Petry plant die AfD nach Lucke

 Frauke Petry will die AfD künftig mit einem Liberalen wie Joachim Starbatty führen. Vergleiche mit dem französischen Front National weist sie von sich.

Frau Petry, angesichts des andauernden Führungsstreits glauben inzwischen 68 Prozent der Deutschen, die Partei werde bedeutungslos. Nur noch 22 Prozent glauben an einen Fortbestand. Wie wollen Sie aus diesem Tief wieder herauskommen?

Frauke Petry: Die Partei wird den heftigen Führungsstreit auf dem Kasseler Parteitag zu den Akten legen. Ich werde dem Parteitag eine Doppelspitze vorschlagen. Mit einer konservativ-liberalen Doppelspitze können wir uns wieder der Sacharbeit zuwenden. Und dann werden wir uns auch in den Umfragen sehr schnell wieder erholen, davon bin ich überzeugt.

Wie könnte die konservativ-liberale Führungsspitze aussehen?

Petry: Für mich ist es wichtig, dass zwei Qualitäten in diesem Vorstand wieder Geltung finden: Das Prinzip der vereinten Strömungen. Es ist Konsens, dass wir sowohl die liberale als auch die konservative Strömung an führender Position brauchen und wollen. Aber noch wichtiger ist die Fähigkeit, diese Partei integrativ und einend zu führen.

Werden Sie für den Vorsitz kandidieren? Und wen könnten Sie sich an Ihrer Seite vorstellen?

Petry: Ich werde für die Doppelspitze kandidieren und wünsche mir einen Vertreter des marktliberalen Flügels an meiner Seite. Dabei kann ich mir gut Prof. Starbatty vorstellen, weiß aber, dass gegebenenfalls auch andere Vertreter dieses Flügels bereitstünden.

Das heißt, die Zeit von Bernd Lucke an der Parteispitze ist Ihrer Ansicht nach abgelaufen?

Petry: Ja. Bernd Lucke hat mit der Gründung des Vereins „Weckruf 2015“ eine neue Partei innerhalb der Partei geschaffen. Dieses Verhalten ist neben vielen juristischen Tatbeständen parteischädigend.

Sie sagen, sein Verhalten sei parteischädigend. Muss dieses Verhalten Ihrer Ansicht nach Konsequenzen haben?

Petry: Es wird entsprechend zu berücksichtigen sein. Er hat sich in meinen Augen selbst für eine Führungsposition disqualifiziert, aber darüber muss der Parteivorstand entscheiden.

Glauben Sie, dass Bernd Lucke an seiner Kandidatur festhält, auch wenn er dann mit Ihnen zusammenarbeiten müsste?

Petry: Er hat verlauten lassen, dass er auf gar keinen Fall mehr mit mir zusammenarbeiten möchte. Ich werde antreten.

Wenn er nicht mit Ihnen zusammenarbeiten will, müsste es demnach einen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin gegen Sie geben?

Petry: Bernd Lucke möchte offenbar ein Personaltableau durchsetzen, in dem ich wahrscheinlich keine Rolle mehr spielen werde. Details kenne ich nicht. Ich habe aber großes Vertrauen in die Delegierten, dass sie eine auf Vernunft basierende Entscheidung fällen werden.

Wie sähe denn eine AfD ohne Lucke aus. Würde sich etwas Grundlegendes verändern?

Petry: Die AfD muss in vielerlei Hinsicht ihre Gründungsideale wieder neu aufleben lassen. Wir sind gestartet als eine Partei, die sich nicht nur nach außen, sondern auch nach innen für Rechtsstaatlichkeit einsetzt. Darum ist das Prinzip der Basisdemokratie, also der Mitgliedermitbestimmung, ein besonders wichtiges Instrument. Das wurde nicht immer so von Bernd Lucke gelebt, der maßgeblich die Bremer Satzung durchgesetzt hat. Durch diese Bremer Satzung sind die Gründungsprinzipien aus dem Blickfeld geraten.

Was heißt das konkret?

