Pharmaindustrie erfindet Krankheiten

„Es ist wie bei der Schwarzarbeit: Wir wissen, dass es sie gibt, aber nicht, in welchem Umfang“, sagt ein Experte über erfundene Krankheiten der Pharmabranche. Der Wochenrückblick als Sonntagspanorama.

Liebe Leserinnen und Leser, ein Kommentarschreiber fragt:

„Ist es überhaupt noch möglich, dass eine Industrienation wie Großbritannien einen globalisatorischen Großraum wie die EU verlässt? Haben solche Ausstiegskandidaten überhaupt noch genügend Fachwissen, um Tausende von Verträgen weltweit neu zu gestalten oder ist das Fachwissen national schon verloren gegangen und im Beispiel der EU nach Brüssel delegiert worden.“

Jon Henley antwortet im Guardian[1]:

„Es wird nicht so schnell passieren, dass Großbritannien die EU verlässt, solange die Regierung nicht weiß, was sie will und auch nicht ausreichend ausgestattet ist.“

Und weiter:

„Einigen Schätzungen zufolge könnte der Brexit zehn Jahre in Anspruch nehmen und bis zu 10.000 Personen nicht nur in den neuen Ministerien, auch in den so genannten „heißen Ressorts“ wie etwa im Außenministerium, Innenministerium, Umweltministerium und Wirtschaftsministerium betreffen. Auch der öffntliche Dient wird betroffen sein. Insgesamt reden wir über Verwaltungskosten von knapp fünf Milliarden Pfund.“

Die FAZ schreibt:

„Den Briten fehlt es an versierten Verhandlungsfachleuten für den Poker mit der EU und erst recht für die Aushandlung neuer Handelsverträge. Denn als EU-Mitglied konnte Großbritannien das Gefeilsche um internationale Handelsvereinbarungen bisher weitgehend Brüssel überlassen.“

Im Frühsommer 2019 findet die Europawahl zum Europäischen Parlament statt. Bis dahin sind die Briten nie draußen. Da weder Rechte noch Pflichten aus den EU-Verträgen erlöschen, bevor ein Austritt auch tatsächlich vollzogen ist, wird Großbritannien als Mitglied der EU die Wahl organisieren und auch Kandidaten aufstellen müssen.

Das politische System in Großbritannien steht vor dem Nervenzusammenbruch.

Erfindet die Pharmaindustrie neue Krankheiten?

Deutschlandradio Kultur fragt Dirk Ruiss vom Verband der Ersatzkassen in Nordrhein-Westfalen:

D-Radio: „Stehen Sie tatsächlich als Krankenkasse immer öfter vor dem Problem, nicht nur entscheiden zu müssen, ob ein neues Medikament wirklich wirkt, sondern auch entscheiden zu müssen, ob es die Krankheit, gegen die es helfen soll, überhaupt gibt?“
Dirk Ruiss: „Ja, wir stehen zunehmend vor diesem Problem, das haben sie richtig beschrieben. In welcher Größenordnung sich das aber bewegt, das ist für uns teilweise auch nicht ganz erkennbar. Es ist ein Phänomen wie bei der Schwarzarbeit: Wir wissen, dass es das gibt, aber wir wissen nicht, in welchem Umfang. Aber es gibt genügend Beispiele für erfundene Krankheiten, für Krankheiten, die es vielleicht auch gibt, aber die übermäßig diagnostiziert werden. Und das wird  zunehmend ein Problem für die gesetzlichen Krankenkassen. Und es ist natürlich ein Problem für die Versicherten selber und für die Patienten. Und da müssen wir schauen, was wir da machen können.“
D-Radio: „Nennen Sie doch mal ein Beispiel. Was ist für Sie wirklich eine Krankheit, über die wir alle gern mal reden und die es echt nicht gibt?“
Dirk Ruiss: „Ein gutes Beispiel für eine erfundene Krankheit sind die Wechseljahre für Männer. Das ist vor einigen Jahren stark promotet worden, unter anderem von der Pharmaindustrie in Kombination mit PR-Agenturen. Das ist ein sehr treffendes Beispiel, wie ich finde.“

Sehen Sie dazu auch folgendes Video:

https://www.youtube.com/watch?v=Ca-PUW3iwzw

Therapeuten erfinden sich selbst

Die meisten Menschen brauchen auch keine Therapeuten. Kaum ein anderer Ort wie New York hat solch ein dichtes Netz an Psychotherapeuten. Doch wie nützlich waren sie nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001?

