Fluch Merkelscher Gesinnungsethik

 CDU-Kanzlerin Merkel und Linke wie Jakob Augstein geben einträchtig vor, was gedacht und getan werden darf: Von der Gefahr kollektiver Realitätsverweigerung.

Auf dem denkwürdigen Jubel-Parteitag der CDU in Karlsruhe am 14.12.2015 begründete Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal ihre Politik der völligen Grenzöffnung für Zuwanderer jeglicher Art am 5. September 2015: [1]

„An diesem Tag aber hätten die europäischen Werte auf dem Prüfstand gestanden. Die Entscheidung sei, nicht mehr und nicht weniger als ein humanitärer Imperativ’ gewesen. Spontaner Beifall für diese Formulierung.
Wie auch kurz darauf, als sie ihren Kernsatz des Jahres 2015 munter wiederholt: Wir schaffen das.“

Auch wenn der historische Vergleich mit der ablaufenden Migrationskrise völlig daneben liegt, bemüht Merkel die Bewältigung der deutschen Einheit:

„In dem Zusammenhang erinnert sie an die Politik zur deutschen Einheit, an Helmut Kohls Prophezeiung der ,blühenden Landschaften’. Das ,haben wir auch geschafft’, sagt Merkel, auch wenn es manchmal nicht einfach gewesen sei in der Anfangszeit. Einmal wird Merkel hier nationalpathetisch: ,Es gehört zur Identität unseres Landes, Größtes zu leisten.’ Warum also nicht jetzt?“

Schließlich erinnert sie die CDU (aber wohl vor allem ihre Kritiker innerhalb der CDU) an die Wurzeln dieser Partei im Nachkriegsdeutschland:

„Doch dürfe man nicht nur deren Nachteile und Risiken sehen, sondern auch die Chancen. Und hier müsse sich die CDU auf ihren Gründungsimpuls besinnen: Sie sei ein ,großes Werk des Brückenbaus’ gewesen, über Konfessionen hinweg, über Klassen und Schichten. Das gelte nun auch für die Flüchtlinge, die als einzelne Menschen kämen, nicht als Massen. ,Jeder Mensch hat eine Würde, die ihm von Gott gegeben ist’, fügt Merkel hinzu, ,das ist CDU vom ersten Tag an.’ Und dann noch: ,Wenn wir jetzt zweifeln würden, dass wir es schaffen, dann wären wir nicht die CDU. Wir schaffen das.“

Merkels „humanitärer Imperativ“

Mit dieser Rede hat sie den Parteitag zur Zustimmung gebracht, ohne dass das Thema „Obergrenze für Flüchtlinge“ noch weiter eine Rolle gespielt hat. Nur im Vorfeld wurde der Kanzlerin die Formulierung abgetrotz, den Flüchtlingsstrom spürbar zu verringern, wie immer das bei offenen Grenzen und einer weiter betriebenen professionellen Schleusertätigkeit gelingen soll. Papier ist geduldig, wird sich Frau Merkel gedacht haben.

Für den aufmerksamen Beobachter ist auffallend, wie Merkel im Dezember im badischen Land ihre Politik verteidigt hat. Es war keine Rede von Ausgleich des Fachkräftemangels oder Ergänzung einer überalterten Gesellschaft durch motivierte junge Menschen, wie man sie in vielen, leider manchmal fast unsäglichen Kommentaren der Mainstreampresse lesen konnte. Auch die Ankündigung eines ins unendlich wachsenden Aufschwungs, der angeblich durch die neuen Zuwanderer ausgelöst werden soll, hat sich Merkel verkniffen. Selbst wer nichts von Ökonomie versteht, ahnt wohl, dass solche Prognosen lächerlich sind.

Außerdem wurde auch nicht einnmal im Ansatz versucht, mögliche negative Entwicklungen von Vornherein klein zu reden, etwa das mögliche Anwachsen der Flüchtlingszahlen in Größenordnungen, die kein Staat mehr „schaffen“ könnte, etwa die immer deutlicher werdende Nicht-Integrierbarkeit islamischer Zuwanderer, die in anderen Ländern wie z. B. Frankreich schon viel offensichtlicher ist. Auch das Chaos in den deutschen Kommunen, die durch das regierungsamtlich verordnete Recht auf unbeschränkten Zuzug nicht mehr aus noch ein wussten, war ausgeblendet. Man könnte vermuten, dass Merkels Redenschreiber der Meinung war, auch nur die Erwähnung negatives Sachverhalte erzeuge nur Unruhe auf dem Parteitag, wo der doch so harmonisch war.

