Neue Königin der Māori begeistert Neuseelands Indigene

BOULEVARD ROYAL

Māori-Frauen auf Neuseeland / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: davyb; https://pixabay.com/de/photos/maori-maori-gruppe-kiwi-kultur-89317/ Māori-Frauen auf Neuseeland / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: davyb; https://pixabay.com/de/photos/maori-maori-gruppe-kiwi-kultur-89317/

Eine junge Māori-Monarchin zwischen Tradition und vielen Erwartungen. Sie will den indigenen Stämmen Neuseelands ihre Rechte sichern.

Neuseeland steht meist nicht im Mittelpunkt der deutschen Medien. Das Land am anderen Ende der Welt ist weit entfernt und hat für Deutschland und die EU nur handelspolitisch Bedeutung – wenn überhaupt. Dabei gehört das Land durch seine britische Prägung und der Zugehörigkeit zu den Five Eyes, eine Kooperation der Nachrichtendienste der USA, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands, untrennbar zum Westen. Kulturell gibt es durch die angestammten Maori seit einigen Jahren eine neue Sicht auf das Land und seine Politik.

Weiter Weg zur Einheit

Mit großem Tamtam ist die die neue Königin als achte Māori-Monarchin in Neuseeland in dieser Woche gekrönt worden, parallel zur Beisetzung ihres Vaters, Kiingi Tuheitia Pōtatau Te Wherowhero VII. Eine Besonderheit bei dem indigenen Volk, dass sich der Wechsel vom alten zum neuen Monarchen zeitgleich vollzieht. Die 27-jährige Ngā Wai hono i te pō wurde von einem Rat der indigenen Māori-Häuptlingen Neuseelands während einer aufwendigen Zeremonie auf der Nordinsel des Landes zur Kuini – dem Māori-Wort für Königin – gewählt. Sie ist die zweite Monarchin, die ihre Großmutter und erste Māori-Chefin, Te Arikinui Dame Te Atairangikaahu, die vierzig Jahre regierte, als Vorbild sieht.

Die neue Königin wurde bei einer Versammlung im Tūrangawaewae Marae, dem Sitz der Kiingitanga- oder Māori-Königsbewegung, bekannt gegeben. Diese Bewegung will die Einigung der verschiedenen Stämme in Neuseeland und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet, als das Land noch eine britische Kolonie war. Wie bei den europäischen Kolonialmächten üblich, wurden die einheimischen Völker als minderwertig betrachtet. Den Māori ging es nicht anders als den Aborigini im benachbarten Australien.

Mit der Königsbewegung wollten die Indigenen ein Gegengewicht zur politischen und kulturellen Dominanz Londons schaffen. Und die Briten wollten die Māori durch die Bewegung besser kontrollieren. Auch sollten so die verschiedenen Stämme geeint werden und mit gemeinsamer Stimme sprechen.

Das ist in mühevoller Arbeit über die letzten 150 Jahre gelungen, insbesondere in der Kultur. Bei der Inthronisierung der neuen Königin wird dies deutlich: Ihre Segnung erfolgte mit derselben Bibel, mit der 1858 der erste Māori-König ins Amt eingesetzt wurde. Dabei saß sie mit einem Kranz und einem Mantel vor dem Sarg ihres Vaters, als vor seiner Beerdigung Gebete und Gesänge gesprochen wurden.

Die Verbindung zwischen den Lebenden und den Ahnen gehört zum religiösen Schatz der Māori. Eine Flottille aus geschnitzten Kriegskanus, den Waka, überführte den König dann zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Mount Taupiri, der den Māori heilig ist. Tänzer begleiteten die Zeremonie mit dem Kapa Haka, dem traditionellen Volkstanz, bei dem mit den Füßen aufgestampft und mit den Augen gerollt wird. Ursprünglich gedacht, um Feinde einzuschüchtern, ist der Tanz inzwischen fester Bestandteil der gesamten neuseeländischen Kultur. Jeder Staatsgast erlebt dieses Ritual, das damit endet, dass der Fremde einen Speer aufhebt und somit als Freund anerkannt wird.

