Die Äolischen Inseln oder wo der Vulkanismus seinen Namen erhielt

Blick vom Krater Vulcano © Steven West Blick vom Krater Vulcano © Steven West

Sieben vulkanische Schönheiten liegen jenseits des Massentourismus nördlich von Sizilien. Jede einzelne ist einen Besuch wert – und eine ist besonders feurig. Ein persönlicher Blick zum Ende des Sommers.

Die Römer wussten es schon, dass sie einen Geheimtipp geerbt hatten. Sie übernahmen den Äolischen Archipel von den Griechen, die ihnen den Namen gaben nach ihrem Gott des Windes: Aiolos. Es weht tatsächlich immer eine leichte Brise, die auch im Hochsommer die Temperaturen bei angenehmen 25 bis 30 Grad pendeln lässt. Für das Römische Imperium waren die Eilande strategisch interessant, da sie auf dem Weg nach Sizilien und zur Straße von Messina wegweisend waren und bis heute sind.

Für die antiken Seefahrer galt die nördlichste der Inseln als wichtige Orientierung durch ihr natürliches Leuchtfeuer: der seit 2000 Jahren ständig aktive Stromboli mit seinen Lavasalven. Auf der südlichsten Insel lokalisierten die Römer ihren Gott Vulcanus und gaben ihr den Namen Vulcano. Daher leitet sich der Name für das gesamte Phänomen des Vulkanismus ab, der dort bis heute Geologen und Naturliebhaber weltweit fasziniert und auch den Autor schockverliebt hat.

Viele Wege führen zu den Sieben

Wer sich zu den Inseln aufmacht, muss sich schon etwas anstrengen, denn es gibt auf der Hauptinsel Lipari keinen Flughafen. Anders als die griechische Vulkaninsel Santorin, die im Sommer aus allen Nähten platzt, haben sich die Äolier gegen einen Flugplatz entschieden. Eine weise Entscheidung, da ihnen große Touristenströme erspart bleiben. Das merken auch die Besucher, denn selbst in der Hochsaison gibt es kein Gedränge und Geschiebe auf den drei zentralen Inseln. Dazu gehören Lipari, das eine kleinstädtische Struktur hat sowie Vulcano und die zweitgrößte Insel, Salina.

Mit Fähren, die im Stundentakt verkehren, erreichen Besucher sie untereinander in 15 bis 20 Minuten. Die anderen Eilande sind in ein bis zwei Stunden erreichbar, wie die beiden äußersten westlichen, Filicudi und Alicudi, die auf dem Weg der Fähren nach Palermo liegen. Wie kommt der Reisende am besten auf diese feurigen Orte im Tyrrhenischen Meer?

Wer längere Bootsfahrten schätzt, fliegt nach Neapel und schifft sich dort bei einer Fährgesellschaft mit ihren Tragflächenbooten ein. Im Sommer verkehren sie täglich einmal hin und zurück zum äolischen Archipel. Die Fahrt dauert im Schnitt gut fünf Stunden und hat die Halte Stromboli, Panarea, Vulcano und Lipari.

Wer von Süden kommend anreisen will, fliegt am besten nach Catania an der sizilianischen Ostküste, was allerdings mit Tücken verbunden sein kann. Die zweitgrößte Stadt Siziliens liegt am Fuße einer vulkanischen Berühmtheit: dem Ätna. Derzeit ist er wie fast alle italienischen Vulkane hoch aktiv, und er stößt neben Lava kräftig Asche aus, was immer wieder zu Sperrungen des Flughafens von Catania führt. Von dort geht es mit der Bahn entweder zu den Häfen von Messina oder etwas weiter westlich in Milazzo. Die dortigen Fähren erreichen die Hauptinseln in jeweils gut einer Stunde und verkehren im Sommer in einer hohen Taktung.

Der Namensgeber raucht und duftet

Bei der Ankunft am Hafen von Vulcano riecht es nach Höllenschlund. Schwefelgeruch liegt in der Luft. Kein Wunder, dass die Römer dort ihren Gott des Feuers und der Schmiede vermuteten. Die Landschaft auf der ganzen Insel, die rund 21 Quadratkilometer umfasst, wirkt surreal. Denn alles ist geprägt von Vulkangestein: schroff, schwarz, anthrazit, gelblich durch die Schwefelgase und dominiert vom Krater, der geologisch gesehen aktiv ist.

Der Aufstieg ist derzeit erlaubt und wird von einem Ampelsystem geregelt. Von morgens um 6.30 Uhr bis mittags 12.30 Uhr ist der Weg offen und das Licht steht auf grün. Anschließend herrscht Siesta bis 15.30 Uhr und die Ampel steht auf Rot. Danach ist eine Wanderung zur Kraterzone bis 19.30 Uhr möglich. Wanderer sollten sich an die Regelung halten, da die örtliche Carabinieri-Station stichprobenhaft kontrolliert. Bei Verstößen kann das Bußgeld saftig werden: 500 Euro sind dann zu entrichten! Die Gründe dafür liegen auf der Hand: die Mittagshitze und die Begrenzung von Wanderern.