Zu befürchten ist aber, dass die Antwort eine andere ist: die negativen Folgen, und hier handelt es sich ja nicht nur um Begleiterscheinungen, sind für die amtierende Kanzlerin eher zweitrangig bis egal. Wer die eigene Politik unter einen „humanitären Imperativ“ stellt, darf sich von realistischen Einwänden nicht einschränken lassen. Merkel war nicht die erste ihrer Regierung, die den Begriff verwendet hat, denn schon im Oktober 2015 wurde der Kanzleramtsminister und „Flüchtlingsbeauftragter“ Altmaier entsprechend zitiert:[2]

„Angela Merkels Flüchtlingsbeauftragter Peter Altmaier erwartet, dass der große Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland anhalten werde. Sie aufzunehmen sei ein humanitärer Imperativ. Deutschland hätte genug Arbeitsplätze, um die Flüchtlinge zu integrieren.“

Auch bei Altmaier ist das erstaunliche Ausblenden jeglicher Realität zu beobachten, da er noch im Oktober, als die fehlende Alphabetisierung bzw. die mangelnde Schulbildung der meisten Flüchtlinge bereits offenbar war, von den freien Stellen im Arbeitsmarkt, die nun von den Zuwanderen besetzt werden könnten, schwärmte. Hier geht es nicht mehr um eine Poilitk Vernunft, sondern um eine Politik der guten Moral.

Wer Politik so begründet wie Merkel und ihr Adlat, handelt klar nach gesinnungsethischen Gesichtspunkten, oder anders ausgedrückt: Die von der Kanzlerin und ihren Angestellten in der Regierung ausgerufene Willkommenskultur ist das Paradebeispiel für eine Politik, die gesinnungsethisch begründet wird. Gesinnungsethik wird in der Wikipedia wie folgt definiert:[3]

„Die Gesinnungsethik ist ein Typ moralischer Theorien, der Handlungen nach der Handlungsabsicht und der Realisierung eigener Werte und Prinzipien bewertet, und zwar ungeachtet der nach erfolgter Handlung eingetretenen Handlungsfolgen. Auch Gesinnungsethiker müssen jedoch vor ihren Handlungen die erwarteten Handlungsfolgen gründlich und angemessen beurteilen und in ihr Urteil über eine moralisch richtige Handlung einbeziehen. (…). Weber definierte die Gesinnungsethik dahingehend, dass ,der Eigenwert des ethischen Handelns […] allein zu seiner Rechtfertigung genügen soll’.“

Heilsarmee der Gut-Gesinnten

Kein Mensch, der aus einem bestimmten Glauben oder aus einer bestimmten Überzeugung heraus sein Leben gestaltet oder Politik betreibt, ist mit dem Begriff „Gesinnungsethik“ pauschal zu kritisieren, aber – das ist in der oben zitierten Passage auch schon ausgesagt – letztendlich muss sich jeder, der „gesinnungsethisch“ denkt und handelt, daran messen lassen, welche Folgen seine auf bestimmten ethischen Prinzipien beruhendes Denken und Handeln hat.

Gut sein aus Prinzip ohne Abschätzung der Folgen kann sich die Leitung einer Außenstelle der Heilsarmee leisten, nicht die Kanzlerin des immer noch wirtschaftsstärksten europäischen Staats. Man wird sehen, wie die CDU sich in Zukunft zu den Folgen der Entscheidungen ihrer gesinnungsethischen Führung stellen wird.

Die politische Bühne ist nur eine Seite der Medaille, die Auswirkungen in die Gesellschaft hinein sind ebenso zu beachten. Die gesinnungsethische Einstellung der Berliner Regierung in der Flüchtlingspolitik hat, unterstützt von einer breiten Willkommenskampagne im öffentlich-rechtlichen wie im privaten Fernsehen und in den Printmedien, ohne Zweifel einen breiten Widerhall in Teilen der deutschen Bevölkerung gefunden. Viele Bürger, die sich in der Willkommenskultur engagieren, denken nicht weiter über die Folgen einer weiteren ungebremsten Zuwanderung nach (auch wenn die Silvester-Ereignisse in Köln und anderen deutschen Städten einigen Bürgern doch Denkanstöße gegeben haben).

