Ostern und der Holocaust

Die Osterfeiertage sind doch eigentlich eine gute Vorlage, um noch einmal die deutsche Vergangenheit aufzurollen. Der Wochenrückblick als „Sonntagspanorama“.

Liebe Leserinnen und Leser, an Karfreitag gab der Frankfurter Kirchendezernent Uwe Becker (CDU), der auch OB-Kandidat seiner Partei im Jahr 2018 sein möchte, den Tagesbefehl aus:

„Der Karfreitag ist als christlicher Feiertag dem Gedenken an das Leiden und die Kreuzigung Jesu Christi gewidmet – das verträgt sich nicht mit lautem und ausgelassenem Feiern.“

Er bezog sich auf das Hessische Feiertagsgesetz, das von Gründonnerstag, 4 Uhr, bis Karsamstag um Mitternacht öffentliche Tanzveranstaltungen verbietet. Um Schaden vom Wertegerüst Frankfurts abzuhalten, blieb ich als guter Protestant zu Hause. Heringsfilet und Kartoffeln standen bereit, um den Tod meines Herrn Jesu Christi am Kreuz angemessen zu würdigen.

Was für ein trister und trauriger Tag! Eigentlich eine gute Vorlage, um noch einmal die jüngste deutsche Vergangenheit aufzurollen.

Haben wir den Holocaust verstanden?

Dem Historiker Timothy Snyder ist nichts heilig. In der FAZ[1] fügt er dem Ideologiegerüst Deutschlands großen Schaden zu:

„Wir nehmen an, wir hätten den Holocaust verstanden und Lehren daraus gezogen. Was aber, wenn wir nur diejenigen Lehren daraus gezogen haben, die wir aus ganz eigennützigen Gründen daraus ziehen wollten, und den Holocaust entsprechend unseren eigenen Wünschen und Vorstellungen interpretiert haben?
Aufgrund der Natur des Ereignisses bietet kein nationaler Rahmen, nicht einmal ein deutscher, die Möglichkeit für eine vernünftige Diskussion. Die grundlegenden Fakten widersetzen sich jedem nationalen Narrativ. Die vorherrschende Vorstellung in Deutschland ist die von Konzentrationslagern, doch die meisten Juden, die ermordet wurden, waren nie in einem solchen. Die Aufmerksamkeit gilt den deutschen Juden, obwohl 97 Prozent der während des Holocausts ermordeten Juden mit Deutschland nichts zu tun hatten – abgesehen davon, dass sie in deutschem Namen ermordet wurden. Die narrative Aufmerksamkeit gilt der Diskriminierung von Juden im nationalsozialistischen Deutschland, obwohl nur ein kleiner Teil der im Holocaust ermordeten Juden in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in Deutschland lebte. Die Hälfte der Täter waren keine Deutschen. Keiner der Haupttäter ermordete nur Juden. Sie alle waren auch Mörder anderer Menschen. Der Holocaust fand in einem Raum statt, in dem die Deutschen auch vier Millionen Nichtjuden getötet haben. Der gesamte Holocaust spielte sich in einer Zone der Staatszerstörung ab, die von der deutschen Macht in Osteuropa geschaffen worden war. So gut wie alle Juden, die im Holocaust ermordet wurden, verloren ihr Leben dort.“

Tom Segev über David Ben-Gurion

Der israelische Sicherheitsbeamte Daniel Schueftan erklärt die Entstehungsgeschichte des Staates Israel und setzt, anders als viele seiner Mitstreiter, nicht schon bei Mose an, der die Israeliten bekanntlich aus der Knechtschaft Ägyptens führte, sondern erst bei den Römern[2]:

„Vor 2000 Jahren wurden wir von den Römern aus unserem Land vertrieben und lebten 2000 Jahre im Exil (…)“

Ich bin der Meinung, dass es verdächtig ist, wenn man, um etwas zu legitimieren, tausende Jahre in die Geschichte zurückgeht. Ist etwas gut und richtig, erübrigt sich ein Rückgriff auf die Geschichte. Abgesehen davon sind Politik und Geschichte zwei unterschiedliche Disziplinen, die strikt voneinander zu trennen sind.

