Luckes Frontalangriff auf Höcke
Wann hat es das in der deutschen Parteiengeschichte schon einmal gegenen? AfD-Chef Lucke will Landeschef Höcke per Gerichtsbeschluss aller Ämter entheben.
In der AfD treibt Parteichef Bernd Lucke die Auseinandersetzung mit seinen innerparteilichen Kritikern voran. In einem in der deutschen Parteiengeschichte außergewöhnlichen Vorgehen, will er die politische AfD-Karriere eines Landes- und Fraktionsvorsitzenden durch ein Schiedsgericht dauerhaft beenden.
Ziel des Angriffs ist der thüringische Landes- und Fraktionsvorsitzende Björn Höcke. Dieser hatte in einem Interview gesagt, nicht jedes NPD-Mitglied könne als extremistisch eingestuft werden. Dafür war er innerhalb der AfD heftig kritisiert worden. Auf Drängen seiner Amtskollegen aus den anderen Bundesländern bemühte sich Höcke daraufhin um Klarstellung. Lucke und einigen Mitgliedern des Bundesvorstandes war diese jedoch nicht ausreichend.
Gegenstimmen im Vorstand
Auf Drängen des Parteivorsitzenden beschloss der Vorstand nun mit vier zu zwei Stimmen, das thüringische Landesschiedsgericht solle ein Amtsenthebungsverfahren gegen Höcke einleiten. Lediglich Luckes Ko-Sprecherin Frauke Petry und AfD-Vize Alexander Gauland stimmten dagegen, Ko-Sprecher Konrad Adam nahm an der Abstimmung aus terminlichen Gründen nicht teil.
Doch mit Amtsenthebungsverfahren allein wollte es Luckes Vorstandsmehrheit nicht bewenden lassen. Zusätzlich soll Höcke für die Dauer von zwei Jahren jedes Amt in der AfD verwehrt werden.
In einer ersten Reaktion sagte Höcke: „Ich habe kein Verständnis für diese auch innerhalb des Bundesvorstands umstrittene Entscheidung. In der Sache selbst meine ich alles gesagt und die Vorwürfe entkräftet zu haben. Insofern sehe dem Ausgang des Verfahrens gelassen entgegen.“
In einer Mitteilung der Parteispitze heißt es zu dem Vorgang: „Der Bundesvorstand war mehrheitlich der Auffassung, dass Herrn Höcke ausreichend Gelegenheit für eine deutliche Distanzierung gegeben wurde, die er jedoch ungenutzt verstreichen ließ.“
Das Vorgehen gegen Höcke war aber offenbar nicht die einzige Überraschung im Parteivorstand. Angeblich ist auch der vom Lucke-Lager formulierte und heftig umstrittene Mitgliederentscheid ohne weitere Rücksprache in der Nacht verschickt worden. Dabei hatten sich die Landesvorsitzenden noch am vergangenen Freitag gegen den Mitgliederentscheid ausgesprochen.
Zwei Rechtsgutachten
Sie wandten sich mit der Bitte an die Initiatoren, den Entscheid zurückzuziehen. Selbst der Landesvorstand und die Kreisvorstände in Luckes niedersächsischem Heimatverband hatten die „Art und Weise des Zustandekommens des Mitgliederentscheides“ ausdrücklich missbilligt. Sie befürchteten unter anderem eine „Beeinflussung der Arbeit in den Landes- und Bundesfachausschüssen und dementsprechend der Bundesprogrammkommission“.
Zu dem Mitgliederentscheid gibt es inzwischen zwei Rechtsgutachten. Eines wurde im Auftrag des Lucke-Lagers vom Osnabrücker Staatsrechtler Jörn Ipsen, ein anderes im Auftrag der Lucke-Gegner vom Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim erstellt. Beide ziehen vollkommen gegensätzliche Schlüsse. Nach Ipsen ist der Mitgliederentscheid unbedenklich, von Arnim erhebt Bedenken.
In der Partei heißt es, Lucke wolle mit dem Mitgliederentscheid die inhaltliche Diskussion auf dem Parteitag im Juni vorwegnehmen und die AfD auf seine Linie festlegen. Tatsächlich heißt es in dem Entscheid: „Ich stimme den genannten Thesen zu und möchte, dass diese für die AfD verbindlich sind.“ Der Lucke treue Europa-Abgeordnete und baden-württembergische Landesvorsitzende Bernd Kölmel hatte in einem Aufruf zur Teilnahme an dem Mitgliederentscheid, diesen als „Instrument der Klärung“ bezeichnet.