Falls die möglichen bzw. sehr wahrscheinlichen Folgen dieser Politik überhaupt zur Kenntnis genommen werden, dann werden sie oft von diesen Gut-Gesinnten als beherrschbar und ungefährlich für das Gemeinwesen angesehen. Die Diskussionen darüber, welche Folgen eine Politik mit Vorrang der Gesinnung und Moral haben kann, sind deshalb schon schwierig genug, können die Anhänger einer verantwortungsethischen Einstellung (um den Gegenbegriff zu nennen) meistens nur über angenommene negative Entwicklungen in der Zukunft argumentieren. Aber das ist alles noch im Rahmen einer demokratischen Diskussionskultur.

Gemeinschaft der Anständigen?

Es ist aber in den Teilen der Gesellschaft, die noch über politische Fragen diskutiert, eine seltsame Gemengelage entstanden. Für manche, die in der Diskussion über die Flüchtlingspolitik ihrer ethischen Einstellung den Vorrang lassen, sind ihre daraus abgeleiteten politischen Positionen nicht mehr zu hinterfragen: man ist gutgesinnt und hat deshalb die Wahrheit in Besitz.

Die sich daraus ergebende neue Intoleranz, wird für unser Gemeinwesen gefährlich. Man erkennt in den wenigen Gesprächen, die noch darüber geführt werden können, sehr schnell einen moralischen Scharfmacher, der auch nur eine Infragestellung der von Deutschland vertretenen Politik als Angriff auf die Menschenrechte, ja auf die Menschlichkeit allgemein interpretiert. Die Gesinnungsethik entgleist hier völlig und schwenkt in ein intolerantes, geradezu totalitären Verhalten ab.

Für solche Zeitgenossen entscheidet die ethisch richtige Gesinnung eines Mitbürgers darüber, ob er sich noch zur Gemeinschaft der Anständigen, ja ob er sich überhaupt noch zur menschlichen Gemeinschaft zählen darf. Diese Entwicklung hat sich mit zunehmender Dauer der Flüchtlingskrise verschärft. Nachdem an Silvester klar wurde, dass die Folgen einer falschen Zuwanderungspolitik durchaus schnell eintreten können, kam es in einer Gegenreaktion eher zu einer verschärften Kritik an den Kritikern der Flüchtlingspolitik.

Ein gutes Beispiel für eine sich aufbauende aggressive Haltung der Gut-Gesinnten gegenüber Andersdenkenden ist ein Elaborat, das die Journalistin Mely Kiyak im Februar in der „Zeit“ veröffentlichen konnte.[4] Vordergründig geht es um die Feindseligkeiten eines „Mobs“ gegenüber Flüchtlingen in Clausnitz, die nach Ansicht Kiyaks falsche Reaktion der Polizei und die „wohlfeilen Beileidskundgebungen“ der etablierten Politiker danach auf Twitter, für die Kiyak nur Verachtung übrig hat.

Alleredings sind nach Kiyaks Meinung ein Drittel der deutschen Bevölkerung der Meinung, dass in Clausnitz richtig mit den Flüchtlingen umgegengen wurde. Nach ihrer Wortwahl waren in Clausnitz „Rechtskonservative“ bzw. „besorgte Bürger“ in Aktion, und diese raumgreifenden Bezeichnungen zeigen auch, wie der Artikel aufzufassen ist: als Angriff nicht nur gegen die Blockierer in Clausnitz, sondern gegen alle, die, wie differenziert auch immer, Zuwanderung kritisch sehen und das auch schon offen geäußert haben:

