Die Parasiten befallene Ökonomie

Das parasitäre Kapital saugt Lohnempfänger und Unternehmen aus und verhindert wichtige Zukunftsinvestitionen. In Regierungsakten steht es schwarz auf weiß.

Eigentlich sollte es auch EZB-Chef Mario Draghi inzwischen begriffen haben: Der Spruch „It’s money that matters“ ist ökonomischer Schwachsinn. Denn nicht Geld ist der Motor der Wirtschaft, Innovationen sind es, also neue Ideen, aus denen wiederum neue Produkte entstehen, die jeder haben will. Kapital ist nichts weiter als ein Hilfsmittel. Und die zehn Prozent Reichen, die immer noch mehr Kapital anhäufen, sind im Grunde nichts weiter als Parasiten, die eine gesunde Ökonomie aussaugen und letztlich ruinieren – wenn man sie lässt.

In den vergangenen Jahrzehnten hat die neoliberale Politik den Parasiten optimale Bedingungen geschaffen. So wurden sie immer gefräßiger. Das parasitäre Kapital saugte nicht nur die Lohnempfänger und Beitragszahler aus, sondern entzog den Unternehmen die überlebenswichtigen Investitionen in die Zukunft. Längst bricht auf breiter Front der Wohlstand weg.

Organisierte Verantwortungslosigkeit

Es ist nicht so, dass Regierung und Zentralbanker nicht wüssten, was hier geschieht. Doch statt den Parasiten die Nahrung zu entziehen, schieben sie ihnen immer noch mehr Geld in den Rachen. Die Politiker tun dies, indem sie ihnen die Steuern erlassen und die Gesetze immer stärker zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung verändern; die Zentralbanker pumpen immerzu neues Kapital in den Spekulationskreislauf.

Zu den Parasiten zählen nicht nur Investoren und Spekulanten, nein, es zählen auch die großen Konzerne dazu, oder besser gesagt, der Vorstände. Denn in der organisierten Verantwortungslosigkeit der Kapitalgesellschaften bereichern sich die Vorstände schamlos am Betriebsvermögen und zerstören so die Grundlagen der Ökonomie: Für steigende Börsenkurse, deren Gewinn ausschließlich in ihre Taschen fließt, vernichten Arbeitsplätze und Einkommen und unterhöhlen so letztlich auch die Funktionsfähigkeit des Staates. Haben sie ein Unternehmen zugrunde gerichtet, verlassen sie dieses mit hohen Abfindungen und suchen sich das nächste Opfer.

Ein Unternehmer würde niemals so handeln. Ein Unternehmer arbeitet wie seine Angestellten für das Unternehmen. Er ist am Fortbestand seines Betriebes und folglich an zufriedenen Mitarbeitern interessiert. Sein Ansporn ist es, neue Produkte zu schaffen und zu verkaufen.

Unternehmer zählen – von einigen Ausnahmen abgesehen – nicht zu den Parasiten, sondern ebenfalls zu deren Opfern, weil sich die Parasiten und Politiker gern auf gesunde Familienbetriebe stürzen. Erstere rauben ihnen durch massive Preisdrückerei die Existenzgrundlage, letztere durch mittelstandsfeindliche Gesetze.

Seit 20 Jahren rückläufige Investitionsquote

https://www.bmwi.de/Dateien/BMWi/PDF/Monatsbericht/Auszuege/11-2014-investitionsschwaeche,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

https://www.bmwi.de/Dateien/BMWi/PDF/Monatsbericht/Auszuege/11-2014-investitionsschwaeche,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

Gerade diese Entwicklung ist für die Volkswirtschaft lebensbedrohlich. Das wissen auch EZB-Chef Mario Draghi und die Bundesregierung. Im seinem Monatsbericht November 2014 etwa stellte das Bundeswirtschaftsministerium eine seit über 20 Jahren rückläufige Investitionsquote in Deutschland fest[1]. Signifikant ist der Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen, als des Anteils, den die Unternehmen in die Verbesserung und den Ausbau ihrer Innovations- und Wirtschaftskraft stecken. Hierzu stellt das Ministerium fest:

„Der Einbruch bei den Ausrüstungsinvestitionen im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise konnte 2010 gestoppt werden. Von einem Aufholprozess kann allerdings bisher nicht die Rede sein – im Gegenteil, im ersten Halbjahr 2014 lag das Niveau der Investitionen in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge einschließlich militärischer Waffensysteme noch immer zehn Prozent unter dem Vergleichswert für das Jahr 2008.“

https://www.bmwi.de/Dateien/BMWi/PDF/Monatsbericht/Auszuege/11-2014-investitionsschwaeche,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

https://www.bmwi.de/Dateien/BMWi/PDF/Monatsbericht/Auszuege/11-2014-investitionsschwaeche,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

Verglichen mit anderen europäischen Ländern bewegten sich die Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland allerdings immer noch „auf einem hohen Niveau“ fügten die Ministerialbeamten an. Sie haben gelernt, sich die Welt schönzureden: „Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern nach wie vor über einen relativ starken industriellen Sektor verfügt.“

Das sehen andere aber ganz anders. Armin Schmiedeberg von der Beratungsgesellschaft Bain & Company etwa spricht von einer anhaltenden Deindustrialisierung. In Deutschland etwa lägen die Bruttoinvestitionen schon seit Jahren unter den Abschreibungen. Ihn erschrecke das geringe Interesse an Investitionen.[2]

BDI-Präsident Ulrich Grillo klagte auf der Hannover Messe über stagnierende Arbeitsproduktivität und eine verfallene Infrastruktur. Straßen, Schienen, Brücken und Energienetze seien in einem beklagenswertem Zustand, stellte er fest.

Letzter Ausweg: Betrug

Beklagenswert ist aber wohl auch die zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffende Lücke bei der Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie. Beispielhaft deutlich wurde dies jüngst durch den Skandal um manipulierte Abgaswerte. Da die Unternehmen die von ihnen erwartete technische Überlegenheit nicht mehr leisten konnten, wussten sie keinen anderen Ausweg als den Betrug. Und während die Mitarbeiter dafür zur Rechenschaft gezogen werden, wollten sich die Vorstände mit den Betrugsgewinnen noch mal richtig die Tasche vollmachen.

Das ist die Mentalität unserer Eliten, zu diesem asozialen Verhalten werden Nachwuchsführungskräfte herangezogen. John Lennon hat es einst so formuliert:

„But first you must learn how to smile as you kill
If you want to be like the folks on the hill“

 

 

Anmerkungen

[1] https://www.bmwi.de/Dateien/BMWi/PDF/Monatsbericht/Auszuege/11-2014-investitionsschwaeche,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

[2] http://www.welt.de/wirtschaft/article154931786/Amerikas-Attacke-auf-die-deutsche-Industrie-Herrschaft.html

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Über Thomas Castorp

Thomas (Hans) Castorp blickt vom Zauberberg herab auf die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Fragenstellungen. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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