Verrat, Geld, Sex: Neue Enthüllungen um Spaniens Altkönig Juan Carlos
BOULEVARD ROYAL

Peinliche Fotos, entlarvende Audiomitschnitte: War Altkönig Juan Carlos ein Putschisten-Versteher? Spaniens Monarchie kommt nicht zur Ruhe.
Der Monarch ließ weder Abscheu noch Empörung gegenüber den Akteuren erkennen, sondern zeigte vielmehr Verständnis, wenn nicht gar Sympathie“, sagte der deutsche Botschafter in Madrid, Lothar Lahn. Die Aufrührer wollten nur das, was alle erstrebten, nämlich Wiederherstellung von Disziplin, Ordnung, Sicherheit und Ruhe. Er wolle auf Regierung und Militärgerichte einwirken, damit den Putschisten „nicht allzu viel geschehe, die ja doch nur das Beste gewollt hätten“. Den Putschversuch solle man „möglichst bald wieder vergessen“.
Mit diesen Worten beschrieb der deutsche Botschafter in Madrid, Lothar Lahn, ein Gespräch mit Juan Carlos von Spanien wenige Wochen nach dem gescheiterten Putsch-Versuch von Militärs 1981 im spanischen Parlament. Das Dokument ging an das Auswärtige Amt in Bonn und wurde vor wenigen Jahren zufällig entdeckt. War der frühere Monarch doch nicht so überzeugt von der noch jungen Demokratie?
Am Anfang war Franco
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Für die Spanier, die in der Zeit des Generals Franco aufwuchsen schien der neue König Juan Carlos wie eine Figur aus der alten Zeit. Sie sahen ihn anfangs wie die Verlängerung der Diktatur unter den Falangisten, die sich nach dem Bürgerkrieg 1939 die Macht sicherten. Franzisco Franco griff innenpolitisch hart gegen linke Oppositionelle durch und errichtete ein Militärregime, das eng mit den Eliten aus Großgrundbesitz und der Katholischen Kirche verwoben war. Er entzog sich außenpolitisch geschickt dem Werben Hitlers, ein Bündnis einzugehen und in den Zweiten Weltkrieg einzutreten. Das hat ihm langfristig die Herrschaft gesichert, die sich ab Mitte der 1960er Jahre wirtschaftspolitisch liberalisierte, vor allem im Tourismus.
Francos Falangisten regierten nie so totalitär wie die NSDAP, so dass im Laufe der Jahre die Alleinherrschaft des Generalissimus für die Spanier im Alltag kaum merklich war. Franco hatte auch anders als Hitler keine Abneigung gegen Monarchie und Adel. Im Gegenteil – er hielt während seiner fast vierzigjährigen Herrschaft an der Krone fest, die er treuhänderisch verwaltete. Nur für wen?
Für einen bourbonischen Prinzen, der mit seiner Familie im portugiesischen Exil saß. Die Bourbonen sind die einzige europäische Dynastie, die mehrfach abgesetzt und wieder auf den Thron zurückkehrte. Darin haben sie ein Alleinstellungsmerkmal, das um ein anderes Merkmal ergänzt wird: das große Talent, den Thron immer wieder einzureißen. Franco holte Juan Carlos als Kind zu sich nach Madrid, um ihn als Nachfolger aufzubauen. Der formelle Thronfolger Juan de Borbon, Juan Carlos‘ Vater, war in den Augen Francos ein Liberaler und schied als möglicher Monarch aus. Im Rückblick meinte der spätere König, dass die Jahre unter Franco lehrreich waren, er sich jedoch verstellen musste.
Verstellen? Nach Lesart Juan Carlos‘ will er als junger Mann erkannt haben, dass er als künftiges Staatsoberhaupt den Weg der Demokratie einschlagen müsse. Daher habe er sich gegenüber Franco und dessen Umgebung als loyaler Falangist gezeigt, um überhaupt den Thron besteigen zu können. Dazu kam es unmittelbar nach dem Tod des Diktators im November 1975. Anfangs ließ er alles beim alten, doch Ende der 1970er Jahre schmiedete er einen Übergang zur parlamentarischen Monarchie. Seine Verbündeten waren gemäßigte Kräfte aus der Franco-Zeit, die Konservativen und königstreue Sozialdemokraten. In Spanien heißt diese Phase Transicion, also Übergang, und durch den erfolgreichen Prozess genoss Juan Carlos lange Zeit von rechts bis links fast Heiligenstatus. Doch woher kommen die inzwischen unzähligen Kratzer in seinem Image?
Retter der Demokratie?
Die radikale Linke in Spanien hat Juan Carlos nie ganz über den Weg getraut. Sie und moderate Republikaner hofften, dass er nach der Thronbesteigung Juan Carlos El Breve – der Kurze sein dürfte. Nicht gemessen an der stattlichen Körpergröße des Königs von fast 1,90 Meter, sondern an der Amtszeit. Sie wurden eines Besseren belehrt – er amtierte fast vier Jahrzehnte.