„Wie gern würde man angesichts brennender Asylunterkünfte mal einen O-Ton von Thilo Sarrazin hören, der doch dem Salonrassismus in Deutschland den Boden bereitet hat. Oder von Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel. Oder Hans-Werner Sinn. Oder Botho Strauß, Safranski, Sloterdijk, alles Herrschaften, denen das finanziell, politisch, kulturell, demographisch alles zu viel wird mit den Flüchtlingen. Wieso geht keiner raus und klingelt bei Heinz Buschkowsky, und fragt, was er angesichts der brennenden Heime empfindet?“

Auskotzen falscher Unterstellungen

Kommentierender Journalismus als das Auskotzen falscher Unterstellungen, das ist offenbar der neue Level der „Zeit“, in der Kiyaks Pamphlet veröffentlicht werden durfte. Und kein Kritiker der aktuellen Politik wird geschont, Kiyak wendet sich auch „gegen das rechtspopulistische Geschwätz von Julia Klöckner oder Boris Palmer“. Auch im Fall des Letzteren war die Gesinnungsprüfung negativ, da heutzutage eine Mitgliedschaft bei den Grünen kein Persilschein mehr dafür ist, vom Vorwurf des Rechtspopulismus loszukommen.

Es spielt natürlich keine Rolle, dass alle Genannten weder in Clausnitz oder sonstwo Zufahrten von Flüchtlingsheimen blockiert haben noch dass sie zur Gewalt gegen Zuwanderer aufgerufen haben. Warum sollte man auch differenzieren? Das schwächt nur die eigene Position. Es geht gegen alle, die es wagten und wagen, sich der bisher durchgeführten Politik auch nur verbal entgegen zu stellen. Die schlichte Formel lautet: Wer gegen die Zuwanderung ist, ist ein potenzieller Gewalttäter gegen Flüchtlinge.

Es ist Gesinnung pur, und leider festigt sich der Eindruck beim Lesen des Artikels, dass bei Mely Kiyak die Ethik inzwischen auf der Strecke geblieben ist. Für die Journalistin ist es nämlich Zeit für „Notstandsgesetze“:

„Man kann gegen Rechte, die seit Jahren Terror ausüben, nicht labern, schreiben und argumentieren, man muss Politik und Gesellschaft gestalten! Wenn es sein muss, mit Notstandsgesetzen gegenüber einem enthemmten und entfesselten Mob. Man muss Kundgebungen vor Asyleinrichtungen und Asylbewerbern verbieten. Telefone von Pegida-Demonstranten und anderen rechtsradikalen Vereinigungen müssen abgehört werden. Vor jede Asylunterkunft gehören Polizisten, die zum Schutz der Flüchtlinge potenzielle Straftäter abschrecken.
Wir brauchen sofort Gesetze, die es jedem Flüchtling in Deutschland ermöglichen, sich frei zu bewegen. Sie sollen mit einem Kontingent an Fahrkarten, Taxigutscheinen, SIM-Karten und Internetguthaben ausgestattet werden. Sie sollen nicht das Gefühl haben, dass sie gefangen sind, und sie sollen nicht das Gefühl bekommen, dass man sie unbestraft jagen kann. Das alles kostet nicht viel Geld und wäre eine Geste tausendmal praktischer und lebensnaher als jeder zügig formulierte Tweet aus einem bequemen, überheizten Büro.“

Kann es sein, dass die Journalistin mit Migrationshintergrund, die 1998 deutsche Staatsbürgerin wurde, tatsächlich nicht weiß, welche politischen Kräfte in der Vergangenheit in Deutschland über Notstandsgesetzen ihre Macht etabliert haben? Wohl kaum, sonst wäre diese peinliche Entgleisung nicht passiert.

Aber Kiyak steht mit ihrer Aggressivität und Intoleranz nicht allein, bis tief in die deutsche Gesellschaft sind die Tendenzen zu verhärteten Fronten in der Frage der Flüchtlingspolitik spürbar. Die Wut auf Andersdenkende, die es auch nur wagen, Argumente gegen die herrschende Flüchtlingspolitik vorzubringen, grassiert nicht nur im journalistischen Überbau.

