Das Grundgesetz dankt ab

Bundespräsident Joachim Gauck will uns die Vorstellung von einer Nation ausreden, die homogen ist, in der fast alle Deutsch sprechen und überwiegend christlichen Glaubens sind.

Ausgaben von sechs Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen und Migranten sollen, wie wir von Finanzminister Wolfang Schäuble hören, absoluten Vorrang bei der Haushaltsplanung haben. Um das zu schaffen, sind wahre Wunder möglich: 3.000 Polizisten werden eingestellt, an die 1.000 Lehrer sollen mobilisiert werden – Lehrer und Polizisten, die nicht vorhanden oder unbezahlbar waren, als es darum ging, Sachsen und Brandenburger vor allerlei räuberischen Grenzgängern zu beschützen oder ihren Kindern das Maß an Aufsicht, Betreuung und Unterricht zuteil werden zu lassen, das ihnen laut Gesetz zusteht.

Die Politik übernimmt Verantwortung, sie „steht“ sogar zu ihr; wie und warum, für wen und mit welchen Folgen, fragt man lieber nicht. Trägt sie Verantwortung fürs Volk, vor dem Gewissen, vielleicht sogar vorm lieben Gott? Alles Tineff. Der liebe Gott ist fern, laut Nietzsche sogar tot; das Gewissen ist, wie wir aus Ronald Pofallas berufenem Mund gehört haben, „Scheiße“; und das Volk – das Volk steht zwar im Grundgesetz, aber was ist das Grundgesetz noch wert?

Überholt und unmodern?

Seien wir ehrlich und sagen wir es deutlich: Wenn das Grundgesetz behauptet, alle Staatsgewalt ginge vom Volk aus; wenn es die Volksvertreter dazu anhält, ja darauf verpflichtet, den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm fernzuhalten: Wenn es also unbeeindruckt von den fortschrittlichen Parolen schwarzer Europäer, roter Reformpolitiker und grüner Menschenfreunde an den veralteten Begriffen festhält und hartnäckig vom Volk statt von Bevölkerung spricht – wenn das so ist, bleibt für den Verfassungspatriotismus kein Raum mehr.

Dann ist die Verfassung obsolet, überholt, unmodern, altertümlich, konservativ, reaktionär, vorurteilsbeladen, fremdenfeindlich, rassistisch, islamophob und so weiter. Dann ist sie genauso inhuman, engstirnig und ewiggestrig wie das Volk, das sich auf sie beruft. Dann muss das Grundgesetz dem Fortschritt weichen, muss abgetan, entmündigt und zum Schweigen gebracht werden. Genauso wie der Mob.

Ein Präsident wie eine Wetterfahne

Konrad Adam / Quelle: Privat

Konrad Adam / Quelle: Privat

Der Bundespräsident hat Witterung aufgenommen und folgt der Spur. Joachim Gauck will uns klarmachen, wie vorteilhaft es für uns wäre, wenn wir uns von dem Bild einer Nation lösen könnten, die homogen ist, in der fast alle Deutsch sprechen, überwiegend christlichen Glaubens sind und helle Haut haben. Das ist die neue deutsche Willkommenskultur: Sie will die Vorzeichen vor der Klammer nicht etwa tilgen, sondern austauschen. Die eine Farbe soll durch die andere, der eine Glauben durch

den anderen, die eine Sprache durch eine andere ersetzt werden. Wir sollen es machen wie von Klaus Wowereit empfohlen, als Deutsche also Türkisch zu lernen anstatt die Türken dazu anzuhalten, Deutsch zu lernen.

Natürlich weiß auch ich, dass der dem Bundespräsidenten schuldige Respekt dem Amt gilt, nicht der Person. Nur sollte die Person dann auch danach sein: ein Kirchturm also, der den Stürmen trotzt, und keine Wetterfahne auf dem Dach, die sich mit dem Wind des Zeitgeistes in alle Richtungen dreht.

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Über Konrad Adam

Konrad Adam ist Journalist, Publizist und Politiker (AfD). Er war von 1979 bis 2007 Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sowie Chefkorrespondent und Kolumnist der Welt in Berlin. Zwischen April 2013 und Juli 2015 war er einer von drei Bundessprechern (Bundesvorsitzenden) der Alternative für Deutschland, zu deren Gründungsmitgliedern er zählt. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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