Offenbar rekrutiert Türkei Söldner für Krieg gegen Armenien

Dschihadisten in Mali / Quelle: Wikipedia, Anne Look / Public domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ansar_Dine_Rebels_-_VOA.jpg Dschihadisten in Mali / Quelle: Wikipedia, Anne Look / Public domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ansar_Dine_Rebels_-_VOA.jpg

 

Die Türkei schmiedet offenbar weitere Kriegspläne. Berichten zufolge wirbt sie Dschihadisten für einen Feldzug gegen das mit Russland verbündete Armenien an.

 

Ein Gastbeitrag von

Seit dem 12. Juli eskalieren die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan. Seitdem droht täglich ein Krieg zwischen den beiden Ländern auszubrechen. In diesem Konflikt, den man nur vollends verstehen kann, wenn man Geschichte und Verhältnis der beiden Völker über die vergangenen 200 Jahre akribisch analysiert, könnten nun ähnlich, aber stärker als zu Beginn der 90er Jahre, dschihadistische Söldner eine Rolle spielen.

„Der türkische Staat senkt die Gehälter seiner Söldner in Libyen von 2000 Dollar auf nur 800 Dollar und fordert sie auf, sechs Monate lang nach Aserbaidschan zu reisen, um für 2500 Dollar pro Monat gegen Armenien zu kämpfen“ twitterte der syrisch-kurdische Journalist Farhad Shami am 18. Juli unter Berufung auf eine private Quelle.

„Eine Nation, zwei Staaten“

Tweet von Farhad Shami / Quelle: Twitter

Tweet von Farhad Shami / Quelle: Twitter

 

Auch Ahval News, das Portal des seit 2016 im Exil lebenden Trägers des Journalistenpreises der Münchner Südosteuropagesellschaft, Yavuz Baydar, berichtete am 21. Juli unter Berufung auf die russische Nachrichtenagentur TASS, die Türkei biete derzeit dschihadistischen Söldnern höhere Löhne, wenn sie aus dem syrischen Afrin oder Libyen für ein halbes Jahr ins Südkaukasus gingen, um im dortigen Konflikt die aserbaidschanische Seite gegen Armenien zu verstärken.

Zwar sind die Einwohner der Türkei mehrheitlich sunnitische Muslime, während man in Aserbaidschan überwiegend dem schiitischen Islam angehört, jedoch fühlen sich die beiden Turkvölker stark miteinander verbunden. Heydar Aliyev, Vater und Vorgänger des heutigen aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev, prägte in Bezug auf die türkisch-aserbaidschanischen Beziehungen während seiner Amtszeit den Wahlspruch: „Eine Nation, zwei Staaten“ („Bir millet iki devlet“). Der Slogan wird derzeit in vielen türkischsprachigen Artikeln und bei pro-aserbaidschanischen Demonstrationen aufgegriffen.

Eine gemeinsame offene Grenze zwischen diesen vermeintlichen „zwei Staaten einer Nation“ ist der Traum nicht weniger nationalkonservativer Türken und Aserbaidschaner. Doch durch die Existenz Armeniens gibt es überhaupt keine gemeinsame Grenze, mit Ausnahme der Exklave Nachitschewan.

Dschihadisten schon 1992 und 1993 im Einsatz

Karte/ Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f6/Az-qa-kaart-en.png

Karte/ Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f6/Az-qa-kaart-en.png

 

Es wäre außerdem nicht das erste Mal, dass Dschihadisten im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan eine Rolle spielen. In Europa aufgrund der Lage im damaligen Jugoslawien nahezu unbeachtet, markierte der Bergkarabachkrieg zwischen 1992 und 1994 die bislang heftigsten Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ländern im Südkaukasus, die insgesamt rund 30.000 Todesopfer kosteten. Das prägnanteste geopolitische Resultat für die Region ist die bis heute andauernde De-Facto-Unabhängigkeit Bergkarabachs bzw. Arzachs, wie die Armenier das Gebiet nennen, unter armenischem Protektorat.