Gesinnungsterror in der Schule

So berichtet ein Schüler aus einem württembergischen Gymnasium im Online-Portal „Achse des Guten“ über den dortigen Umgang mit der Meinungsfreiheit speziell zum Thema „Flüchtlinge“. Man könnte seinen Beitrag auch „Praktizierte Gesinnungsethik in der Schule“ nennen:

„Generell wird hier gelehrt, der böse amerikanische Kapitalist sei Schuld an allem Übel der Menschheit. Außerdem, dass Waffenexporte aus Deutschland die Kriege auslösen und ‚wir‘ selbst schuld an ‚den Fluchtursachen‘ seien, was Deutschland moralisch zur Aufnahme aller Flüchtlinge verpflichte.
In einer Ethikstunde wurde von einer Lehrerin erzählt, sie habe wirklich Angst davor, dass rechtsradikale Parteien wie die AfD, die ja Flüchtlingskinder erschießen wollten, durch Angst und Verblendung deutscher Bürger an die Macht kämen. Auf die Frage, was sie, wenn die deutsche Grenze illegal übertreten werde, tun würde, sagte sie lapidar, die Grenze werde nicht illegal überschritten und Waffen seien nie eine Lösung.
Als ich sie auf die mittlerweile in Deutschland verloren gehende Meinungsfreiheit hinweisen wollte und hinzufügte, dass es meiner Meinung nach kaum eine große Tageszeitung mehr gibt, die unvoreingenommen berichtet, mal ganz zu schweigen von staatlichen Medien, wurde ich von meiner Lehrerin lauthals darüber aufgeklärt, dass meine Aussagen die eines „fetten Arschlochs“ seien und ich doch keine Ahnung hätte, was Meinungsfreiheit bedeutet.
Diese Auseinandersetzung zog sich, mit immer bizarreren Aussagen der Lehrerin, noch über eine ganze Doppelstunde hin, mit dem Ergebnis, dass sich meine mündliche Ethiknote sowie meine Verhaltensnote massiv verschlechtert haben. Die Lehrerin ließ mich wissen, sie sei ,maßlos von mir enttäuscht’.
(…).
Egal, welches Fach man betrachtet. Sei es die Lateinstunde, in der der Lehrer die AfD als ,Vollidioten’ betitelt oder die Englischlehrerin, die behauptet, es gebe eine Katastrophe, wenn die AfD ,an die Macht’ kommt.
Überall wird versucht, die Schüler zu beeinflussen und ihnen zu erklären, dass die AfD die Verkörperung allen Übels sei. Man muss als sich als Schüler im Jahre 2016 um seine Noten, sowie seinen Stand bei den Mitschülern Sorgen machen, wenn man nicht dem kollektiven Mainstream folgt.“

Blockwarte der political correctness

Die Reaktion der „maßlosen Enttäuschung“ bis hin zur Beschimpfung, die hier dem Schüler widerfährt, hat ihre Entsprechung auch in Gesprächen außerhalb der Schule, auch unter Erwachsenen.

Da Meinungen und Argument in einer politischen Kultur, in der die Gesinnungsethik den Vorrgang hat, durch einen Gut-Böse-Filter gehen und die eigene Meinung als „gut“ bewertet wird, hat der Gegenüber nicht nur eine andere, sondern eine „böse“ Meinung. Die Diskussion wird dadurch immer emotional. Die Angriffe derjenigen, die sich auf der moralisch richtigen Seite stehend ansehen, gehen über kurz oder lang auf die Person.

Ein solcher Angriff kommt in aller Regel ohne sachliche Argumente aus. Mit einem argumentum ad hominem statt ad re, das hatteschon im vorletzten Jahrhundert der Philosoph Schopenhauer gut erkannt (Die Kunst, Recht zu behalten), kann man Gegnern sehr viel leichter beikommen. Überhaupt, so der Denker, sei es kürzer, statt einer langen Auseinandersetzung der wahren Beschaffenheit der Sache, ein argumentum ad hominem zu geben, wenn es sich darböte.

Die Vorhehensweise kosmopolitischer Multikulturalisten bzw. ihrer schlimmsten Ausformungen in Gestalt der deutschen Blockwarte der political correctness ist deshalb jedes Mal sehr simpel: Man reißt, ohne auch nur den geringsten Versuch, duchdachte Gegenargumente darzubieten, Aussagen des Gegners aus dem Zusammenhang, übergießt sie mit brauner Soße, indem man eine Nähe zu rechtspopulistischen oder gar gleich rechtsextremen Hetzern behauptet, und versucht über diese Stigmatisierung als „Feind der Demokratie und Menschlichkeit“ den Gegner von Vornherein aus jeder politischen Diskussion zu verbannen. Kommt man dem Gegner sonst nicht bei, wird ihm zumindest eine „menschverachtende“ Einstellung vorgeworfen.

