Leben in der Medien(un)kultur

In einer veränderten Medienlandschaft müssen Parteien Politikvermittlung neu denken. Die Kommunikation von CDU, AfD und Linken steht vor einem gewaltigen Umbruch.

Nach der Bundestagswahl wird in der CDU im wahrsten Sinne des Wortes um den rechten Weg gestritten. Einige Landesverbände und die Parteijugend forderten nach Jahren der Linksdrift mehr konservatives Profil. Natürlich hat da zum Schluss auch das Beispiel Österreich eine Rolle gespielt, wo Sebastian Kurz bei der Nationalratswahl mit einem Einschwenken auf verständliche Bürgerwünsche seine ÖVP auf Platz 1 katapultiert hat.

Gegen mehr Konservatismus machen jetzt einige Merkel-treue Abgeordnete des christbolschewistischen Flügels mobil. Die Bundestagshinterbänkler Andreas Nick, Marcus Weinberg und Matthias Zimmer widersprechen in einem Papier[1] der These, dass das schlechte Abschneiden der CDU bei der Bundestagswahl auf die Asylpolitik von Angela Merkel zurückzuführen sei.

Wähler in der Filterblase der Leitmedien

Sie gehen im Gegenteil davon aus, dass die innerparteiliche Kritik an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin potenzielle CDU-Wähler verschreckt habe:

„Eine Lehre aus den Landtagswahlen der vergangenen 18 Monate war, dass dort, wo die CDU die Position als Partei der Mitte rhetorisch geräumt hat, besonders empfindliche Niederlagen folgten. Die Wählerinnen und Wähler haben weder die demonstrative Abwendung von der Politik der Bundesregierung noch die markigen Sprüche der Ausgrenzung belohnt.(…) Wir sind davon überzeugt, dass der Wahlerfolg der AfD dort am größten war, wo die CDU selbst den Eindruck erweckt hat, die AfD habe mit ihrer Kritik an der Bundesregierung und ihren Forderungen in der Flüchtlingspolitik irgendwie recht.“

Die Thesen laufen darauf hinaus, dass die Wähler in der Filterblase der Leitmedien gut aufgehoben sind und am besten gar nicht erst von den Alternativen zum Regierungshandeln erfahren. Ein Erfolg ist dieser Sicht auf die Dinge natürlich nur beschieden, wenn die Wahlberechtigten keinen Zugang zu kritischen Medien und Meinungen haben, wie das noch vor zehn Jahren allgemein der Fall war.

Eins, zwei, drei im Sauseschritt läuft die Zeit, wir laufen mit. Was als Kommunikationsstrategie in der Kohl- und in der Schröder-Ära noch funktionierte, weil es ein Medienmonopol gab, ist heute der Schnee von gestern. Die „Tagesthemen“, BILD und „heute“ können zwar so tun, als wäre Merkels Politik (nicht nur ihre Asylpolitik) der Stein der Weisen, die Reichweite dieser Nachrichtenverbreiter ist jedoch deutlich begrenzter, als früher.

Der sauertöpfische Claus Kleber

Wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich seit 1994 keine Regionalzeitung mehr im Haus, 1999 bestellte ich den SPIEGEL ab. Bis etwa 2005 habe ich noch Nachrichten im Fernsehen verfolgt, und bis 2009 hörte ich Autoradio. In dem Jahr habe ich mich zudem aus der Parallelwelt der CDU verabschiedet und bekomme seitdem auch nicht mehr das „Black Paper“ der JU und Mike Mohrings „Bürgerpost“. Das Schauen der Fernsehnachrichten habe ich übrigens wegen der peinlich-penetranten Moderation von Claus Kleber eingestellt. Der wirkt immer so sauertöpfisch, als sei ihm eine Laus über die Leber gelaufen.

Was im alten Jahrtausend für die Politik noch Sinn machte – das eiserne Verschweigen von Tatsachen – wird als Strategie im Zeitalter alternativer Nachrichtenquellen immer fraglicher. Sicher, meiner 93-jährigen Mutter tut es gut, wenn man sie nicht mit politischen Kontroversen verwirrt, aber es sind ja nicht alle CDU-Wähler ganz hochbetagt. Es gibt durchaus Anhänger der Christdemokraten, die noch neugierig sind und Kontakte zu Nettosteuerzahlern oder jüngeren Familienmitgliedern pflegen und deren Ohren manchmal mit Fragen und Meinungen von besorgten Bürgern konfrontiert werden.

Ein gutes Drittel unserer Einwohner benutzt täglich soziale Medien und lebt informationstechnisch auf einem Stern, wo die „News“ von den Nutzern teilweise selbst produziert, oft auch nur nach Gusto ausgewählt und verbreitet („geteilt“) werden. Da hat Herr Kleber nichts zu sortieren und wegzulassen, auch nichts hinzuzufügen, denn das ist nicht nicht seine Welt. Und dann gibt es noch die Einwohner, die türkische Sender empfangen oder überhaupt nichts verstehen.