Der Bestseller-Autor Eckart von Hirschhausen gibt in seinem Buch Glück die Antwort:

„Therapieforscher George Bonanno fand heraus, dass sich bei den meisten Betroffenen nach drei Monaten die akute Stresssituation legte. Viele, die anfangs gar nicht darüber reden wollten und erst später mit einem Freund oder einer Freundin ihre Erfahrungen teilten, fühlten sich besser als diejenigen, die sich ständig mit dem Erlebten aktiv und therapeutisch auseinandergesetzt hatten.“

Warum hört man von diesen Forschungsergebnissen so wenig? Noch einmal Eckart von Hirschhausen:

„Es war schwer genug, die Psychotherapie in unserem Versorgungssystem zu etablieren, und nur zwei Verfahren haben es geschafft, von der gesetzlichen Kasse bezahlt zu werden, die psychoanalytischen und die verhaltenstherapeutischen Methoden. Diejenigen, die an den großen Geldtöpfen sitzen, haben begreiflicherweise wenig Interesse daran, Methoden zu propagieren, die ihre eigene Leistung in Frage stellen.“

Schwarzes-Schaf / Quelle: Claus Folger

Schwarzes-Schaf / Quelle: Claus Folger

Das schwarze Schaf der Woche

„Deutschland kann sich aus lokalen und regionalen Gewaltkonflikten in anderen Teilen der Welt nicht völlig heraushalten. Das würde gegen seine eigene politische Wertebasis verstoßen, gegen sein Selbstverständnis und gegen seine nationalen wie gegen die europäischen und die westlichen Interessen insgesamt. Es wäre verantwortungslos (…) Die Entscheidung über die Beteiligung oder Nichtbeteiligung an einer multinationalen Gewaltintervention zur lokalen Gewaltentschärfung bleibt immer vertrackt“, sagte der Politikwissenschaftler Dr. Prof. Wilfried von Bredow in der FAZ.

Deutsche Außenpolitiker drängen schon seit längerer Zeit auf eine stärkere Rolle Chinas bei der Bewältigung internationaler Krisen wie etwa in Syrien. „China könne zur Lösung der Syrien-Krise beitragen“, sagte Außenminister Steinmeier nach Angaben des Deutschlandfunks bei seinem Besuch in Peking im April dieses Jahres.

Jetzt ist es soweit. China steigt in den syrischen Ring. Gewaltintervention zur Gewaltentschärfung oder um mit George Orwell zu sprechen: Krieg ist Frieden!

China schickt für eine engere Zusammenarbeit mit der Assad-Regierung eine ganze Militärdelegation nach Damaskus. Es will die syrische Armee in Zukunft besser unterstützen.

Zerohedge resümiert lakonisch:

Das heißt, dass jetzt in diesem Moment jede große Supermacht auf der Welt offiziell in den syrischen Krieg involviert ist. Dieser Konflikt ist zu vielen Gelegenheiten sehr treffend ein Pulverfass dafür genannt worden, was der nächste globale Militärkonflikt sein kann — immerhin sind alle dafür benötigten Teilnehmer jetzt offiziell darin involviert.“[2]

Weißes-Schaf Quelle: Claus Folger

Weißes-Schaf Quelle: Claus Folger

Das weise Schaf der Woche

„Es hat mich nie beeindruckt, wenn die KP davon spricht, dass ‚es nicht auf die Motive der Leute ankommt; entscheidend ist das objektive Resultat ihrer Handlungen‘ – es ist nämlich viel einfacher, sich Klarheit über Motive zu verschaffen als das Resultat von Handlungen vorherzusagen, und in der Praxis haben sich die Prophezeiungen der KP hinsichtlich der Resultate dieser oder jener Handlung oft genug als Irrtum erwiesen. Zweitens gründet ihre ganze Denkrichtung darauf, Schlechtes zu tun, um Gutes zu bewirken, was meiner Meinung nach impliziert, Ursachen hätten keine Wirkung.“ Zitat: George Orwell

George Orwell kritisiert die Rolle der spanischen Kommunistischen Partei im spanischen Bürgerkrieg. Die FAZ-Polit-Professoren von heute funktionieren nicht anders und propagieren im Prinzip die gleiche Ideologie.

Mein Lektüretipp der Woche:

Gibt es die Griechenland-Krise gar nicht? Wer derzeit durch Griechenland reist, erlebt ein stabiles Land. Steckt man hier wirklich in einer Krise? Ein zweiter Blick offenbart überraschende Erkenntnisse.[3]

 

Anmerkungen

[1] http://www.theguardian.com/politics/2016/aug/22/brexit-means-brexit-when-is-big-question

[2] http://www.zerohedge.com/news/2016-08-16/china-sides-russia-syrian-war-will-provide-aid-and-military-training-assad

[3] http://www.welt.de/wirtschaft/article157824147/Gibt-es-die-Griechenland-Krise-gar-nicht.html

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