Die Aggressivität gegenüber den Kritikern an einer Politik, die mit aller Kraft dem Guten zugewandt ist, geht einher mit einer oft anzutreffenden Verharmlosung der Folgen der aktuellen Politik. Schon die Äußerungen mancher Befürworter der Flüchtlingspolitik bis zu Jahreswende 2015 über die Möglichkeit der Integration so vieler Menschen, die zumeist aus einer völlig fremden Kultur kommen, über ihre Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, hatten wenig mit der Realität zu tun, zeugten von einer fehlerhaften Wahrnehmung der Realität.

Man hat den Eindruck, nach den Silvesterereignissen in Deutschland kommt es bei einigen der ganz unbeugsamen Zuwanderungsbefürwortern zur schlichten Realitätsverweigerung, so z. B. beim SPIEGEL-Mitbesitzer Jakob Augstein. In einer Rezension der Maybritt-Illner-Talkshow vom 25.02.2016, in der auch Jakob Augstein zu Gast war, kommentiert der Journalist Hanfeld[5] nicht nur die Äußerungen Augsteins in dieser Sendung, sondern gibt auch ein Facebook-Posting des linken Moralisten wider, in dem die Kölner Ereignisse mit den Vorgängen in Clausnitz verglichen werden, aber Augstein zum Ergebnis kommt, dass Clausnitz schlimmer gewesen sei, da es in Köln nur ganze zwei Anzeigen wegen Vergewaltigung gegeben hätte.

Augsteins Gesinnungs-Diktat

Deutlich ist angesichts solch einer Verharmlosung schlimmster Gewalttaten in Köln die Ratlosigkeit des kommentierenden FAZ-Journalisten zu spüren, die sich aber noch steigert, wenn er dann die weiteren Begründungen des linken Journalisten Augstein für diese Einschätzung aufführt:

„Die Opfer von Köln waren ihren Tätern im unmittelbaren Moment der Tat unterlegen. Jene Frauen waren ohnmächtig und hilflos genau in dem Augenblick, als sie bedrängt und bestohlen wurden. Sie waren davor und danach ihren Tätern weit überlegen. Den Opfern von Clausnitz geht es anders: Sie sind ihren Tätern vor der Tat unterlegen, sie sind es während der Tat und sie werden es hinterher sein. Sie sind immer unterlegen. Der Rechtsbruch von Köln brachte für einen kurzen Moment einen Bruch der Hierarchie mit sich, eine Umkehr der wahren Machtverhältnisse. Das liegt daran, dass in diesem kurzen Moment das Verhältnis zwischen Opfer und Täter auf die Maßeinheit der physischen Fähigkeit reduziert war. In ungefähr allen anderen Hinsichten waren und sind die Opfer von Köln ihren Tätern überlegen: Sprache, Staatsangehörigkeit, Bildung, sozialer Status, Vermögen, Rechtssicherheit, Selbstbewusstsein …“

Hanfeld schreibt dann auch in seiner FAZ-Rezension, wobei seine größte Sorge immer noch der dadurch ausgelöste Zulauf zur AFD zu sein scheint:

„Es sind Überlegungen wie diese, denen man anmerkt, dass der Autor über eine Seite der Medaille unbedingt, über die andere aber gar nicht reden und auch von anderen dazu nichts hören will, welche die Atmosphäre vergiften. Dahinter steckt der Versuch, den Leuten ein X für ein U vorzumachen und einzureden, dass der nackte König die tollsten Klamotten anhat. Nichts beschert der AfD und ihren Konsorten mehr Zulauf als eine solche Attitüde.“

Die zitierte Passage aus Facebook könnte nicht einmal mehr als misslungene Satire durchgehen, sie ist völlig inakzeptabel und skandalös. Es stellt die Täter als eigentliche Opfer dar und verhöhnt so die wirklichen Opfer der Silvesternacht. Wer so etwas schreibt, hat sich derart fest in bestimmte Gesinnungen verrannt, dass er Gegenargumenten nicht mehr zugänglich ist. Jeder Beitrag eines deutschen Journalisten, in dem aus einer rechtsextremen Gesinnung heraus eine entsprechende Relativierung der Taten von Rechtsextremisten vorgenommen würde, würde zur gesellschaftlichen Ächtung in der Bundesrepublik führen, aber Jakob Augstein wird wohl weiter in deutschen Talkshows eingeladen werden.

