Wie viel Höcke steckt in der AfD?

Wie stark ist die AfD wirklich? Laut einer Forsa-Analyse wandelt sich die Partei. Sie wird primär ostdeutsch und männlich. Die AfD-Spitze weist das zurück. Sie fürchtet Höcke als Konkurrenten.

Verwirrender geht’s kaum. Die einen, wie die Demoskopen von INSA sehen die AfD im Aufwind. Bei ihnen steigt die Partei bundesweit erstmals auf 10,5 Prozent. In anderen Umfragen hingegen geht es mit der Partei deutlich abwärts. In der wöchentlichen Emnid-Erhebung für die „BamS“ sinkt sie um einen Punkt auf nur noch sieben Prozent. Dort sehen sie auch die Meinungsforscher vom Institut für Demoskopie Allensbach. Außerdem heißt es, die AfD verliere ihren Rückhalt im Westen. Sie sei im wesentlichen „ostdeutsch, männlich und pessismistisch“, konstatiert das Meinungsforschungsinstitut Forsa, das seine Daten im Auftrag der „FAS“ erhob.

Aber nicht nur den Demoskopen gibt die aktuelle Lage der AfD Rätsel auf, auch in der Partei selbst könnten die Einschätzungen darüber, wie die Partei zurzeit dasteht und wie sie sich entwickelt unterschiedlicher kaum sein. Während der thüringische Landeschef Björn Höcke und sein brandenburgischer Kollege, AfD-Vize Alexander Gauland, den nationalkonservativen Kurs weiter vorantreiben, mahnt der AfD-Ko-Vorsitzende Jörg Meuthen in der „Welt am Sonntag“: „Mit den Positionen aus Erfurt wären wir in Baden-Württemberg weniger erfolgreich.“ Will heißen: In Westdeutschland sei der von Höcke und Gauland getragene Nationalkult weniger bis kaum vermittelbar. Da aber Höcke und Gauland in der Außendarstellung seit längerer Zeit dominieren, stellt sich die Frage, wie groß ihr Einfluss auf die Entwicklung der Partei ist.

„Typisch rechtsradikal“

Er könnte durchaus groß sein. Denn in der Forsa-Analyse tritt deutlich eine immer stärkere ostdeutsche Prägung hervor. Eingetreten sei dieser Wandel in den vergangenen anderthalb Jahren. Im Mai 2014 seien etwa 18 Prozent der potenziellen AfD-Wähler aus Ostdeutschland gekommen – heute seien es 28 Prozent. Parallel zu dieser Entwicklung sei der Anteil der Männer von 69 auf 72 Prozent, der Anteil der Über-45-Jährigen von 63 auf 71 Prozent gestiegen. Und während sich vor eineinhalb Jahren noch 28 Prozent der AfD-Anhänger politisch als rechts verortet hätten, seien es inzwischen 38 Prozent. Damit ist für Forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner der weitere Weg der AfD vorgezeichnet. Sie sei nicht nur ostdeutsch eingefärbt, sondern weise die „typischen Merkmale einer rechtsradikalen Partei“ auf.

Meuthen und die Vorsitzende Frauke Petry sind sehr darum bemüht, Höckes Bedeutung herunterzuspielen. Obwohl dieser in Erfurt bis zu 8000 Anhänger für seine Demonstrationen mobilisiert, gestehen sie ihm in der gesamten AfD gerade mal „15 bis 20 Prozent Unterstützer“ zu. „Er wird von einigen in der Partei als Bereicherung, von anderen als Belastung angesehen“, sagt Meuthen. Ihr Vorstandskollege Paul Hampel rät zu einer differenzierteren Betrachtung und zu einem gelasseneren Umgang mit Höcke. „Ich erinnere immer gern an die FDP in den sechziger Jahren“, sagt er. „Damals war der national-liberale Erich Mende Vorsitzender, und trotzdem sind diejenigen, die später die sozial-liberale Ära prägten, also Leute wie Gerhart Baum und Burkhard Hirsch, in die Partei eingetreten.“ In der FDP hätten Nationalliberale, klassische Liberale und Linksliberale ihren Platz gehabt. So wie die FDP damals sei die heute die AfD eine pluralistische Partei, in der Konservative, Nationalkonservative und Liberale aller Couleur Platz fänden.