Offiziell gibt es keine Dynastie, in der die Krone erblich ist. Jedoch sind seit der Einsetzung des ersten Māori-Herrschers alle folgenden Monarchen vom Rat aus derselben Familie gewählt worden. Vielleicht hat es damit zu tun, dass sich alle bisherigen Herrscher als glückliche Wahl herausstellten. Die Stellung des obersten Māori ist vergleichbar mit jener des Zulu-Königs in Südafrika. Dort gibt es keine weibliche Thronfolge, da sind die Māori progressiver. Aber kann die Neue die Erwartungen ihrer Stämme erfüllen?

Martialische Tänze

Zumindest markiert die Ernennung von Ngā Wai hono i te pō zur Königin einen Generationswechsel. Viele sehen darin auch eine Geste der Erneuerung und einen positiven Einfluss auf jüngere Māori-Mitglieder, die erst seit wenigen Jahren Tritt fassen in der weißen neuseeländischen Gesellschaft. Noch in den Nullerjahren war die Arbeitslosigkeit unter jungen Māori hoch. Der Königsbewegung wird unter den Indigenen hoch angerechnet, dass sie es durch ihre Politik geschafft haben, für eine positive Wende zu sorgen.

Wer ist die neue Monarchin? Allzu viel ist noch nicht über sie bekannt, da ihre Wahl eine Überraschung war. Sie hat einen Master-Abschluss in Māori-Kulturwissenschaften und unterrichtet Kapa Haka, das über den bekannten Tanz hinausreicht und alle darstellenden Künste umfasst. Der überraschende Tod des Königs sei ein Moment großer Trauer für die Māori und der gesamten Nation, so Rahui Papa, Sprecher der Māori-Königsbewegung: „Ein Häuptling, der in das große Jenseits übergegangen ist. Ruhe in Liebe.“

„Unser Land wird in Trauer sein“, sagte Chris Hipkins, Vorsitzender der neuseeländischen Oppositionspartei Labour, kurz nach dem Tod des Königs. „Er war ein fantastischer König mit einem bösen Sinn für Humor, aber auch ein sehr guter Mann mit einem echten Fokus darauf, die Neuseeländer zusammenzubringen.“ Auch der neuseeländische Premierminister Christoper Luxon lobte König Tuheitia als eine Führungspersönlichkeit, „deren Engagement für die Māori und alle Neuseeländer im ganzen Land spürbar ist“. Bei den Māori ist Luxon mehr als unbeliebt, da dessen Regierungspolitik von seinen Kritikern als Anti-Māori aufgefasst wird.

Rauer Gegenwind

Im vergangenen Jahr demonstrierten Zehntausende in ganz Neuseeland gegen die Pläne der Regierung, die fortschrittliche Politik rückgängig zu machen, die die Rechte der Indigenen stärkte. Dazu gehörten Pläne zur Schließung der eigenständigen Māori-Gesundheitsbehörde, die während der Regierung von Premierministerin Jacinda Ardern gegründet wurde, und Pläne, die Namen einiger Regierungsbehörden von Māori wieder auf Englisch zu ändern.

Die offizielle Trauerzeit für den verstorbenen König wurde von den üblichen drei Tagen auf sieben Tage verlängert, um die zahlreichen Delegationen unterzubringen, die gekommen waren, um ihm Tribut zu zollen. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagte Mereana Hond, eine Māori-Journalistin, gegenüber der BBC. Sie betonte, dass das Land einen König verloren habe, der an Bedeutung gewann und alle Stämme von Aotearoa, wie Neuseeland in Māori heißt, anführte. „Und das zu einer Zeit, in der wir unter dieser Koalitionsregierung unter großem politischem und sozialem Druck stehen“, fügt sie hinzu.

Mit der neuen Königin sind die Hoffnungen ihres Volkes und der liberalen Neuseeländer verbunden ein Gegengewicht zur konservativen Regierung zu finden. Im Staatsgefüge kommt dem Māori-Chef überwiegend eine kulturelle Rolle zu, aber auch eine repräsentative nach außen. Bei der Krönung von Charles III. war der Vater der neuen Monarchin der offizielle Vertreter Neuseelands. Für die konservative Regierung in Wellington dürfte die Königin keine Leichtmatrosin sein, da sie sich gegen ihre älteren Brüder bei der Wahl zum Oberhaupt durchgesetzt hat. Sie wird auf die errungenen Rechte ihres Volkes pochen und diese verteidigen – denn die Māori sind am längsten dort.

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