Wir alle leben längst in unserer eigenen Medien(un)kultur. Die Zwangsgebühr für das Staatsfernsehen taugt nichts zur allgemeinen Verbreitung der regierungsamtlichen Leitkultur des merkelschen Wahrheitsministeriums, doch auch der „Nachrichtenwert“ der vielen Blogs und alternativen Medien ist leider oft genug zweifelhaft.

Schuld war Merkels Verdruckstheit

Dieser beschriebene Dissenz zwischen den Insassen verschiedener Filterblasen erreicht mittlerweile die Parteien.  Zuerst war naturgemäß die AfD betroffen, weil sie den Widerspruch zwischen den harten GEZ-Verweigerern und PEGIDA-Spaziergängern (Lieblingsruf: „Lügenpresse“) einerseits, andererseits Frau Petry mit ihrer Medienaffinität aushalten musste. Die drängelte sich ja sogar mal auf den Bundespresseball. Das ist etwa so, als wenn der Papst in den Puff geht und sich dabei noch in einem blauen Seidenkleid fotografieren ließe. Letztlich hat gerade dieser Tabubruch entscheidend zu ihrem innerparteilichen Ansehensverlust beigetragen.

Nun erreicht der Kulturkampf um die „richtigen“ Informationsplattformen und die „durchdringende Vermittlung“ der Regierungspolitik die CDU. Es ist eben nicht so, wie die drei CDU-Politiker behaupten. Die Bundestagswahl ist verlorengegangen, weil die Wähler erwartet haben, dass sich die Kanzlerin zur wichtigsten Frage äußert: Zur Asylfrage, die eine Frage der Sicherheit ist. Eine Frage von Krieg und Frieden.

In ihren ganzen Wahlkampfreden hat sie dieses Thema gemieden und alle möglichen abwegigen Nebensächlichkeiten ausgebreitet: Bildung, Diesel, schnelles Internet und Klima. Nur das, was die Leute interessiert hat, kam nicht zur Sprache. Ich war in Apolda beim Merkel-Auftritt. Schon 20 Minuten vor dem Ende ihrer Rede strebten zahlreiche Leute enttäuscht zu den Ausgängen.

Die innerparteiliche Kritik an Merkel brach erst mit voller Wucht nach der Niederlage bei der Bundestagswahl los, und nicht vorher. Bis zum Wahlabend hatten viele Mitglieder die geballte Faust in der Hosentasche, aber sie hielten noch die Klappe. Innerparteiliche Kritik kann also nicht der Grund für das Desaster der Kanzlerinpartei gewesen sein, wie vom Dreigestirn der Merkeltreuen behauptet. Schuld war die Merkelsche Verdruckstheit.

Konservatismus und Kulturmarxismus

Auch in der CDU gibt es jüngere Leute und Modernisierer, die begreifen, dass man auf Dauer keine Chance hat, eine eindimensionale Kommunikation in den Mainstreammedien durchzudrücken. Da mögen die Freundschaften zwischen dem Kanzleramt und dem Staatsfernsehen noch so eng sein, wenn letzteres in die Vertrauenskrise taumelt, kriselt auch die CDU.

Andererseits gibt es die mit dem Geist der vergangenen Weihnachten im medialen Mittelalter lebenden Abgeordneten und Funktionsträger, die morgens immer noch nachsehen, ob sie selbst in der Lokalgazette stehen oder ob ihre Kanzlerin sich bei Anne Will im Fernsehen am Vorabend gut verkauft hat. Die Reformer und die Traditionalisten der Kommunikation stehen sich gegenüber. Wobei erstere dem konservativen Geist näherstehen, letztere dem abgedroschenen Kulturmarxismus.

Interessanterweise hat der Konflikt um die Politikvermittlung auch die Linkspartei erreicht. Frau Wagenknecht beginnt sich abseits der festgerosteten Positionen des Mainstreamjournalismus mit den Realitäten zu arrangieren, ein großer Teil der Altkader der Linken setzt dagegen noch einseitig auf die Kanalarbeiter der Partei und glaubt, dass sie so medial durchdringt.

„Kanalarbeiter“ ist so ein Wort aus den 60er Jahren. So wurden die SPD-nahen Journalisten im Fernsehen (die Sender hießen damals noch „Kanäle“) bezeichnet. Kürzlich habe ich es im Kreistag erlebt, wie eine Abgeordnete der Linken als „Beweis“ für die „Richtigkeit“ ihrer Anträge einen Zeitungsartikel aus dem Lokalblatt des Funke-Konzerns vorlas. Da weiß man nicht, ob man heulen oder hämisch lachen soll.

Politikvermittlung wird in einigen Jahren neu gedacht werden müssen – von allen Parteien. Weniger zentralistisch und technokratisch, bürgernäher und offener. Das Gezerre um die richtige Kommunikation in AfD, CDU und in der Linken steht ganz am Beginn einer sich verbreitenden Einsicht.

