„Lucke hat Kreide gefressen“

Ex-AfD-Chef Bernd Lucke ist nun Alfa-Vorsitzender – und bescheidener. Da CSU und CDU nach rechts drehen, hat er ein Problem: Wie soll er Wahlen gewinnen?

Das letzte Mal war er noch als Chef der AfD da. Dieses Mal ist Bernd Lucke als Vorsitzender der Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) nach Berlin gekommen. Und es ist ein anderer Lucke, der da zusammen mit seinem Stellvertreter Bernd Kölmel und Generalsekretärin Ulrike Trebesius Thesen zur Asyl- und Flüchtlingspolitik vorstellt.

Es ist nicht mehr der Hansdampf, der sich nach überraschenden Wahlerfolgen mit schmaler Brust den Kameras in den Weg stellt und den Oberlehrer in Sachen und Europa und Euro gibt, um dann auf Nachfragen gerne auch mal Belehrungen zu erteilen, statt Antworten zu geben. Selbst wenn er wollte, könnte er so nicht mehr auftreten, denn von den vielen Kameras von einst, ist heute nur eine einzige geblieben. Und in ihrer Gegenwart wirkt er bescheidener, leiser, kurz zurückgenommener als früher.

Petry profitierte

„Lucke hat Kreide gefressen“, sagt ein alter Weggefährte aus AfD-Zeiten. Zweifellos hat die Art und Weise, wie ihn die AfD-Mitglieder Anfang Juni in Essen als Vorsitzenden stürzten, sein Leben verändert. Talk-Shows kommen wieder ohne den Mann aus, der sich in den Stellungskriegen der von ihm selbst gegründeten AfD derart verkämpfte, dass er sie in nur zwei Jahren an eine Frauke Petry verlor, die ihren eigenen Aufstieg maßgeblich seiner anfänglichen Strahlkraft verdankt. Als sittlicher Gegenentwurf zu den Altparteien taugten sie den TV-Anstalten spätestens von da an nicht mehr, als im Machtkampf für alle sichtbar geworden war, dass es vielen Protagonisten der AfD auch nur um die eigene Parteikarriere geht, weil ihnen der Erfolg außerhalb der Politik versagt blieb.

Lucke könnte jederzeit auf seinen Lehrstuhl an der Universität Hamburg zurückkehren. Vorerst aber gibt er in seiner persönlichen Lebensplanung Alfa den Vorzug und lässt Kölmel den Vortritt bei den Flüchtlings-Thesen. Trebesius referiert zum Zustand der noch jungen und kleinen Partei. Lucke hört ihnen zu, angespannt zwar wie ein Vater, der fürchtet, sein Sohn könnte beim Gedichtaufsagen den Text vergessen. Aber er hört zu.

„Eine pauschale und unreflektierte Willkommenskultur, wie sie derzeit von der Bundesregierung vertreten wird, ist Ausdruck naiven und illusionären Denkens“, sagt Kölmel und fordert stattdessen eine „Hilfskultur“. Mit ihrer Entscheidung, die Flüchtlinge aus Ungarn aufzunehmen, habe Kanzlerin Angela Merkel „eigenmächtig“ 100 Millionen Euro des deutschem Steuerzahlers ausgegeben, ohne „tatsächlich langfristig die Probleme zu lösen“. Kölmel wörtlich: „Das ist auch für eine Pastorentochter ein großzügiger Wurf in den Klingelbeutel.“

Seiner Ansicht nach würden die Menschen „regelrecht nach Deutschland gelockt“. Ein Zustrom wie in den vergangenen Wochen könne aber dazu führen, dass die Hilfsbereitschaft der Menschen irgendwann ins Gegenteil umschlage. Außerdem stimmten die von der Regierung verbreiteten Angaben zu den Flüchtlingen nicht. Es werde immerzu nur vom gut ausgebildeten syrischen Arzt gesprochen, tatsächlich aber seien rund die Hälfte der Flüchtlinge kaum oder gar nicht gebildet.

Nun gehe es darum, mi den richtigen Entscheidungen „zwischen Herz und Verstand“ die „Handlungsfähigkeit Deutschlands“ wieder herzustellen. Dazu sei es nötig, zwischen Flüchtlingspolitik einerseits und Zuwanderungspolitik andererseits zu unterscheiden. Lucke ergänzte später lediglich, Deutschland müsse sich verhalten wie „Der guter Mensch von Sezuan“ bei Brecht, „der aus ganzem Herzen gibt, aber auch den Verstand gebraucht“.

CDU und CSU drehen auf rechts

Wer möchte da nicht zustimmen. Aber kann Alfa damit durchdringen und vor allem: Bei wem? In Bayern und Baden-Württemberg verengen CSU und CDU in der Flüchtlingspolitik die Spielräume nach rechts dramatisch. Baden-Württembergs CDU-Spitzenkandid Guido Wolf hat mit der Willkommenskultur der Kanzlerin nicht viel im Sinn. „Die CDU nimmt Ängste ernst und schweigt sie nicht tot“, sagt er. Eine Vielzahl von Asylbewerbern wolle lediglich am Wohlstand der Deutschen teilhaben. Wolf: „Sie sehen in Deutschland eine moderne Variante eines Schlaraffenlandes.“ Wolfs Ziel ist klar: In Baden-Württemberg sollen AfD und Alfa keine Chance haben.

Richtig erklären können Lucke und Kölmel nicht, wie sie sich im Parteienspektrum positionieren wollen. Fest steht für Lucke hingegen: „Die AfD ist der Schmutzfänger auf der rechten Seite. “Kölmel ist Alfa-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg. „Wir werden die 5 Prozent in Baden-Württemberg schaffen“, sagt er. Die Aufbruchstimmung sei groß.

Vor allem sei die AfD keine Konkurrenz, meint Lucke. Er verweist auf aktuelle Umfragen die seine alte Partei in Baden-Württemberg bei nur vier Prozent, in Bayern gar nur bei zwei Prozent sehen. Bundesweit schwankt die AfD zwischen 3,5 und sechs Prozent. Die AfD sei im Wesentlichen eine ostdeutsche Partei geworden, sagt Lucke. Alfa dagegen sei eine West-Gründung. Allerdings eine, die in von den Demoskopen noch nicht einmal wahrgenommen wird. Da ist Bescheidenheit eine Tugend.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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