Bei Oskar und Sahra sieht links rot

Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht sind als Duo infernale immer im Fadenkreuz der Linken. Vor allem, wenn sie sich auf so vermintes Gelände begeben, wie dieser Tage.

Ihr Verhältnis ist längst ein pathologisches. Ihr Verhältnis ist längst ein pathologisches. Je länger es die Linke mit Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht aushält, desto tiefer sinkt die Reizschwelle, ab der die Lust zur Empörung und Zurechtweisung ihrer populärsten Protagonisten sich enthemmt Bahn bricht.

Inzwischen genügt schon ein Satz, irgendwo beiläufig dahingesagt, eine flüchtig dahingeworfene Allerweltsmeinung, um einen Aufschrei zu provozieren: „Wer Gastrecht missbraucht, der hat sein Gastrecht dann eben auch verwirkt“, sagte Wagenknecht nach den sexuellen Übergriffen durch Ausländer in der Kölner Silvesternacht. Eigentlich logisch, oder? Aber keineswegs bei der Linken!

Ist Lafontaine wie al-Qaradawi?

Nicht nur von den sogenannten Reformern der Partei wurde sie öffentlich angegangen. Fast die gesamte Bundestagsfraktion ging mit ihr ins Gericht. Nur weil einer Frauen an die Wäsche geht, darf er nach Ansicht der Linken-Fraktion noch lange nicht abgeschoben werden. Das sagen sogar in der Wolle gefärbte Feministinnen. Auch medial gab’s für Wagenknecht was hinter die Ohren. „Die Rechte unter Linken“, schalt sie tags drauf die „taz“.

Auch medial gab’s für Wagenknecht was hinter die Ohren. „Die Rechte unter Linken“, schalt sie tags drauf die „taz“ , die erst wenige Tage zuvor einen Auftritt ihres Ehemannes Lafontaine beim Jahresauftakt der Linken, der den Kapitalismus als Ursache der weltweiten Fluchtbewegungen ausmachte, mit der Zeile schmückte: „Oskar und die Selbstmordbomber“[1]. Darin fragte der Autor: „Hatte Oskar Lafontaine gerade Selbstmordattentate legitimiert?“ Und antwortete sich dann selbst: „Doch, er hat.“

Unvorstellbar, oder? Sollte Lafontaine es etwa dem islamistisch verblendeten ägyptischen Predigerstar Jusuf Abdallah al-Karadawi gleichtun? Der tönt seit anderthalb Jahrzehnten in zahlreichen Interviews und Fernsehsendungen, Selbstmordattentate seien durchaus gerechtfertigt.

Jedenfalls ist auch Linken-Chef Bernd Riexinger alarmiert. „Islamischer Fundamentalismus und Terrorismus haben vielschichte Ursachen. Wir geben uns aber nicht mit einfachen Antworten zufrieden“, sagte er und fügte hinzu, ohne jedoch Lafontaine beim Namen zu nennen: „Gewalt gegen unschuldige Zivilisten als Reaktion auf Unterdrückung ist nicht legitim.“

Der Kapitalismus und der Krieg

Im Internet kursiert ein Video, in dem die inkriminierte Passage[2] mit Lafontaine zu hören ist. Kurz davor zitiert er den zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts von Nationalisten ermordeten französische Sozialist Jean Jaurès, der gesagt hatte: „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.“

Dafür gab’s reichlich Beifall. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn erstens gibt’s für Angriffe gegen den Kapitalismus bei der Linken reflexartig Applaus, zweitens ist die Kriegs-Theorie verbrieftes sozialistisches Gedankengut.

Lenin schrieb später in „Sozialismus und Krieg“, es sei unmöglich, „die Kriege abzuschaffen, ohne die Klassen abzuschaffen und den Sozialismus aufzubauen“. Allerdings unterschied er erstmals zwischen „gerechten“ und „ungerechten“ Kriegen. Gerecht bzw. „fortschrittlich“ waren, wen wundert’s, die gegen Kapitalismus und Absolutismus gerichteten Kriege.

Über Jean Jaurès führte Lafontaine die versammelte linke Parteiprominenz nun nach Rom und schloss als einstiger Jesuitenschüler aus Saarlouis „den Bischof in Rom“ in die Arme. Papst Franziskus habe gesagt, „dieses System“ müsse Krieg führen, um zu überleben. Stimmt. Wörtlich sagte der Papst im Juni vergangenen Jahres der spanischen Zeitung La Vanguardia[3]:

„Ich glaube, wir sind in einem Weltwirtschaftssystem, das nicht gut ist. (…) Wir haben das Geld in den Mittelpunkt gestellt, den Geldgott. Wir sind in den Götzendienst des Geldes verfallen. Wir schließen eine ganze Generation aus, um ein Wirtschaftssystem aufrecht zu erhalten, das nicht mehr zu ertragen ist. Ein System, in das Krieg führen muss, um zu überleben. (…) Aber weil man keinen Dritten Weltkrieg führen kann, führt man eben regionale Kriege.“

Was ist Terror?

Auf den Spuren des Papstes wanderte Lafontaine vom Krieg zum Terror, kramte eine Terrorismus-Definition aus deutschen Gesetzestexten hervor: „Terrorismus ist die rechtswidrige Anwendung von Gewalt, um politische Ziele durchzusetzen“, sagte er und folgerte, demnach sei George W. Bush einer der größten Terroristen, weil er rechtswidrig in den Irak einmarschiert sei. Auch das kam prima an. So mancher konnte sich das Lachen nicht verkneifen.

Schließlich verurteilte Lafontaine die Anschläge in Frankreich. Er sagte, es seien aber nicht irgendwelche Syrer gewesen, die dort gemordet hätten, sondern Franzosen aus den Banlieus seien die Terroristen. „Und trotzdem gehen sie hin und bombardieren Syrien. Das ist eine große Schande. In Syrien kommen tagtäglich 200 Menschen um (…) Wann begreift die politische Klasse endlich, dass auch die Mütter in Damaskus und in Rakka um ihre Kinder weinen…“, sagte Lafontaine.

So weit, so gut – oder auch nicht. Je nachdem, wie man’s sieht. Doch dann versuchte er sich in einer Begriffsdefinition. „Was ist Terrorismus?“, fragte er und landete unerwartet bei Peter Ustinov. Es wurde still.

Da hat es Bumms gemacht

„Und deshalb ist es gut, dass Peter Ustinov das auf eine ganz kurze Formel gebracht hat. Er sagte: Terrorismus ist der Krieg der Armen. Und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen“, rief Lafontaine. „Und wir müssen das immer wieder sagen: Was sollen die Armen denn machen im Vorderen Orient, die seit Jahren dem Kolonialismus ausgesetzt sind? Sie haben keine Bomben, sie haben keine Raketen, sie haben keine Heere, die sie auf den Weg bringen können, um ihre Interessen zu wahren – und dann greifen sie zum Selbstmordattentat. Das zeigt doch die ganze Perversion unserer Weltordnung, dass sich Menschen nur so noch wehren können“, ereiferte sich die einstige Gallionsfigur der Linken und trat wutschnaubend auf jene Mine, die dann in besagte Zeitungsüberschrift detonierte: „Oskar und die Selbstmordbomber“.

Da hat es Bumms gemacht. So etwas lässt sich die Linke halt nicht entgehen …

 

Anmerkungen

[1] http://www.taz.de/!5265177/

[2] www.youtube.com/watch?v=bfrI8J4faLM

[3] http://www.domradio.de/themen/papst-franziskus/2014-06-13/papst-franziskus-gibt-erneut-interview

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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