 

Anmerkung

[1] https://www.welt.de/politik/deutschland/article170165379/CDU-Abgeordnete-wehren-sich-gegen-Rechtsruck-der-Partei.html

 

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Über Wolfgang Prabel

Wolfgang Prabel über sich: "Ich sehe die Welt der Nachrichten aus dem Blickwinkel des Ingenieurs und rechne gerne nach, was uns die Medien auftischen. Manchmal mit seltsamen Methoden, sind halt Überschläge... Bin Kommunalpolitiker, Ingenieur, Blogger. Ich bin weder schön noch eitel. Darum gibt es kein Bild." Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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Karl Bernhard Möllmann
6 Jahre her

. . . BESTES Beispiel für die KRIMINELLE UNKULTUR westlicher Medien ist die derzeitige RUSSEN-PHOBIE ausgehend von KRIMINELLEN US-Demokraten wie Hillary Clinton & Barack Obama. . Während das Clinton Camp nicht müde wird die inzwischen längst als Hausmacher-FAKE entlarvte angebliche „Einmischung“ der Russen in die Wahl von Donald Trump herum zu posaunen – obwohl es exakt NULL BEWEISE gibt – wird gleichzeitig hinter dieser raffinierten TARNUNG TOT GESCHWIEGEN, daß dieselbe Hillary Clinton ein längst BEWIESENES MEGA-VERBRECHEN nach US-GESETZ begangen hat, und dafür sogar BESTECHUNGS-Gelder in Höhe von 145 Millionen US-Dollar für ihre Clinton-Stiftung kassiert hat!!! . Sie hat nämlich für… Read more »

observer_1
observer_1
6 Jahre her

Nach dieser wohl denkwürdigen Bundestagswahl wird nicht nur in den Parteigremien um den rechten Weg gestritten, sondern vor allem in den deutschen Leitmedien. Dabei kommt der Frage, welche Koalition sinnvoll und zweckmäßig ist und die kommende Legislaturperiode überdauern könnte, nur sekundäre Bedeutung zu. Die primäre Frage betrifft v.a. das politische Selbstverständnis Deutschlands. Nach innen, im Verhältnis zu seinen Nachbarn in Europa, und im Verhältnis zu seinen Bündnispartnern. Über die Frage, ob zur deutlichen Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen zuvorderst die deutschen Bürger oder die US-amerikanischen Bürger mit ihrer Wahlentscheidung, die gegenwärtige und vergangene deutsche Außenpolitik, oder die allgewaltigen deutschen Medien beigetragen… Read more »

Zitrone
Zitrone
6 Jahre her

„Die Brüder des Schattens III“ – Die andauernde babylonische Gefangenschaft“ –

https://www.youtube.com/watch?v=25vOY4TTeZE

Wayne Podolski
6 Jahre her

Merkel wurde doch neulich wieder zur mächtigsten Frau der Welt irgendwo gekürt. Als solche darf sie dann eine Computerspielmesse eröffnen oder eine Wirtschaftsdelegation nach Argentinien anführen, die gerne ein paar mehr Aufträge aus dieser Region hätte. Von dieser getriebenen Sprechpuppe kann niemand glaubhafte Erklärungen zur Migrantensituation erwarten. Vorgestern habe ich mal wieder bei Illner reingeschaut. Bei Minute 35:00 stellte sie dann sinngemäß die Frage, ob die osteuropäischen Staaten sich gar nicht nach Europa sehnen, sondern nur die NATO bräuchten, um gegen Putin zu kämpfen. Das man von den anwesenden Politkanaillen kein Widerspruch hört, konnte man erwarten. Das aber auch Reinhold… Read more »

Seance
Seance
6 Jahre her

In nahezu allen Beiträgen dieses Autors lese ich ein, sicherlich berechtigtes, Unverständnis gegenüber vielen Entscheidungen unserer Volksvertreter, darum möchte ich ihm die Lektüre des (überraschenderweise auf „archive.org“ noch verfügbaren) Buches „Die andere Welt“ von Prof.Dr.Hoefelbernd anempfehlen. Danach dürfte auch ihm klar sein, dass seit über 70 Jahren ausschließlich deutsch(tot)feindliche Marionetten des „Imperiums der Kasse“ an den Futtertrögen des Bundestages sitzen dürfen und das (vermeintliche?) Unverständnis weicht einem tiefen Verstehen.

rainer sta
rainer sta
6 Jahre her

Köstlich geschriebener Artikel. Ein Genuss.

Unwichtig
Unwichtig
6 Jahre her

Danke für den guten Artikel. Aber: Leider lassen sich auch viele arbeitende Menschen von K. Cleber und Gundula G. ihre Meinung vorkauen. Sie sitzen abends vollkommen müde vor der Glotze und wollen noch schnell die Nachrichten sehen, so wie es auch schon ihre Eltern immer gemacht haben. Daher ist das Staatsfernsehen für die etablierten Parteien auch immer noch so wichtig. Wenn einfache Bürger in sozialen Netzwerken oder auf Websites unterwegs sind, so konsumieren sie keine politischen Inhalte. Dazu leiden ca 80% der Bürger unter dem sogenannten „unrealistischen Optimismus“ und genau das bedienen die Staatsmedien auch: Das übliche „uns geht es… Read more »

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