Regierung streitet über Asylgesetze

Nach den Silvester-Ereignissen in Köln streitet die Koalition, wie sie künftig mit straffälligen Ausländern umgeht. Das Personal in Flüchtlingsheimen soll besser geschult werden.

In der Koalition hat die CDU eine Debatte über weitere Verschärfungen der Asylgesetze vom Zaun gebrochen. Anlass sind zum einen die sexuellen Übergriffen in mehreren Städten, zum anderen die Erkenntnis, dass der am vergangenen Donnerstag bei einem Angriff in Paris erschossene IS-Attentäter in einer Asylbewerberunterkunft in Recklinghausen gewohnt hatte.

Nach einer Debatte über die der sexuellen Übergriffe verabschiedete der CDU-Bundesvorstand am Samstag im Anschluss an eine Klausurtagung in Mainz eine entsprechende Erklärung. Darin fordert er, dass Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge schon bei einer Verurteilung zu Bewährungsstrafen der Schutzstatus entzogen werden soll. CDU-Chefin Angela Merkel sagte, der Staat müsse entschlossen auf die „widerwärtigen, kriminellen Übergriffe“ reagieren. Sie rechne mit einer schnellen Verständigung mit der SPD, auf welche Gesetzesinitiativen man sich einigen könne.

Angesichts der Ereignisse in Köln sagte Merkel: „Das ist ein außerordentlich sensibler Bereich.“ Die Vorfälle seien erst nach und nach bekanntgeworden. Viele Menschen hätten deshalb das Gefühl, ihnen solle etwas verschwiegen werden. Straftaten müssten aber unabhängig von der Nationalität der Opfer und Täter konsequent verfolgt werden. Wo Gesetze nicht ausreichten, müssten sie verändert werden.

SPD ist solidarisch mit den Schutzsuchenden

Zwar signalisierten die Sozialdemokraten Gesprächsbereitschaft, äußerten aber auch deutliche Kritik am Verhalten der CDU. Unter anderen warf der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner der CDU ein Art Täuschungsmanöver vor. Sie formuliere neue Forderungen und blockiere gleichzeitig in der Koalition bereits vereinbarte Regelungen. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka, wies auf die Grenzen hin, die etwa die Genfer Flüchtlingskonvention und die Richtlinien der EU bei der Abschiebung den nationalen Gesetzgebungsplänen setzten.

„Unsere Solidarität gilt den 99,9 Prozent der Flüchtlinge, die hier Schutz vor Verfolgung suchen und null Toleranz denen, die straffällig werden. Das ist unser Grundsatz“, sagte Stegner.  Und er fügte hinzu: „Bevor die CDU weitere Verschärfungen der Gesetze fordert, sollten wir die vielen Dinge umsetzen, die wir in der Koalition bereits vorbereitet haben. Mir ist unverständlich, dass immer noch vieles nicht umgesetzt wird. Und das liegt nicht an der SPD.“

Als Beispiel nannte Stegner den Entwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts von Justizminister Heiko Maas aus dem vergangenen Sommer. „Dieser Vorschlag der SPD wird bis heute von der CDU blockiert, weil das auch Eheleute betreffen kann“, sagte der SPD-Vize. In dem Gesetzentwurf werde klar geregelt, dass schon die Androhung einer Gewalttat für eine Verurteilung ausreiche.

„Bevor ich nach neuen und schärferen Gesetzen rufe, sollten wir doch erst einmal das umsetzen, was schon vereinbart ist.“ So etwas scheitere „nie“ an der SPD. Die CDU hingegen versuche den „falschen Eindruck“ zu erwecken, dass eine härtere Strafverfolgung mit der SPD nicht möglich sei. „Wer im Stundentakt Gesetzesverschärfungen fordert, aber nicht umsetzt, was vereinbart worden ist, der dient dem Land nicht. Und bei der Umsetzung dessen, was bereits vereinbart ist, ist bei der Union noch Luft nach oben“, sagte Stegner.

„Wettbewerb der Presseerklärungen“

Er kündigte an , die SPD werde sich den aktuellen CDU-Vorschlag im Detail anschauen. Letztlich sei es doch aber so, dass die Politik auf den Strafrahmen, den die unabhängigen Gerichte dann festsetzten, wenig Einfluss habe. „Außerdem haben wir ja schon im ersten und zweiten Gesetzes-Paket, in denen wir die Asyl-Bestimmungen verschärften, Dinge vereinbart, die zu einer schnellen Beendigung und zur Abschiebung führen, wenn ein Flüchtling straffällig wird“, so Stegner. Er sei nicht für einen „Wettbewerb der Presseerklärungen“. Vielmehr sei die SPD willens, „in der Substanz zu tun, was nötig ist“.

