Mit Mitstreitern aus dem Umfeld von AfD und Linke hat er die „Eurasien Gesellschaft“ gegründet, die sich für eine enge Zusammenarbeit vor allem Deutschlands mit Russland unter Ausschluss der USA einsetzt. Dazu passt ein Zitat Rahrs, dass er in einem Interview 2012 für das russische Blatt Komsomolskaja Prawda fallenließ: „Die Amerikaner haben den Deutschen das Hirn amputiert.“

Bei diesen Teilnehmern, insbesondere Rahr, ist der oberste Putin-Kritiker der Union nicht weit: Roderich Kiesewetter, Mitglied des Bundestages und Oberst außer Diensten. Durch seine beißende Kritik an Moskau ist er seit dem Krieg in der Ukraine gern gesehener Gast in den Talk-Shows von Lanz bis Illner. Er ist neben der Möchtegern FDP-Generalin Agnes Strack-Zimmermann sowie dem bayerischen Grünmanderl Anton Hofreiter der vehementeste Unterstützer für die Lieferung der deutschen Langstreckenwaffe Taurus an Kiew.

Kiesewetters Einflüsterungen bei Friedrich Merz zeigen bereits Wirkung. In einer Erwiderung auf eine Regierungserklärung zu Kanzler Scholz meinte der Oppositionsführer sinngemäß, dass er als Kanzler, wenn nicht innerhalb kürzester Zeit Waffenstillstand herrsche, der Ukraine den Taurus liefern werde. Rums, das saß!

Und wie reagiert der Taurus-Beauftragte der Union auf die Tagung mit den Russlanddeutern am Comer See? Kiesewetter rumste deutlich: „Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass wir bald wieder an die alten politischen Geschäftsbeziehungen anknüpfen können.“ Einige der Referenten dieser Tagung stünden für die „falsche russlandabhängige Energiepolitik und Russlandromantisierung“. Die KAS müsse den Eindruck vermeiden, „hinter dem Rücken der Ukraine Sonderwege mit Russland zu suchen“.

Kiesewetter ging noch weiter, als er seine eigene Partei aufforderte die eigene „verfehlte Russlandpolitik“ aufzuarbeiten. Mit Russlandromantisierung meinte er Alexander Rahr und auch den wahrscheinlichen Koalitionspartner der CDU: „Wenn wir die Russlandnähe der SPD zu Recht kritisieren, müssen wir auch vor der eigenen Tür kehren.“

Adenauer rotiert in der Gruft

Weitere wichtige CDU-Funktionäre sprangen Kiesewetter bei, wie der Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA, Dennis Radtke: „Ich bin schockiert, dass jemand wie Herr Rahr, der völlig abstruse Thesen zu Russland vertritt, im Haus von Konrad Adenauer auftreten darf“.  Konrad Adenauer hätte Rahr „keines Blickes gewürdigt“. Nun müsse „intern schnell geklärt werden, wie es dazu kommen konnte“. Ein weiterer Rums geht durch die CDU.

Was sagt die Adenauer-Stiftung selbst zur Cadenabbia-Posse? In einer Erklärung betont sie, dass es um eine „kritische Betrachtung der früheren deutschen und europäischen Russlandpolitik durch einen Teil deren früherer Vertreter und weiterer Persönlichkeiten einerseits sowie der Diskussion über den heutigen Umgang mit Russland unter Einbeziehung russischer Exilpolitiker und Oppositionsführer andererseits“ gegangen sei. Typisches Polit-Geschwafel, um von der Kritik abzulenken.

Leider ist die Veranstaltung auf den Seiten der Adenauer-Stiftung nicht mehr zu finden – verschwunden. Diese Tagung und ihre scharfe parteiinterne Kritik daran zeigen deutlich, dass die Union in ihrer Russland-Politik mäandert. Sie schwankt zwischen einer Fast-Kriegserklärung an Moskau aus dem Lager der Falken mit Roderich Kiesewetter an der Spitze und den zögerlichen Versuchen einer KAS-Tagung, ein ausgewogenes Bild zu zeichnen. Sollte sich die Falken in der Partei durchsetzen, und danach sieht es aus, drohen die deutsch-russischen Beziehungen mit einem Kanzler Merz von einem kalten zu einem heißen Krieg zu eskalieren.