Nach dem Bericht des deutschen Botschafters von 1981, schien der König janusköpfig agiert zu haben. Auf der einen Seite hatte er erkannt, dass eine Königs-Diktatur in Westeuropa aus der Zeit gefallen war. Auf der anderen Seite wusste er um den Widerstand der alten Franco-Elite gegen den Demokratisierungsprozess. Und auch er selbst ist ein Kind seiner Zeit und Erziehung: Im Mark konservativ und autoritär. Doch war er ein Sympathisant der Putschisten?
Er stellte wahrscheinlich seine Rechnung wie folgt auf: Wie lange halte ich auf dem Thron durch als Autokrat vor dem Hintergrund einer starken Demokratiebewegung im Inneren und einer lockenden Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft (EG)? Oder halte ich lange durch mit einer gefestigten Dynastie in einer demokratischen Struktur und ziehe möglichst großen Nutzen daraus?
Womöglich wusste er von den Putschplänen. Womöglich hatte er ein gewisses Verständnis, weil die Sozialisten um Felipe González immer einflussreicher wurden. Womöglich war er unsicher, ob die linken Kräfte die Monarchie bestehen lassen wollten. Jedoch entschied er sich richtig und wandte sich gegen den dilettantischen Putschversuch. In einer kraftvollen TV-Ansprache in Uniform sprach er den Putschisten jegliche Legitimation ab. Der Umsturz brach binnen Stunden zusammen, und seine Rede steht heute in spanischen Schulbüchen. Der Retter der Demokratie war geboren!
Mit seinem Machtverzicht, Spaniens Demokratisierung und dem Beitritt zur EG 1985 erreichte der Monarch den Zenit seiner Amtszeit und höchste Popularität. Danach begann der Abstieg, erst schleichend, dann immer rutschiger. Sein Privatleben und seine Gier gerieten zum Verhängnis.
Don Juan der Krone
Kürzlich enthüllte das holländische Magazin Privé Fotos aus den 1990er Jahren. Sie zeigen den damaligen König küssend mit der Schauspielerin Bárbara Rey. Für Kenner des Königshauses war das nur noch die letzte Bestätigung, worüber schon lange getratscht wurde. Juan Carlos gilt als Spaniens größter Schürzenjäger, ein Don Juan mit Krone. Doch damit nicht genug: spanische Webseiten veröffentlichten Audiomitschnitte. Darin lamentiert er gegenüber seiner Geliebten Rey über seine kalte Ehe mit Königin Sofia, lästert über Politiker von links bis rechts und macht Andeutungen zum gescheiterten Putschversuch am 23. Februar 1981.
Die Ehe mit der griechischen Prinzessin und Ur-Enkelin Kaiser Wilhelms II. ist noch arrangiert worden, und die Hochzeit war ein royales Großereignis Mitte der 1960er Jahre. Juan Carlos lobt in den Aufnahmen die Disziplin der Königin, andererseits sei Sofia ihm gegenüber abweisend, sie schließe sich oft in ihrem Zimmer ein und sie lebten schon lange getrennt von Tisch und vor allem Bett.
Dass er sich darüber wundert und klagt, ist verwunderlich – bei seinem Ruf als Frauenheld. Voll des Lobes meint er: „Sie hält alles aus und macht sich mit keinem anderen davon.“ Nicht sonderlich verwunderlich, denn Sofia von Spanien gehört der Generation des Hochadels an, die noch mit eiserner Disziplin aufwuchs.
Sprengsatz der Monarchie
Juan Carlos‘ Amouren kosteten ihn 2014 die Krone und brachte die Monarchie – mal wieder – an den Abgrund. Während einer geheim gehaltenen Elefantenjagd in Botswana brach er sich die Hüfte. Für einen prominenten Unterstützer des World Wildlife Fund For Nature (WWF) ein starkes Stück oder gab es schon damals dort eine Überpopulation an Elefanten? Schließlich hatte kürzlich der botswanische Präsident der Bundesregierung angeboten, Tausende davon nach Deutschland zu schicken.
Juan Carlos‘ Skandal-Reise sollte nicht allein wegen der Jagd geheim bleiben, sondern auch wegen der Kosten und seiner Begleiterin. Er war mit seiner langjährigen Geliebten Corinna zu Sayn-Wittgenstein unterwegs und im von einer schweren Immobilienkrise gebeutelten Spanien kamen solche Eskapaden schlecht an. Nach seiner Rückkehr und überstandener Operation gab sich der Monarch zerknirscht. Aber war er auch reumütig? Nun, dafür sorgten sein Sohn und Nachfolger Felipe VI. mit der Regierung, die den alten Herren 2014 in die goldene Pension komplementierten.
