Wirtschaftspolitik als Fantasterei

Industrielle Revolution: Die Kruppschen Huettenwerke Rheinhausen Beginn des 20. Jh. / Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=532972 Industrielle Revolution: Die Kruppschen Huettenwerke Rheinhausen Beginn des 20. Jh. / Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=532972

„Industrie 4.0“ lautet das neue Zauberwort: Journalisten, Wissenschaftler  und Politiker versprechen paradiesische Zustände. Da muss man hellhörig werden!

Immer mehr Journalisten, Wissenschaftler, Politiker und Internetunternehmer malen die Zukunft in den rosigsten Farben. Mit der von der Bundesregierung angestoßenen Industrie 4.0 würden paradiesische Zustände eintreten, das von Karl Marx vorausgesagte Reich der Freiheit würde anbrechen, weil intelligente Automaten alles für uns tun. „Die Wirtschaft steht an der Schwelle zur 4. Industriellen Revolution“, schreibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung.[1]

Pointierend zugespitzt: Wir bräuchten nur noch faulenzen, künstlerisch dilettieren und das bedingungslose Grundeinkommen einstreichen. Selbst in der Schweiz hat diese euphorische Vorstellung über 20 % Anhänger, wie die jüngste Volksabstimmung gezeigt hatte.

Fantastische Gewinne

Wörtlich schreibt das Bundesforschungsministerium:

„International steht Industrie 4.0 heute für die Digitalisierung der Industrie. Dabei entstand Industrie 4.0 erst 2011 als Zukunftsprojekt im Rahmen der Hightech-Strategie. Acatech – die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften – hat 2013 eine Forschungsagenda und Umsetzungsempfehlungen vorgestellt, die auf Betreiben des Bundesforschungsministeriums (BMBF) ausgearbeitet wurde. Dies baute auf der ,Nationale Roadmap Embedded Systems’ auf.“

Viele ältere Beobachter erinnert diese Phantasterei an die Verheißungen in der Periode der Internetblase der späten 90er Jahre. Auch damals wurde eine sorgenfreie und rosarote Zukunft mit der Begründung einer technologischen Revolution herbeigeredet und das ganze Wunschgebilde kollabierte zunächst in der betrieblichen Realität über mehrere Jahre und später an der Börse binnen wenigen Wochen. Wer erinnert sich noch an die Fantasiegebote für die UMTS-Lizenzen? Die Telekom-Aktie erlebte im März 2000 ein absolutes Maximum mit einem Kurs von rund 103 Euro. Im Juni 2002 war sie unter neun Euro zu haben. Die Blütenträume der ganzen Branche waren im neuen Jahrtausend geplatzt.

Mit einem ähnlichen Bauchklatscher endete die große Zeit des Investmentbankings. Tony Blair und Bill Clinton förderten das verheißungsvolle Hantieren der Banken mit aufgeblasenen Vermögenswerten. Zunächst entstanden fantastische Gewinne, ohne dass sich ein Rad drehte. Lief das nicht eine Zeit lang ganz prima?

Mit Steuern aus den Bankgewinnen wurden in den Wunderländern des Geldsozialdemokratismus sogar Staatsschulden zurückgezahlt, die Wachstumsraten waren viel höher als im Alten Europa. White-Collar-Worker mit Blackberrys und Tablets wurden zur Anhängerschaft von New Labour. Man fuhr mit dem Elektrofahrrad in den solargeheizten Bankenturm und opferte guten Gewissens auf dem Altar des Mammons.

Nüchterner Blick in den Rückspiegel

Am Ende kam die Berichtigung der aufgeblasenen Vermögenswerte als Immobilienkrise, als Bankenkrise und als Staatsanleihenkrise auf uns zu. 2006 hatte die Deutsche Bank-Aktie einen Höchstkurs von 102 €, derzeit reichen 16 € für den Aktienkauf dieses traditionsreichen Geldinstituts. Dabei fiel Vorstand Josef Ackermann nicht mal aus allen Wolken, als die Krise begann. Er hatte schon 2007 gewarnt.

Jetzt hat die nächste Propagandaschlacht begonnen. Und die Dummen, die kritiklos an die Wunder der Industrie 4.0 glauben, werden zahlreich sein, weil wieder einmal Einkommen ohne Anstrengung versprochen wird. Wenn man die Verheißungen prüfen will, sollte man die Internet- und die Investmentblase im Hinterkopf behalten und sehr nüchtern an die Prognose herangehen. Der Aufbruch in die Zukunft sollte immer mit einem nüchternen Blick in den Rückspiegel beginnen.

 

Anmerkung

[1] https://www.bmbf.de/de/zukunftsprojekt-industrie-4-0-848.html

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Über Wolfgang Prabel

Wolfgang Prabel über sich: "Ich sehe die Welt der Nachrichten aus dem Blickwinkel des Ingenieurs und rechne gerne nach, was uns die Medien auftischen. Manchmal mit seltsamen Methoden, sind halt Überschläge... Bin Kommunalpolitiker, Ingenieur, Blogger. Ich bin weder schön noch eitel. Darum gibt es kein Bild." Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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