Die entscheidende Stelle des Videos findet sich aber bei Minute 21. Dort sagt Daniel Schueftan:

„Die zionistische Revolution war vor der Gründung des Staates Israel. 1948 haben wir nur einen Staat ausgerufen. Aufgebaut haben wir ihn in der Zeit vom späten 19. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, und als er fertig war, haben wir ihn ausgerufen, ok?“

Der international anerkannte israelische Historiker Tom Segev stellte den Staatsgründer Israels, David Ben-Gurion, in seinem Buch „Die siebte Million“ in ein schlechtes Licht. Er habe den Holocaust in erster Linie als Verbrechen am Zionismus gesehen und befürchtet, dass die Ermordung der Juden die Errichtung des Staates Israels verhindern könnte. Im Dezember 1942 sagte David Ben Gurion:

„Die Vernichtung der europäischen Juden ist für den Zionismus eine Katastrophe. Es gibt bald niemand mehr, mit dem man das Land aufbauen kann.“

„Lebensraum für Deutsche sollte Todesraum für andere sein“

Timothy Snyder schreibt in seinem Buch Bloodlands – Europa zwischen Hitler und Stalin:

„Hitler hatte die Vision einer kolonialen Entmodernisierung der Sowjetunion und Polens, die zig Millionen Opfer gefordert hätte. Die NS-Führung wollte eine entvölkerte und entindustrialisierte Ostgrenze, die dann zur agrarischen Domäne deutscher Herren werden sollte. Diese Vision hatte vier Teile. Zunächst sollte der Sowjetstaat nach einem Blitzsieg im Sommer 1941 ebenso zusammenbrechen wie der polnische Staat im Sommer 1939 und den Deutschen die völlige Kontrolle über Polen, Weißrussland und den Kaukasus geben. Zweitens sollte ein Hungerplan rund 30 Millionen Bewohnern dieser Gebiete im Winter 1941/42 den Hungertod bringen, während die Nahrungsmittel nach Deutschland und Europa umgeleitet würden. Drittens sollten die sowjetischen Juden, die diese Hungersnot überlebten, zusammen mit Juden aus Polen und anderen Gebieten unter deutscher Kontrolle durch eine Endlösung aus Europa entfernt werden. Schließlich sah ein Generalplan Ost für die Jahre nach dem Sieg die Deportation, Ermordung, Versklavung oder Assimilierung der verbliebenen Bevölkerung und die Ansiedlung deutscher Kolonisten in Osteuropa vor. Lebensraum für Deutsche sollte Todesraum für andere sein.“

Als kein Blitzkrieg kam, passten Hitler und die deutsche Führung ihr Kriegsziel der neuen Situation an. Hitler wünschte den sofortigen Beginn der Endlösung. Er verwarf die Deportationspläne und entschied sich für den Massenmord als Methode, die Juden zu eliminieren. Endlösung nahm die Bedeutung der Ermordung aller Juden an. Heute sprechen wir auch vom Holocaust.

Hitler modelte den Krieg zu einem Krieg gegen Juden um, der immer noch gewonnen werden konnte. Oder: Deutschland wollte alle Juden ermorden, weil der Krieg verloren war.

„Wir schaffen das!“

Wie schon beim größten Feldherrn aller Zeiten nicht, wird auch bei Angela Merkel der Wille (Millionen Migranten aus der ganzen Welt in die deutsche Gesellschaft zu integrieren) nicht über die Tatsachen (Wir zerstören unsere Heimat …) triumphieren.

Die deutschen Politiker machen im Prinzip nichts anderes, als die eigene Bevölkerung zu kolonisieren, indem sie sie zum Service- und Bedienungspersonal für Millionen von Einwanderern degradieren. – Die Bundesregierung hatte bis zuletzt die Schließung der Balkanroute boykottiert.

„Die Deutschen hat man entweder an der Gurgel oder sie liegen einem zu Füßen.“
Winston Churchill

Schwarzes-Schaf / Quelle: Claus Folger

Schwarzes-Schaf / Quelle: Claus Folger

Das schwarze Schaf der Woche

„Mit Israel kämpft die einzige Demokratie im Nahen Osten täglich um die eigene Existenz gegenüber der islamistischen Bedrohung. Und wir sollten im ureigenen Interesse Europas dabei noch enger an der Seite dieses Landes stehen, in dem auch der Bestand europäischer Werte bedroht wird.“
Wenn sich deutsche Politiker, wie der Frankfurter Kirchendezernent Uwe Becker (CDU), beim Thema Israel in Sprechformeln zu retten versuchen (…)

Die christliche Herrenmenschensprache des Frankfurter Kirchendezernenten ist nicht hilfreich, wenn man bedenkt, dass das Zeitalter des Kolonialismus alternativlos vorbei ist.