Petry: Es müssen wieder vielmehr Entscheidungen durch den Konvent oder durch die Basis getroffen werden. Die Erfahrung hat gezeigt: Wir brauchen nicht die von Bernd Lucke angestrebte Einerspitze, sondern dauerhaft eine Doppelspitze als Parteiführung.

Wenn Sie eine dauerhafte Doppelspitze wollen, müssen Sie doch die in Bremen beschlossene Satzung wieder kippen und eine neue beschließen, oder?

Petry: Im Prinzip stimmt das. Es gibt Anfechtungen der Bremer Satzung vor dem Bundesschiedsgericht, die dazu führen könnten, vorerst auf Basis der Berliner Satzung von 2013 weiterzuarbeiten. Damit wäre die alte Zweier- oder Dreierspitze wieder Satzungsrealität.

Und der Parteitag müsste wieder drei Sprecher wählen?

Petry: Nein, denn die alte Satzung lässt bereits zwei oder drei Sprecher zu.

Lucke wirft Ihnen und dem national-konservativen Flügel vor, sich zu sehr dem rechten Rand anzunähern. Wie nah ist die AfD am rechten Rand?

Petry: Wahr ist, dass die AfD ihren konservativ-liberalen Kurs nach rechts abgrenzen muss. Die vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass Mitglieder, die dem rechten Rand zuneigen, ihre Vorstellungen in der Partei nicht verwirklicht sehen und die AfD wieder verlassen. Insofern läuft Luckes Kritik ins Leere. Leider gibt es immer wieder mal einzelne gewählte Vertreter, die mit ungeschickten oder unüberlegten Äußerungen den Eindruck erwecken, die AfD fische am rechten Rand.

Wen zählen Sie zu diesen Leuten?

Petry: Zuletzt äußerte sich etwa der thüringische Landes- und Fraktionsvorsitzende Björn Höcke in dieser Weise. Das zeigt, dass seine politische Urteilskraft nicht ausreicht, um in der Partei eine entscheidende Rolle zu spielen. Diese Problematik muss aber politisch gelöst werden und nicht mit einem formaljuristischen Amtsenthebungsverfahren, das Bernd Lucke erzwungen hat. Aber noch einmal: Die Mehrheit der Partei ist für einen liberal-konservativen Kurs, der die Mitte der Parteienlandschaft immer mit in den Blick nimmt, ohne das konservative Profil zu schwächen.

In der Frage, wofür die AfD steht, gibt es offenbar einen breiten Interpretationsspielraum.

Petry: Darum ist es so wichtig, dass wir Klarheit schaffen, indem wir den Programmprozess zügig vorantreiben. Denn auf der Basis eines grundsätzlichen Parteiprogramms können wir neue Mitglieder gewinnen, und diejenigen, die sich darin nicht mehr wiederfinden, werden letztlich die Partei verlassen.

Auch Ihnen und Parteivize Alexander Gauland wurde immer wieder Rechtspopulismus vorgeworfen, unter anderem, weil Sie damals auf Pegida zugegangen sind. Was sagen Sie heute, mit etwas Abstand, zu dieser Kritik?

Petry: Wenn man mir Rechtspopulismus vorwirft, weil ich ein einmaliges Gespräch mit den Pegida-Organisatoren geführt habe, dann müssen wir wohl auch die CDU mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Tillich oder die SPD mit ihrem Vorsitzenden Gabriel des Rechtspopulismus verdächtigen. Denn die haben ebenfalls mit Pegida gesprochen, und im Fall der CDU wesentlich häufiger als ich.

Wenn Sie sich in die europäische Parteienlandschaft einordnen, wo sehen Sie sich? Gibt es beispielsweise Anknüpfungspunkte an den Front National?

Petry: Nein, die gibt es nicht. Genau genommen existiert in den anderen europäischen Ländern keine mit der AfD kongruente Partei. Das liegt daran, dass wir die Wähler ansprechen, die von der CDU und der FDP in den vergangenen Jahren desillusioniert zurückgelassen wurden. Bei der CDU sind dies die konservativen Milieus, bei der FDP alle Liberalen, die sich von der Klientelpolitik abwandten. Mit Parteien wie Front National oder UKIP ist die AfD nicht vergleichbar, denn wir sind eine konservativ-liberale Kraft.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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