Versicherte zahlen für Flüchtlinge

Mit der Gesundheitskarte hätten Asylbewerber einen barrierefreien Zugang zu unserem Gesundheitssystem. Die daraus resultierenden Kosten würden allein den Beitragszahlern aufgebürdet.

Auf den ersten Blick erscheint die Forderung nach Einführung einer Gesundheitskarte für Asylbewerber nützlich und sinnstiftend, da sie dem durchgegrünten sentimentalen gesellschaftlichen Stimmungsbild entspricht und den Nachrichtenkonsumenten von der Anstrengung weiteren Denkens befreit. Und außerdem – so wird man vorbringen – gibt es ja bereits ganz positive Erfahrungen mit dem „Bremer Modell“[1], das zwischenzeitlich auch in Hamburg und NRW praktiziert wird.

Wer jedoch die Kuschelecke betreuten Denkens verlässt, um etwaige Folgen und Wechselwirkungen dieser so hochgelobten Gesundheitskarte zu untersuchen, gelangt zu einer neuen Erkenntnisebene.

Das bisherige Procedere

Bis zum Inkrafttreten der Neuerungen des Asylbewerber-Leistungsgesetzes (Asylblg) zum 01.03.2015 hatten hilfesuchende Flüchtlinge lediglich Anspruch auf akute Schmerzbehandlung, eine Einschränkung, die nun beseitigt ist. Das modifizierte Gesetz sieht nun vor, dass die Gesundheitsversorgung auf einen Aufenthaltszeitraum von bis zu 15 Monaten begrenzt ist und danach die Aufnahme der Flüchtlinge in die gesetzliche Krankenversicherung erfolgt.

Der schwarze Peter – also die Kostenübernahme für medizinische Leistungen – liegt bei den Kommunen. Zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen ist bei der zuständigen Sozial- bzw. Ausländerbehörde die Ausstellung eines Behandlungsscheins zu beantragen, der im Regelfall für ein Quartal gilt.

Allerdings gibt es auch Kommunen, in welchen die Gültigkeit des Behandlungsscheine auf einen Monat begrenzt ist und/oder eine Befreiung für Medikamentenzuzahlung oder besondere Leistungen – wie etwa Massagen – eigens zu beantragen ist.

Wie aus Dortmund zu hören ist, machen die Behörden die Ausstellung eines Behandlungsscheins von einer Überprüfung durch das Gesundheitsamt hinsichtlich der Notwendigkeit der entsprechenden medizinischen Behandlung im Sinne der Vorgaben des Asylbewerber-Leistungsgesetzes abhängig.

Je nach Sichtweise mag man diese Hürde entweder als bürokratische Erschwernis oder als pro-aktive Handlung zur Schonung kommunaler Haushaltsmittel bewerten.

Mit den Kommunen zahlen deren Bürger

Eine bundesweite Einführung der Gesundheitskarte wird kommunale Sozial- und Ausländerbehörden zweifellos entlasten und Asylbewerbern einen weitestgehend barrierefreien Zugang zu unserem Gesundheitssystem ermöglichen. Als Sahnehäubchen für ohnehin strapazierte kommunale Haushalte erfolgt die Abrechnung medizinischer Leistungen dann unmittelbar mit der gesetzlichen Krankenversicherung.

So weit, so gut ? Keineswegs ! Warum ?

Wie bereits dargestellt, werden alle bürokratischen und finanziellen Lasten der Gesundheitsfürsorge von Asylbewerbern weitgehend durch die Kommunen geschultert. Kostenübernahmen durch den Bund wurden zwar vielfach angekündigt, aber nur unzureichend umgesetzt, was sich jedoch nach Einschätzungen von Thomas de Maiziére alsbald ändern soll.

Dieser Umstand bleibt der Bevölkerung überdurchschnittlich belasteter Kommunen nicht verborgen und ist – etwa durch Anpassungen von Kommunalabgaben (Steuern, Gebühren, Beiträge) – unmittelbar spürbar. Solche wenig erheiternden Wahrheiten bergen das Potential, willkommenskulturellen Posaunenchören nur noch eingeschränkt zu applaudieren.

Werden im Zuge der Einführung der Gesundheitskarte die Kosten der Gesundheitsfürsorge von den Kommunen an die gesetzlichen Krankenversicherungen verlagert, können sich kommunale Politiker ein wenig entspannter anderen Dingen zuwenden, wie etwa der Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten. Der eine oder andere denkt schon daran, ob sie nicht einfach Häuser beschlagnahmen können unter Bemühung des Polizeirechts oder wie sie das Baurecht „asylbedingt“ ändern können usw..

Beitragszahler werden zur Kasse gebeten

Nun liegt der schwarze Peter bei den gesetzlichen Krankenversicherungen, denen es jetzt obliegt, geeignete Goldesel zu finden, die nun ihrerseits den entstehenden Mehraufwand möglichst lobbybefreit übernehmen. Was liegt also näher, als die Beitragszahler mit entsprechenden Anpassungen (Beitragserhöhung, Absenkung von Leistungen, etc.) heranzuziehen.

Vermutlich erst auf den zweiten Blick wird aber auch deutlich, dass die Kassen-Ärzte einen nicht zu unterschätzenden Beitrag aufbringen müssen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Pauschalsummen verhandeln, die jährlich an die Kassenärzte ausgezahlt werden, um die medizinische Versorgung der gesetzlich krankenversicherten Patienten zu gewährleisten.

Die vereinbarte Gesamtsumme bleibt unabhängig vom Aufwand des Kassenarztes und dem Umfang der verschriebenen Rezepte konstant, was die Motivation des Arztes und dessen Aufmerksamkeit pro Patient einschränken mag. Daneben werden sich die Wartezeiten in den Praxen verlängern, schlimmstenfalls gar preiswertere Therapien oder Medikationen eingesetzt, damit auch beitragsfreie „neuversicherte Patienten“ versorgt werden können.

Warum keine Steuerlösung?

Mit etwas Nachdenken erkennen wir die Durchsichtigkeit dieser Transformation vom Behandlungsschein zur Gesundheits-Chipkarte, zumindest, was die Kosten der Gesundheitsfürsorge von Asylbewerbern für die ersten 15 Monate ihres Aufenthalts in Deutschland anbelangt.

Danach sind diese Menschen ohnehin gesetzlich krankenversichert. Die Kosten für deren Gesundheitsfürsorge werden – wie beschrieben – im wesentlichen von Beitragszahlern und Kassenärzten zwangsweise übernommen und nicht etwa mittels Steuererhöhungen oder einer speziellen SOLI-Form von allen Steuerzahlern aufgebracht.

Wagen wir noch einen weiteren Gedankenschritt: Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten sowie Daueraufenthaltsberechtigten wird der Wunsch nach Familienzusammenführung (Ehefrau, Kinder) – sofern einfache Deutschkenntnisse nachgewiesen werden können – erfüllt[2], wogegen prinzipiell auch nichts einzuwenden ist.

Welche Folgen für die bisherige Finanzierung unseres Gesundheitssystems daraus abzuleiten sind, mag jeder für sich selbst beantworten.

Anmerkungen

[1] siehe: Bremer Modell zur Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen, Kurzfassung als pdf

[2] siehe: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Ehegattennachzug

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