Große Städte sperren die AfD aus
Von über 30 Anfragen bei Hallen für den AfD-Bundesparteitag wurden mehr als die Hälfte aus politischen Gründen abgelehnt. Wie eine Partei stigmatisiert wird.
Es ist nicht nur üblich, dass Parteien ihre Mitglieder oder deren Delegierte zu Parteitagen versammeln, es ist sogar ihre Pflicht. Sie ist in Paragraph 9, Absatz 1 des Parteiengesetzes festgehalten. Darin heißt es, der Parteitag „ist das oberste Organ“ der Organisation. Und weiter: „Die Parteitage treten mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr einmal zusammen.“
Gewöhnlich haben demokratische Parteien in Deutschland deshalb auch kein Problem, Tagungsstätten anzumieten. Gewöhnlich. Denn bei der AfD scheint das anders zu sein. Nach Auskunft des Parteivorstands gab es zahlreiche Absagen größerer Hallenbetreiber aus mehreren Bundesländern, die von der AfD für den anstehenden Delegiertenparteitag angefragt worden waren. Und die Hallenbetreiber hätten nicht etwa aus Platzgründen abgesagt oder weil sie ausgebucht waren. „Von etwa 30 Anfragen wurden weit über die Hälfte erkennbar aus politischen Gründen abgelehnt“, sagte Pressesprecher Christian Lüth. Die Partei habe sich Absagen aus Berlin eingehandelt, aus Dortmund und anderen nordrheinwestfälischen Städten, aus Bayern und Hessen.
Mündliche Zusage wird plötzlich zurückgezogen
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So etwas passiert sonst nur noch einer einzigen Partei in Deutschland: der NPD. Nun scheint es neben den Rechtsextremen eine weitere politische Kraft zu geben, die vielerorts unerwünscht ist. Jedenfalls könnten Äußerungen etwa des Kasseler Stadtkämmerers Christian Geselle den Eindruck des AfD-Bundesvorstandes bestätigen, wonach der AfD aus politischen Gründen Veranstaltungsorte verweigert werden.
Geselle ist zusätzlich zu seinem städtischen Amt zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Firma Kassel Marketing, bei der die AfD das Kongress Palais anmieten wollte. Geselle wird von der Zeitung Hessisch Niedersächsische Allgemeine mit den Worten zitiert, „er sei ,nicht unglücklich’, dass die AfD nun nicht in der Stadt tage“. Wörtlich sagte Geselle: „Als Privatperson bin ich der Meinung, dass dadurch ein falsches Signal von Kassel ausgegangen wäre.“
Besondere Bedeutung erhält seine Aussage im Licht der Umstände, unter denen die Absage zustande kam. „Auf unsere Anfrage bekamen zunächst eine mündliche Zusage von Kassel Marketing und ein schriftliches Angebot für den Anmietvertrag“, sagt Lüth. Doch nach einer Woche, noch bevor der Vorstand den Mietvertrag habe unterzeichnen können, sei das Angebot ohne Angabe von Gründen wieder zurückgezogen worden. „Ein solches Vorgehen ist vollkommen inakzeptabel“, sagt Lüth. „Erstens entsteht uns dadurch ein Schaden, weil wir verpflichtet sind, den Parteitag abzuhalten. Zweitens mussten politische Motive als Grund für die Absage vermuten.“
Darum zog die AfD vor Gericht, hatte dabei allerdings auch kein Glück. Sie unterlag sowohl im ersten Verfahren vor dem Kasseler Landgericht wie auch in der nächsten Instanz vor dem Frankfurter Oberlandesgericht.