Es bleibt der traurige Befund, dass in Deutschland Politik, Journalismus und auch ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung eine gesinnungsethische Einstellung haben, die sich nicht mehr an den zukünftigen Folgen der aktuellen Politik orientiert. Zumindest in der Flüchtlingskrise wird In den meisten anderen europäischen Ländern verantwortungsethisch gehandelt, in Deutschland ist offenbar auch nach den für die Regierungsparteien krachend verlorenen März-Wahlen so etwas nicht zu erwarten.

„Staaten ohne Grenzen sind keine Staaten“

Die Verantwortungsethik wurde von Max Weber als eine Ethik des Handelns definiert[6], die nach den tatsächlichen Ergebnissen einer Politik fragt und die die Verantwortbarkeit des eigenen Handelns in den Vordergrund stellt. Es gibt durchaus auch Menschen im linken politischen Spektrum, die die Verantwortungsethik als Maßstab des Handelns ansehen. So z. B. der Soziologe Wolfgang Streeck, bis 2014 Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, der in einem Interview mit der Wirtschaftswoche die Vorstellungen einer grenzenlosen Zuwanderungspolitik, wie sie sich im oppositionslosen Bundestag herausgebildet haben, als geradezu staatsgefährdend ansieht:[7]

„Es gibt immer wieder historische Situationen, in denen alte Begriffe neu sortiert werden müssen. Politik ist die Einrichtung, Durchsetzung und Verteidigung einer gerechten sozialen Ordnung. Was als gerecht gelten und akzeptiert werden kann, ändert sich laufend und muss immer wieder neu ausgefochten werden. Dafür gibt es Demokratie. Klar ist für mich, dass eine in diesem Sinne gerechte Ordnung nicht einen völlig freien Markt bedeuten kann, auch nicht für Zuwanderung. Märkte und soziale Verhältnisse insgesamt müssen reguliert werden – gerecht reguliert. Das einzige Instrument, das wir bisher gefunden haben, um eine moderne gerechte Ordnung einzurichten und zu verteidigen, ist der demokratische Staat, dessen Regierungs- und Regulierungsfähigkeit deshalb unter allen Umständen verteidigt werden muss.

Auch gegen die Sentimentalität derer, die glauben, dass Politik darin besteht, jeden unbesehen aufzunehmen, der an unsere Tür klopft. Staaten ohne Grenzen sind keine Staaten mehr, weil sie unregierbar sind.“

Dieses Verständnis von den Aufgaben der Politik in einem demokratischen Staat im Allgemeinen und dem Umgang mit der Flüchtlingsthematik im Besonderen ist von der Realität geprägt, die überwiegende Mehrheit der Bundesbürger ist mit dieser Einschätzung sehr wahrscheinlich einverstanden. Für die gesinnungsethische Regierungsmehrheit und ihre Null-Opposition in Berlin rückt man mit solchen Aussagen wohl in die Nähe des Rechtspopulismus.

 

Anmerkungen

[1] http://www.tagesspiegel.de/politik/angela-merkel-ueber-fluechtlinge-eine-frage-der-menschenwuerde/12719560.html

[2] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/10/29/merkel-will-weiter-fluechtlinge-in-grosser-zahl-aufnehmen/

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Gesinnungsethik

[4] http://www.zeit.de/kultur/2016-02/clausnitz-rassismus-reaktion-afd-twitter

[5] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tv-kritik/in-der-talkshow-von-maybrit-illner-wird-angela-merkel-ein-weiteres-mal-angezaehlt-14091584.html

[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Verantwortungsethik

[7] http://www.wiwo.de/politik/deutschland/wolfgang-streeck-in-jedem-einwanderungsland-entstehen-enklaven/13304226.html

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