Die gelbe Gefahr im Finanzsystem

Während Griechenland die Schlagzeilen beherrscht, sind in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, in China, die Aktienkurse abgestürzt. Weitere Schockwellen drohen.

Es ist schon unglaublich wie das unsägliche Affentheater um den Staatsbankrott Griechenlands die volle Aufmerksamkeit europäischer Politiker, Bürokraten, Zentralbanker und Journalisten absorbiert. Dabei ist Griechenland für die Weltwirtschaft völlig unbedeutend. Sogar für den europäischen Bankensektor spielt der Bankrott Griechenlands keine Rolle mehr.

Denn nahezu alle an Griechenland vergebenen Kredite, die am Beginn der Krise im Jahr 2010 vor allem französische und italienische Großbanken mit in den Bankrott gerissen hätten, wurden seither auf verschlungenen Wegen auf den europäischen Steuerzahler abgewälzt. Die Konkursverschleppung Griechenlands, die den Völkern Europas als „Griechenlandrettung“ oder „Eurorettung“ verkauft wurde, war in Wahrheit nämlich nichts anderes als eine verkappte Bankenrettung. Davon redet leider niemand.

Gefährliche Bubble-Ökonomie

Auch scheinen die Finanzmärkte im Moment ganz im Banne Griechenlands zu stehen. Diesen Eindruck muss man jedenfalls bekommen, wenn man die Wirtschaftspresse liest. Ich bin allerdings der Meinung, dass dieser Eindruck trügt. Ich sehe in der Entwicklung der Griechenlandkrise – wenn überhaupt – nur den vordergründigen Auslöser für das Platzen der riesigen Spekulationsblasen, die von den Zentralbanken ganz bewusst herbeigeführt wurden und nicht nur die Aktienmärkte betreffen, sondern auch die volkswirtschaftlich viel wichtigeren Rentenmärkte.

Und der erste bedeutende Crash hat schon stattgefunden, allerdings weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit: Denn während Griechenland die Schlagzeilen beherrscht, sind in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, in China, die Aktienkurse abgestürzt. Von seinem am 12. Juni erreichten Jahreshoch von 5.178 Punkten ist der chinesische Shanghai Stock Exchange Composite Index innerhalb von nur zwei Wochen um 28,9% gefallen.

Über die großen Gefahren, die von der chinesischen Bubble-Ökonomie auf die Weltwirtschaft ausgehen, habe ich in den vergangenen Monaten mehrmals hingewiesen. Dabei haben ich deutlich gemacht, dass der Kreditboom Chinas sogar den Rekord überboten hat, den Japan Ende der 1980er Jahre aufgestellt hatte. Jetzt sieht es so aus, als sei China am Ende der Fahnenstange angekommen.

Wenn das tatsächlich der Fall ist, dann werden die Schockwellen der damit einhergehenden Turbulenzen die Weltwirtschaft erschüttern. Es ist zwar noch etwas zu früh, um mit Sicherheit sagen zu können, dass die Blase in China definitiv geplatzt ist. Aber mit jedem Tag, an dem der chinesischen Börse keine Erholung gelingt, nimmt die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios zu.

Grafik:  Claus Vogt

Grafik: Claus Vogt

Erdbeben in der Halbleiterindustrie

Aber nicht nur in China, auch im Technologiesektor brodelt es bereits gewaltig. Micron Technology ist der fünftgrößte Halbleiterhersteller der Welt und die Nummer 2 im Bereich Speicherchips. Das Unternehmen hat eine Marktkapitalisierung von über 21 Milliarden Dollar und wird von den wenigen kritischen Analysten, die es noch gibt, als „das fliegende Schwein“ bezeichnet. Ende voriger Woche erlebte die Micron Technology-Aktie einen Crash, indem sie an einem Tag um 18% abstürzte, nachdem das Unternehmen einen deutlichen Gewinnrückgang verkündet hatte. Von seinem Ende vorigen Jahres erreichten Hoch aus gerechnet, hat sich der Aktienkurs bereits halbiert.

Der Absturz von Micron Technology ist von großer Bedeutung für den Technologiesektor und darüber hinaus sogar für den gesamten Aktienmarkt. Denn Halbleiter sind eine Massenware, die gewissermaßen am Anfang der langen Nahrungskette des Technologiesektors steht. Deshalb gehören die Halbleiterproduzenten zu den Ersten, die Probleme des Sektors zu spüren bekommen, indem die Nachfrage nach den von ihnen produzierten Vorprodukten sinkt. In Bezug auf die Aktienmärkte ist die Branche deshalb ein Frühindikator für den gesamten Technologiesektor.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum gerade dieses Unternehmen eine gewisse Sonderstellung einnimmt: Das Management hat sich seit den Tagen der Technologieblase Ende der 90er Jahre immer wieder sehr konsequent als überoptimistischer Cheerleader hervorgetan. Das Micron Technology-Management sieht nicht nur halbvolle Gläser grundsätzlich als überlaufend voll an, sondern sogar leere Gläser. Ganz gleich, wie schlecht die zu verkündenden Zahlen auch waren, das Management hat den Aktionären bzw. Analysten stets die unmittelbar bevorstehende Trendwende nach oben und steile Wachstumsraten verkündet.

Solange die irrationalen massenpsychologischen Kräfte von Spekulationsblasen die Oberhand hatten, funktionierte diese Strategie so hervorragend, dass sich unter den kritischen Beobachtern in den USA für das Unternehmen der bereits erwähnte Spitzname „das fliegende Schwein“ bzw. „the flying pig“ eingebürgert hat.

Aber wenn das Cheerleading des Managements den Aktienkurs nicht mehr stützen konnte und die Aktie stattdessen ökonomisch rational auf schlechte Zahlen reagierte, dann war das gewöhnlich ein wichtiges Signal für den Beginn des Stimmungsumschwungs im Technologiesektor und darüber hinaus. Genau an diesem Punkt sind wir im laufenden Spekulationsblasen-Zyklus gerade angekommen. Und das auf beeindruckende Weise, wie Sie auf dem folgenden Chart sehen.

Grafik:  Claus Vogt

Grafik: Claus Vogt

Gerade in der aktuellen Situation, in der die Aktienmärkte deutlicher überbewertet sind als in 2007 und fast schon an die hysterischen Exzesse der Jahre 2000 und 1929 heranreichen, ist es von weitreichender Bedeutung, wenn eine Aktie wie Micron Technology abstürzt. Denn Überbewertung allein lässt eine Blase nicht platzen. Solange die große Mehrheit der Anleger die Realität leugnet und stattdessen absurde Hoffnungen und Erwartungen hegt, kommt das Kartenhaus noch nicht ins Wanken. Erst wenn nach und nach die Stimmung dreht, wird der Punkt erreicht, an dem die unvermeidliche Baisse beginnt. Und dann geht alles ganz schnell.

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Über Claus Vogt

Claus Vogt ist Chefredakteur des Börsenbriefs „Krisensicher Investieren“. Zusammen mit Roland Leuschel schrieb er die Bücher „Das Greenspan-Dossier“, „Die Inflationsfalle“, „Bitcoin & Co. - Finte“ oder „Neugestaltung des Geldsystems?“. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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