Die nun veröffentlichten Audiomitschnitte über den gescheiterten Putsch vom Februar 1981, drei Jahre nach der Verabschiedung einer demokratischen Verfassung und dem offiziellen Schlussstrich unter die Franco-Ära, lassen Juan Carlos erneut zwielichtig erscheinen. Damit schadet er Felipe VI., die Monarchie zu resozialisieren, was ihm und seiner Familie bisher einigermaßen gelungen ist. So äußert sich Juan Carlos im Mitschnitt über einen engen Weggefährten zu Beginn seiner Amtszeit: „Ich kann über Alfonso Armada nur lachen, Liebling. Sieben Jahre im Gefängnis und dann geht er in sein Landhaus in Galicien und sagt kein einziges Wort.“
Armada stieg unter Franco zum General auf und war bis 1977 Stabschef des Königs. Beim Putschversuch war er einer der Rädelsführer. Was die Spanier noch mehr empört als Juan Carlos‘ Schlafzimmerplaudereien über vertrauliche Staatsangelegenheiten ist der Aspekt, dass er den Putschplan doch gekannt und gebilligt haben könnte. Und dass er anscheinend abwarten wollte, wie er läuft. Bis 2031 sind die Dokumente, die in der Sache Klarheit bringen könnten, unter Verschluss. Ob bis dahin einer der Beteiligten noch lebt, ist unwahrscheinlich.
Spaniens Öffentlichkeit munkelt, dass der Sohn von Barbára Rey die Audioaufnahmen der Presse zugespielt haben könnte. Der Filius hatte die Brisanz der Beziehung zwischen dem König und seiner Mutter schon als Teenager erkannt und die Turteltäubchen beim Liebesspiel heimlich gefilmt. Rey hatte die Audiodateien wahrscheinlich zur eigenen Sicherheit aufgenommen, wie es auch später Corinna zu Seyn-Wittgenstein machte.
Bei Rey gab es 1997 einen Einbruch in ihre Wohnung, aus der Fotos und andere persönliche Dinge, die sie mit Juan Carlos verband, entwendet wurden. Womöglich auch der royale Porno? Mutmaßlich steckte hinter dem Einbruch der spanische Geheimdienst, da sich Rey kurz danach mit einem Abgesandten des Hofs traf. „Der König steht in meiner Schuld. Ich war nie eine Nutte. Aber wenn ich es sein muss, werde ich die teuerste Nutte der Welt sein. (…) Ich kann ihn die Krone kosten“, drohte die Verlassene auf weiteren Mitschnitten.
Felipe der Letzte?
Teuer war die Affäre für den Bourbonen, der sich das Schweigen Reys aus schwarzen Kassen des Geheimdienstes erkaufte. Gut 600 Millionen Peseten – umgerechnet 3,6 Millionen Euro sollen geflossen sein – jährlich! Jede spanische Regierung, ob rechts oder links, deckte Juan Carlos, und erst Ende der 2000er Jahre endeten die Zuwendungen. Durch seine zweite große Affäre mit der Deutschen Corinna zu Sayn-Wittgenstein, die ebenfalls Schweigegeld herausschlagen wollte, brachte er das Fass zum Überlaufen. Rücktritt! Obwohl seine stoische Ehefrau Sofia einst feststellte: „Ein König tritt nicht zurück. Er stirbt im Bett.“
So ändern sich die Zeiten. Derzeit beschäftigen sich die spanischen Talk-Shows ausgiebig mit den Audioaufnahmen. Für die einen soll der „Retter der Demokratie“ durch böswilliges Palaver einer Ex-Geliebten vernichtet werden. Für die anderen geht es um die Gesinnung des früheren Monarchen: Was hält er tatsächlich von der Demokratie? In einem der Mitschnitte lässt sich Juan Carlos warnend über Linke und Intellektuelle aus, „die hinter einer Sache stecken, die Republik heißt“. Dieses Szenario ist in Spanien nicht so unwahrscheinlich. Schließlich fegte die Geschichte die Bourbonen bereits drei Mal vom Madrider Thron.
Derzeit stehen nach Umfragen noch ungefähr die Hälfte der Spanier zum Königshaus, darunter vor allem Ältere. Die junge Generation kann mit der Monarchie nicht viel anfangen, und die Beliebtheit der Royals pendelt bei den Jungen bei nur rund 20 Prozent. Nicht zuletzt dank des Lebensstils und Affären des Altkönigs. Felipe VI. müht sich redlich, das Image zu bessern, dabei gilt er vielen Spaniern wiederum als zu bieder und blass. Ein Langweiler!
Solange sein Vater Juan Carlos lebt und sein dubioses Millionenvermögen in seinem Exil in den Golfemiraten genießt, bleibt er ein Sprengsatz für die Krone. In Spanien wurde jahrelang gegen ihn wegen Steuerhinterziehung ermittelt, jedoch fanden die Staatsanwälte keine Beweise. Inzwischen sind die Untersuchungen eingestellt, und König Felipe hat öffentlich verkündet, das finanzielle Erbe seine Vaters auszuschlagen.
Der entscheidende Grund für das Ende der Ermittlungen war, dass nach langem Hin und Her festgestellt wurde, dass auch ein Altkönig laut Verfassung als „unantastbar“ gilt. Bisher spricht sich nur eine Partei, die linke Podemos, im spanischen Parlament ausdrücklich für die Abschaffung der Monarchie aus. Vielleicht ist Felipe VI. auch der Letzte. Danach wird es keine Rückkehr der Bourbonen geben.