Deutschland kann dann nur noch auf einen Verständigungsfrieden zwischen Russland und der Ukraine unter der Vermittlung von Donald Trump hoffen. Kiesewetter, Merz und den übrigen Falken in der CDU sei ins Stammbuch geschrieben: Russland ist zu groß und mächtig, dass es von der Landkarte verschwindet. Und Berlin muss mit Moskau langfristig wieder zu vernünftigen Beziehungen kommen.  

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fufu
fufu
1 Monat her

„Deutschland kann dann nur noch auf einen Verständigungsfrieden zwischen Russland und der Ukraine unter der Vermittlung von Donald Trump hoffen.“ Die Hoffnung kann man sich sparen. Trump ist der Frontmann einer korrupten, hochverschuldeten und ueberdehnten Struktur das seine Hegemonie mittels mafioeser Methoden, Korruption, Erpressung, Raub und Mord, erhalten will. Selbst wenn Trump die Absicht haette so koennte er diese Strukturen nicht aendern da allzuviele von ihnen profitieren und weiter profitieren moechten. „Drain the swamp“, pure Propaganda nach innen und aussen typisch fuer einen Immobilienmakler der fuer ein marodes Gebaeude einen Dummen sucht. Russland, China und letztendlich auch die europaeischen Vasallen… Read more »

fufu
fufu
1 Monat her

„Adenauer rotiert in der Gruft“

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Man sollte Politikergeschwaetz nicht wortwoertlich nehmen. „Was interessiert mich mein dummes Geschwaetz von gestern“, von wem ?

Johann Stöckli
Johann Stöckli
1 Monat her

Die Neoconservativen-Straussianer in den USA sind die Jahrhundertverbrecher!   Der Krieg in der Ukraine ist der Höhepunkt eines 30-jährigen Projektes der amerikanischen Neoconservativen-Straussianer, die sich für die Kriege der USA in Serbien (1999), Afghanistan (2001), Irak (2003), Syrien (2011) und Libyen (2011) eingesetzt haben und die den Einmarsch Russlands in die Ukraine so sehr provoziert haben. Die Bilanz der Neocons ist ein absolutes Desaster, dennoch hat Biden sein Team mit Neocons besetzt. Infolgedessen steuert Biden die Ukraine, die USA und die Europäische Union in ein weiteres geopolitisches Debakel. Wenn Europa einen Funken Einsicht hat, muss es sich von den USA… Read more »

fufu
fufu
1 Monat her

Trump ist natuerlich nicht die Rettung sondern ein Kuckucksei. In Deutschland befinden sich die Parteien im Wahlkampf. Vielleicht hat die CDU erkannt, dass ihre aggressive Haltung gegen Russland Waehlerstimmen kosten koennte und inszeniert so eine harte interne Auseinandersetzung um den richtigen Weg. In der SPD wird der zoegerliche Olaf ploetzlich zum energischen Olaf was Taurus betrifft. Man sollte sich vom Wahlkampfspektakel nicht beeinflussen lassen, die einzige Chance fuer den Waehler und fuer Deutschland ist die Altparteien unter die 5%-Huerde zu versenken.Das wird vermutlich nicht geschehen aber um mit Gorbaciov zu sprechen… „Wir haben es versucht“.

fufu
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Reply to  fufu
1 Monat her

Waehrend sich die Altparteien weitgehend delegitimiert haben sollte man bei der AfD Vorsicht walten lassen. Ihre Anbiederung an das herrschende System, siehe NATO-Mitgliedschaft und Unterstuetzung des Vorgehens Israels, laesst Fragen bezueglich ihrer kuenftigen Orientierung offen.

fufu
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Reply to  fufu
1 Monat her

Die Koalition des BSW mit der CDU und SPD in Thueringen war auch keine Ruhmestat. Die AfD war dort der Wahlsieger und haette die Regierungsbildung uebernehmen muessen. Dass die dortige BSW keine Koalition mit der Hoecke-AfD eingehen wollte ist verstaendlich, aber nichsdestotrotz…

fufu
fufu
1 Monat her

Man sollte Realist sein oder werden und die Ereignisse in Rumaenien zur Kenntnis nehmen. In Deutschland wird man keine Partei an der Macht dulden die den Interessen der NATO entgegensteht.

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