Hampel räumt ein, dass sich die AfD in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich entwickelt: „Ich glaube, dass der Westen vom Osten lernen kann. Dieser Eindruck hat sich bei meinen Besuchen in Ostdeutschland immer mehr verstärkt.“ Aufgrund ihrer Erfahrungen mit der totalitären DDR hätten die Ostdeutschen ein feineres Sensorium dafür, wenn sich Dinge entwickeln, die mit ihrem damaligen Freiheitsanspruch nicht mehr in Einklang zu bringen seien. „Vor allem merken die Menschen im Osten eher als die Menschen im Westen, wenn die Dinge falsch laufen. Wenn sich etwas entwickelt, was unserem Land schadet“, sagt Hampel.

Höcke treibt die AfD

Am Wochenende sprach er zusammen mit Frauke Petry auf einer Demonstration in Mainz. Die Demo in Mainz war der Versuch, den öffentlichen Protest, mit dem die AfD in Ostdeutschland so erfolgreich ist, auf den Westen zu übertragen. Doch letztlich folgten gerade mal 300 hundert Anhänger dem Aufruf der Partei. Ihnen standen über 1000 Gegendemonstranten aus dem linken Lager gegenüber. „Im Westen sind die Länderfürsten einfach zu schwach“, sagt einer aus der Parteiführung, der namentlich nicht genannt werden möchte. „So treibt Höcke die Partei vor sich her.“

Mit der Erfurter Resolution, die eine konservative Ausrichtung der Partei forderte, habe Höcke im März 2015 den Sturz von Bernd Lucke als Parteichef eingeleitet. Dann sei es ihm gelungen, über die Demonstrationen bundesweit die Wahrnehmung der AfD zu beeinflussen. Und zuletzt habe er durch die gemeinsam mit AfD-Vize Gauland präsentierten „Fünf Punkte zu Deutschland“ die inhaltliche Ausrichtung der AfD noch stärker auf die nationale Frage konzentriert. „Er ist dem Bundesvorstand immer einen Schritt voraus“, so das AfD-Führungsmitglied.

Mit ihrem Vorgehen setzten Höcke und Gauland nicht nur die eigenen Parteispitze, sondern vor allem auch die Union unter Druck. Auf dem CSU-Parteitag am Wochenende begründete etwa Parteichef Horst Seehofer seine Forderung nach Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen unter anderem mit dem Erfolg der AfD. Die Union dürfe der rechten Konkurrenz keine Nahrung geben. In Baden-Württemberg reagiert sogar die grün-rote Landesregierung und macht eine Politik gegen die Vorgaben von der jeweiligen Parteiführungen.

Ohne die AfD wäre die NPD stärker

So hält die Linke dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann vor, „keine klare Kante gegen Fremdenfeindlichkeit“ zu zeigen. Vielmehr habe er die Ausweisung weiterer Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ ermöglicht und damit die rassistische Verfolgung von Sinti und Roma in diesen Ländern ignoriert. Damit trage er den Forderungen von rechtsgerichteten Bewegungen wie Pegida und der Alternative für Deutschland (AfD) Rechnung. Auch das Liebäugeln des grünen Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer mit einer Obergrenze für den Flüchtlingszugang sei „Wasser auf die Mühlen rechter Propaganda“.

Erfurts SPD-Oberbürgermeister Andreas Bausewein fordert gar, die AfD müsse geächtet werden. „Die Art und Weise, in der die sogenannte Alternative für Deutschland und insbesondere deren Kampfhund Höcke die Flüchtlingskrise gerade vor dem Hintergrund der fürchterlichen Ereignisse in Paris zu instrumentalisieren versuchen, nimmt immer perfidere Züge an.“ Interessant ist, dass sich auch die rechtsextreme NPD in aller Form von der AfD distanziert. Denn wie Union und SPD leidet auch sie unter der AfD. Nach rechts wirke die AfD wie ein Puffer, meint der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt. Wenn es die AfD nicht gäbe, könnte die NPD deutlich stärker werden.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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