In den Jahren 1992 und 1993 kämpften etwa 2.000 afghanische Mudschaheddin mitsamt ihrer tschetschenischen Division auf aserbaidschanischer Seite. Dies geht unter anderem aus einem Bericht des US-amerikanischen CIA-Ablegers FBIS aus dem Jahr 1996 hervor.

Jene tschetschenische Division war damals ca. 200 Mann stark und stand unter dem Kommando von Shamil Basajew, der auch als geistiger Drahtzieher der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater am 23. Oktober 2002 und der Anschläge auf zwei Flugzeuge in Russland am 24. August 2004 gilt.

Anfang der 90er Jahre waren dschihadistische Söldner im Bergkarabach nur eine Randerscheinung. Doch heute hat sich die Ausgangslage geändert. Das spätantike Armenien gilt als erstes Land der Welt, welches das Christentum zur Staatsreligion machte. Dass das heutige Armenien sich in dieser Tradition sieht, stellt ideologisch gesehen für stramme Islamisten bereits einen Grund dar das kleine Land von der Größe Brandenburgs als Feind zu betrachten, ebenso wie die Tatsache, dass einige Armenier in Syrien entweder auf der Seite Assads oder der pro-kurdischen Milizen stehen, also jenen Kräften, die sich im dortigen Bürgerkrieg Gefechte mit pro-türkischen Dschihadisten liefern.

Die Rolle Russlands

Zudem ist Armenien Russlands wichtigster Verbündeter in der Region. Jenes Russland, das in Libyen mit General Haftar und in Syrien mit Assad jeweils die erbittertsten Gegner der pro-türkischen Milizen maßgeblich unterstützt.

Neben den finanziellen Anreizen wären den Söldern also auch genügend ideologische Gründe gegeben, um sich der Achse Ankara-Baku gegen Jerewan anzuschließen, das militärisch gegen dieses Bündnis nicht ankommen können würde. Um eine weitere Eskalation vorerst zu verhindern, könnte aber die Abschreckungskraft der militärischen Großmacht Russland entscheidend sein.

Moskau nutzt Armenien als militärischen Brückenkopf im Südkaukasus und hat ein ureigenes Interesse am Fortbestand guter Beziehungen zu Jerewan, denn das Verhältnis zu dessen westlichem Nachbar Georgien ist spätestens seit dem Krieg um Südossetien im August 2008 stark unterkühlt, und trotz guter Beziehungen zu Baku ist man sich im Kreml darüber im Klaren, dass ein Aserbaidschan unter Aliyev sich im Zweifel immer für Ankara entscheiden würde. Fiele Armenien, wäre auch Russland nachhaltig geschwächt.

 

*Julian T. Barynyan studierte Linguistik und Politologie in Gießen und bereist heute als selbstständiger Handelsvertreter inbesondere die frankophone Welt. Hier geht’s zu seiner Website.

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dragaoNordestino
3 Jahre her

…..
Anderen Berichten zu Folge, sollen Söldner aus Syrien 5.000 Dollar erhalten, wenn sie sich dazu bereit erklären, nach Aserbaidschan zu gehen. …..

In der neo-osmanische Folklore des Nationalisten Erdogan’s wird sich die Türkei vermutlich völlig übernehmen…… Dieser aktuelle Vielfrontenkrieg ist nicht zu gewinnen. …… und wird uns am Ende nur dem US-Imperialen Neuen Nahen und Mittleren Osten näher bringen.

http://www.dragaonordestino.net/Drachenwut_Blog_DragaoNordestino/NWO/Neuer-naher-und-mittlerer-Osten.php

Last edited 3 Jahre her by dragaoNordestino
Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
3 Jahre her

Wenn ich mich recht erinnere, war es der Türkei bzw. früher dem Osmanischen Reich in der gesamten Geschichte nahezu unmöglich, auch nur zu einem Nachbarland für eine auch bloß etwas längere Zeit entspannte oder gar freundliche Beziehungen zufzubauen.

So etwas ist selbst weltweit gesehen wirklich nicht so häufig zu finden.

Wie nennt man das? Vielleicht strukturelle Unverträglichkeit, bedingt durch eigenen Größenwahn.

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