Der Weg ist nicht befestigt und schlängelt sich mehr oder weniger serpentinenhaft hinauf. Rund 400 Höhenmeter gilt es zu meistern, was nicht unterschätzt werden sollte. Es geht entlang auf losem anthrazitfarbenen, feinkörnigem Vulkankiesel, der Weg ist mal breiter, mal schmaler und bis ungefähr 300 Höhenmetern mit Koniferen, Gebüsch, Ginster an den Hängen umsäumt, die teilweise schroff abfallen.

Kurz unterhalb der Kraterzone, die während des gesamten Aufstiegs nicht sichtbar ist, ändert sich abrupt die Farbe des Gesteins: aus glitzerndem Vulkangrau wird Ocker. Dann beginnt die letzte Etappe, die wie ein Mini-Canyon aussieht. Das Gestein ist leicht sandig und zwischen den Spuren gibt es schmale Zerklüftungen, die tückisch sind. Am oberen Ende wechselt das Gestein in einen Mix aus Vulkangrau rötlichen Facetten und der Wanderer wird mit Hinweisschildern belehrt: auf Fumarolen, also Gasschwaden aufpassen, und nicht in den Krater hinabsteigen!

Unser Autor vor dem Krater Vulcano.

Die Besucher werden dann nach nochmals gut 100 Metern Weg endlich belohnt: die Kraterzone von Vulcano mit einem atemberaubenden Blick auf das Meer und die malerisch gelegenen Nachbarinseln. Einen Steinwurf entfernt erhebt sich Lipari, dahinter Salina mit seinen zwei erloschenen Vulkankegeln, es schließt sich die Jet-Set-Insel Panarea an, und dann folgt nordwärts in der Ferne Stromboli. Entfernt Richtung Westen ragen Alicudi und Filicudi aus der See. Alle sieben Inseln sind bei gutem Wetter vom Gran Cratere zu sehen, der permanent vom Nationalen Italienischen Institut für Vulkanologie untersucht wird.

Nach nochmal 50 Metern ist die höchste Spitze der Kraterzone erreicht, die einen wunderbaren Blick zum Kraterboden und den seitlich aufsteigenden Fumarolen erlaubt. Der Abstieg in den Krater, die Fossa, wäre ein leichtes, da er flach abfällt. Buchstaben sind von oben zu erkennen im sandähnlichen Boden, also so ganz ernst wird das Abstiegsverbot von einigen nicht genommen. Aber zu empfehlen ist es nicht, da die Statik schwankt!

Der letzte Ausbruch ist für Geologen nur ein Wimpernschlag her und zog sich knapp zwei Jahre von 1888-1890 hin. Es handelte sich um vulkanische Eruptionen, bei der Lavagestein ausgeworfen wurde und Lava mäßig floss. Da das Ereignis durch damalige italienische Vulkanologen erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde, ist diese Ausbruchsart nach der Insel Vulcano benannt worden.

Am sprühenden Abgrund und filmreife Funken

Genau wie bei der berühmten Schwesterinsel im Norden: Stromboli und strombolianische Eruptionen, die regelmäßige, mittlere bis leichte Lavagaben bedeuten. Bei meinem Besuch in diesem Sommer durfte ich den derzeit launigen Vulkan bei einem Ausbruch bestaunen, was auf der 12 Quadratkilometer kleinen Insel ein Erlebnis besonderer Art ist. Es war aber „nur“ eine stärkere Ascheverpuffung, die aber doch den Zivilschutz auf den Plan rief und mich zur zentralen Sammelstelle in der Kirche San Vincenzo führte mit unterhaltsamen Rahmenprogramm durch die Priester und Schwestern. Einige meiner Leidensgenossen beteten den Rosenkranz. Wir haben es überlebt.

Selbst wenn sich Reisende nicht allzu sehr für Vulkanismus interessieren, können sie sich der Schönheit dieses Feuerbergs nicht entziehen. Wer sich mit dem Boot der Insel nähert, erblickt einen perfekt geformten, kegelförmigen Berg. Stromboli ist ein Vulkan wie aus dem Bilderbuch, der majestätisch im Meer liegt, das in dieser Region smaragdblau in der Sonne glitzert. Seit der Antike spuckt er wie ein Uhrwerk alle 20 bis 30 Minuten in dieselbe Richtung kleine Lavagaben aus. Mit Asche und Gesteinsbrocken vermischt, fällt vieles wieder zurück in die derzeit drei Krater mit insgesamt sechs Schloten. Normalerweise!