Peter Novick schreibt in seinem Buch Nach dem Holocaust:

„Als der politische Zionismus in den 1890er Jahren geboren wurde, befand sich die europäische Expansion auf dem Höhepunkt, und nichts schien selbstverständlicher als eine europäische Siedlung im nichteuropäischen Gebiet, die Errichtung von Vorposten der europäischen Oberherrschaft und der Transfer der westlichen Aufklärung in den unaufgeklärten Osten. Der Zionismus war nicht einfach oder allein ein Beispiel dieses Phänomens, aber auch. Theodor Herzl, der Begründer des modernen politischen Zionismus, hatte argumentiert, ein jüdischer Staat in Palästina sei ein Vorposten der westlichen Zivilisation gegen die östliche Barbarei, und viele christliche Verfechter des Zionismus betrachten ihn weiterhin als einen solchen.“

Weißes-Schaf Quelle: Claus Folger

Weißes-Schaf Quelle: Claus Folger

Das weise Schaf der Woche

„Die Dinge ändern sich, auch in der Religion. Schauen Sie sich nur den jetzigen Papst an, vergleichen Sie ihn mit früheren Päpsten. Er hat die Juden Freunde und Geschwister genannt. Damit hat er wirklich etwas verändert. Ich glaube, jede Religion hat ein Problem, wenn sie zur Institution wird. Dann hat sie Macht, es entstehen Hierarchien, es werden Regeln geschaffen – aber die Religion verliert ihren Geist. Für mich ist das Judentum zuallererst Geist, ein moralischer Kompass. In der jüdischen Tradition gab es nie Institutionen oder Autoritäten. Alle Religionen hängen ja zusammen, das Christentum, Judentum, der Islam. Sie stammen alle von den zehn Geboten ab. Was haben die Juden daraus gemacht? Sie haben keine Kathedralen errichtet und auch keine Pyramiden, sondern nur eine kurze Schrift verbreitet: die zehn Gebote. Über Jahrtausende wurde kein Wort verändert (…)

Für mich ist diese Religion schlüssig: Das Verhältnis von Gott und Mensch braucht keinen Vermittler, wir können direkt mit Gott in Kontakt treten.“
Shimon Peres, der Ex-Präsident des Staates Israel, glänzt wieder einmal in seiner Lieblingsrolle als Nathan der Weise.[3]

Was er sagt, ist, soweit ich es beurteilen kann, alles richtig. Nur: Ist die Gründung des Staates Israel etwa keine Institutionalisierung des Judentums? Der israelische Versuch, Juden aus der ganzen abzusaugen, um sie am „Heiligen Land“ festzumachen – keine Institutionalisierung? Die weltweite jüdische Solidarität mit einem Apartheidstaat – keine Pervertierung des Judentums?

Israel definiert seine Interessen völlig unabhängig von Leben und Wohlergehen der angestammten Bewohner des Landes, den Palästinensern. Als religiös-ethnisches Gebilde ist Israel nicht der Staat der in ihm lebenden Bürger, sondern einer übernationalen Gemeinschaft, die in ihrer Mehrheit außerhalb des Landes lebt. Diese internationalistische Ideologie macht Israel für seine angestammten Bewohner, die Palästinenser, zu einem in der Geschichte beispiellosen Terrorstaat.

Nach jahrzehntelanger Entrechtung und Vertreibung der Palästinenser: Wer schreibt das Buch mit dem Titel Die Kriminalgeschichte des Judentums?

Mein Lektüretipp der Woche:

„Merkel hat jetzt zwei große Probleme! Nein, nicht die Ergebnisse der Landtagswahlen.
Problem Nr. 1: Die Balkanroute ist blockiert. Wie soll sie dann die Menschen hereinholen?
Problem Nr. 2: Der Krieg in Syrien ruht, es droht ein dauerhafter Waffenstillstand oder sogar das Ende des Krieges.
In dieser Lage könnten die völlig naiven Deutschen auf die Idee kommen, sich zu fragen, was dieser Flüchtlingsstrom eigentlich für einen Sinn haben soll? Und warum die Leute nicht in die Heimat zurückkehren?“[4]

 

 Anmerkungen

[1] http://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/holocaust-in-der-zone-der-zerstoerung-14044472.html#/elections

[2] https://www.youtube.com/watch?v=b6pNMUJhNb8

[3] Quelle: Süddeutsche Zeitung Magazin

[4] https://heerlagerderheiligen.wordpress.com/2016/03/16/merkel-hat-jetzt-zwei-grosse-probleme/

Unser Newsletter – Ihr Beitrag zur politischen Kultur!

// require user tracking consent before processing data _paq.push(['requireConsent']); // OR require user cookie consent before storing and using any cookies _paq.push(['requireCookieConsent']); _paq.push(['trackPageView']); [...]
×