Gleichzeitig verwahrte er sich gegen eine pauschale Kriminalisierung der in Deutschland Schutz suchenden Flüchtlinge. „So wie es falsch ist, Straftaten von Flüchtlingen zu verheimlichen, so falsch ist es, Asylbewerber generell unter Verdacht zu stellen“, sagte der SPD-Vize mit Blick auf die Vorschläge des CDU-Vorstandes. „Leider laufen Teile von CSU und CDU Gefahr, genau das im Wettbewerb mit der AfD zu tun. Das ist falsch, und dem werden wir uns auch entgegenstellen.“ Wer Straftaten begeht, der wird bestraft, egal, ob er Deutscher oder nicht Deutscher ist.“

Im vergangenen Sommer hatte die Koalition bereits das Ausweisungsrecht geändert. Seither gibt es eine Einzelfallprüfung, bei der das Ausweisungsinteresse des Staates gegen die Interessen des Betroffenen abgewogen werden muss. Die Koalition einigte sich auf eine „Vermutungsregel“, wonach bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr das Ausweisungsinteresse überwiegt, bei einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren ist das Ausweisungsinteresse demnach zwingend.

„Das Ausweisungsrecht kann hier nicht ohne weiteres als eine Art Blaupause für die Änderung der Abschieberegelung dienen“, sagte SPD-Innenexperte Lischka. Denn die die Genfer Flüchtlingskonvention schreibe vor, dass jemand nur dann in sein Herkunftsland abgeschoben werden könne, wenn er ein Verbrechen begangen habe. Das heißt, er muss in Deutschland zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden sein oder sich eines besonders schweren Vergehens schuldig gemacht haben.

„Der Vorschlag der CSU, hier eine Strafe von 90 Tagessätzen als Maßstab zu nehmen, wird kaum mit der Genfer Flüchtlingskonvention in Einklang zu bringen sein“, mein Lischka. Der CDU-Vorschlag, Flüchtlinge schon mit einer Bewährungsstrafe abzuschieben, führe folglich in einen juristischen Graubereich.

Abschiebung wegen Trunkenheitsfahrten?

„Ich nenne mal ein Beispiel: Wenn jemand drei oder viermal wegen wiederholter Trunkenheitsfahrten erwischt wird, bekommt er eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Nun frage ich: Ist das ein besonders schweres Vergehen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und somit ein Ausweisungsgrund?“, fragt Lischka und fügt hinzu: „Ich wage das zu bezweifeln.“ Mit ihren Vorschlägen wage sich die CDU in ein „juristisch vermintes Gelände“, die Sachlage sei „sehr viel komplizierter als in so manchen Papieren zum Ausdruck kommt“, sagte der SPD-Innenpolitiker.

Angesichts der Nachricht, dass der in Paris erschossene IS-Attentäter in Deutschland Asyl beantragt und in einer Flüchtlingsunterkunft in Recklinghausen das Zeichen des IS an die Wand gemalt hatte, forderte Lischka eine Qulifizierung des hauptamtlichen Personals in den Flüchtlingsunterkünften. „Wir brauchen eine höhere Sensibilität der Mitarbeiter für salafistische Symbolik. Das heißt, wir müssen das hauptamtliche Personal entsprechend schulen. Wenn etwa jemand ein Plakat mit einem grünen Vogel aufhängt, muss das Personal wissen, dass dieses Bild den Wunsch nach einem salafistischen Selbstmord symbolisiert“, sagte er.

Auch der integrationspolitische Sprecher der hessischen CDU, Ismail Tipi, beklagt die mangelhafte Sensibilität für islamistische Umtriebe: „Der Fall zeigt, wie wenig Deutschland die Gefahr des Islamismus erkannt hat“, sagte er. „Alle Sozialpädagogen, Heimleiter, Polizisten, Verwaltungsangestellte und Lehrer müssen spätestens jetzt aufhören die drei Affen zu spielen und offen darüber sprechen, wenn sie Islamisten begegnen. Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen ist angesichts der islamistischen Bedrohung brandgefährlich.“ Sein Parteifreund Ansgar Heveling, Chef des Bundestags-Innenausschusses, fordert gesetzgeberische Maßnehmen. Sympathiewerbung für ausländische terroristische Vereinigungen müsse endlich wieder unter Strafe gestellt werden.

Unser Newsletter – Ihr Beitrag zur politischen Kultur!

Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

// require user tracking consent before processing data _paq.push(['requireConsent']); // OR require user cookie consent before storing and using any cookies _paq.push(['requireCookieConsent']); _paq.push(['trackPageView']); [...]
×