Als wir bei der Stadt Kassel nachfragen, warum die 100-prozentige Stadt-Tochter Kassel Marketing“ das Angebot an die AfD wieder zurückzog, entgegnet ein Stadtsprecher, dazu könne er nichts sagen. Der von der AfD eingeschaltete Rechtsanwalt Manfred Mattis hingegen spricht von einer politischen Absage. „Obwohl ich seit 30 Jahren in Kassel als Rechtsanwalt arbeite, verweigert der Oberbürgermeister das Gespräch mit mir, weil ich Kreissprecher der AfD bin“, sagt Mattis. Er sehe die „klare Tendenz, die AfD zu stigmatisieren“. Und: „Vor dem Hintergrund der Stigmatisierung der AfD und der Ausgrenzung sehe ich auch die Rücknahme des Angebots durch die Kassel Marketing.“
Auch ein Ruderverein stellt sich quer
Auf der Landes- und Kreisebene hat die AfD noch größere Schwierigkeiten an Tagungsräume zu kommen. „Viele sagen von vorn herein: Mit Euch wollen wir nichts zu tun haben“, sagt Lüth. Gerade erst musste die AfD eine Veranstaltung mit ihrem nordrhein-westfälischen Landessprecher Marcus Pretzell in Hannover absagen, weil die Räumlichkeiten plötzlich nicht mehr zur Verfügung standen. Pretzell sollte 19. November im Restaurant „Bootshaus 84“ einen Vortrag halten. Mit dem Pächter des Restaurants war die Partei schnell handelseinig geworden, die Veranstaltung wurde in den Medien bekannt gemacht.
Doch dann trat der Deutsche Ruder-Club (DRC) Hannover, dem das Bootshaus gehört, auf den Plan und distanzierte sich öffentlich von der Veranstaltung. Auf seiner Internetseite veröffentlichte der Verein eine Erklärung, in der es heißt:
„Wir distanzieren uns ausdrücklich von den politischen Inhalten und Parolen der AfD. Der DRC ist mit den AfD-Veranstaltungen im DRC-Bootshaus nicht einverstanden. Dies haben wir mit dem Pächter mehrfach besprochen und ihn aufgefordert, die Veranstaltungen abzusagen. Nach erster rechtlicher Beratung hat der DRC aus dem Pachtvertrag heraus keine Möglichkeit, die Veranstaltungen zu verhindern.“
Obwohl er keine rechtliche Handhabe hat, gelang dies dem Verein letztlich dann aber doch. Auch hier erscheinen die Umstände undurchsichtig. Denn der Pächter hatte in der Vergangenheit bereits mehrere Male an die AfD vermietet, unter anderem gibt es in dem Restaurant einen AfD-Stammtisch. Nun jedoch machte der Pächter überraschend doch einen Rückzieher. Als er von der örtlichen Hannoverschen Allgemeinen Zeitung zu seinen Gründen befragt wurde, wollte er sich dazu nicht äußern.
Veranstaltung für Flüchtlingshelfer
Dafür äußerte sich nun der Ruderverein. Auf seiner Internetseite veröffentlichte der DRC folgende Erklärung:
„Nach einvernehmlicher Abstimmung zwischen dem Pächter der Gaststätte Bootshaus 84 im Deutschen Ruder-Club und dem Vorstand des Deutschen Ruder-Clubs wurde am 9.11.2015 die Veranstaltung der AfD durch den Pächter abgesagt.“
Diese Absage soll für die AfD sogar weitergehende Konsequenzen haben, denn „neben der geplanten Veranstaltung am 19.11.2015 wurden auch sämtliche weiteren – durch die AfD möglicherweise vorgesehenen – Veranstaltungen für die Zukunft abgesagt“, schreibt der Ruderverein. Und er stellt klar: „Der Deutsche Ruder-Club und der Pächter der Gaststätte Bootshaus 84 distanzieren sich gemeinsam ausdrücklich von politischen Inhalten und Parolen der AfD.“
Mehr Glück hatte die AfD dann beim Congress Centrum in Hannover. Dort soll am 28. November der Bundesparteitag stattfinden. Im Kasseler Kongress Palais, in dem die Partei ursprünglich tagen wollte, findet nun angeblich eine Veranstaltung zu Ehren der Flüchtlingshelfer statt. Übrigens sollte die AfD rund 7000 Euro Saalmiete für zwei Tage zahlen.