Die Form der Krater und Schlote ist aktuell starken Veränderungen unterworfen, da Stromboli seit 2019 ungewöhnlich aktiv ist. Die nicht zurücksackende Lava fließt gewöhnlich über die Sciara de Fuoco, die Feuerrutsche, an der Nordwestflanke ins Meer. Beliebt ist dieses Spektakel für Touristen in den Ausflugsbooten, auf denen sie aus sicherem Abstand abends das Spektakel genießen können. Seit 2019 ist die Kraterzone gesperrt, als es auch für die Vulkanologen im lokalen Observatorium zu einem überraschend schweren Ausbruch kam.

Eine kleine Gruppe von Wanderern befand sich zu diesem Zeitpunkt nahe der Kraterzone und konnte sich nur mit Mühe und Not unter die Beton-Schelter retten, die allerdings die herausgeschleuderten Lavabomben nicht ganz abfangen können. Ein Toter war zu beklagen und mehrere Schwerverletzte, was die italienische Regierung veranlasste bis auf weiteres den Aufstieg zu verbieten, außer für Vulkanologen und dann auch nur kurz.

2017 hatte ich noch das Vergnügen, unter Leitung eines einheimischen Führers ganz nach oben zu steigen. Von Stromboli-Ort, wo ganzjährig rund 350 Menschen leben, ging es nachmittags hinauf. Rund 950 Meter misst der Vulkan ab dem Meeresspiegel, darunter fällt er 2000 Meter in die Tiefe, damit hat er eine Gesamthöhe von fast 3000 Metern, also ein wahrer Riese. Aber warum ging es erst nachmittags nach oben? Ganz einfach: Die Wanderer sollen bei Einbruch der Dämmerung oben die volle Schönheit der Lavagaben erleben. Außerdem ist es dann nicht mehr zu heiß.

Ausgestattet mit Wanderschuhen, Rucksack mit mindestens zwei Litern Wasser und Schutzhelm mit Lampe für den abendlichen Abstieg zog die kleine Karawane den Kratern entgegen. Ähnlich wie auf Vulcano ist es am Anfang noch ein leichter Anstieg, der sich dann schweißtreibend weiterentwickelt. An einem alten Dorffriedhof vorbei erreichten wir die Vegetationszone, die der einzige Halt für eine kurze Pause war. Von da an lief es sich nicht nur schwerer, von da war der Vulkan zu spüren und zu hören. Das Donnern und Grollen ist vergleichbar mit einem Zug, der über eine Eisenbahnbrücke rattert.

Je höher wir kamen, desto mehr erinnerte der Boden an eine Mondlandschaft. Die letzten 150 Meter bis zum Kratergebiet ging über einen Grat, der relativ breit ist. Jedoch hatte unser Bergführer anfangs abgefragt, ob jemand Höhenangst hätte. Das ist tatsächlich nicht zu unterschätzen, da beim Blick auf dem Grad zu den Seiten die Hänge steil abfallen. Daher: Augen geradeaus! Und die werden dann belohnt durch einen sensationellen Anblick zu den Kratern und Schloten.

Wir lagerten nahe der Beton-Schelter mit Blick zu den Ereignissen und wurden nicht enttäuscht: Mit Grollen und Zischen sprühten kurz hintereinander immer wieder Lavafontänen in die Höhe, mit denen kein Feuerwerk der Welt mithalten kann. Der Anblick machte die unglaublichen Naturgewalten deutlich. Die Ohs und Ahs meiner Mitwanderer sind ungezählt, einige hatten Tränen in den Augen. Und ja, es ist ein unvergessliches Erlebnis einen aktiven Vulkan so nahe zu erleben.

Vulkane sind Zerstörer und Schöpfer der Natur in einem. Roberto Rosselinis Meisterwerk „Stromboli- Terra di Dio“ (Stromboli – Acker Gottes) mit der jungen Ingrid Bergmann erfasst diese Faszination des Vulkans als Naturereignis und magischem Ort. Alle italienischen Vulkanlandschaften sind sehenswert.

Goethe wollte auf seiner Italienreise unbedingt auf den Vesuv – und er war oben. Die angrenzenden Phlegräischen Felder bei Neapel mit der Solfatara von Pozzuoli waren bereits den Griechen bekannt und sie wähnten dort den Eingang zum Hades.

Es gibt sicherlich noch höhere, aktivere Vulkane weltweit wie jene am Pazifischen Feuerring oder Hawaii, Island und den Yellowstone. Aber nichts geht über die Schönheit der Äolischen Inseln, die fantastische Naturerlebnisse in einer der ältesten europäischen Kulturlandschaften bieten und völlig zu Recht Weltnaturerbe der UNESCO sind.

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