Spekulation um EU-Bargeldverbot

In Schweden ist die Anti-Bargeld-Lobby auf dem Vormarsch, Ökonomen wie Kenneth Rogoff werben längst offen dafür: Wird die EU das Bargeld doch abschaffen?

Steuern die EU beziehungsweise Deutschland auf ein Bargeldverbot zu? Diese interessante Frage stellen sich unsere Leser immer wieder, und das völlig zu recht. Denn wenn Sie die Presse aufmerksam verfolgen, können Sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Bargeldumlauf gerade auf Ebene der EU-Bürokratie als bestenfalls überflüssige, teure und überholte Variante des Zahlungsverkehrs angesehen wird, und schlimmstenfalls als Hort des Bösen, Kriminellen und Staatsfeindlichen.

Selbstverständlich finden sich auch renommierte Ökonomen, die diese politischen Ambitionen unterstützen und nach der Abschaffung von Bargeld rufen. So sagte beispielsweise der Harvard-Professor Kenneth Rogoff Ende vorigen Jahres bei einem Vortrag in München, dass Bargeld das entscheidende Hindernis für weitere Zinssenkungen der Zentralbanken sei. Die Beseitigung von Bargeld sei eine elegante Lösung dieses Problems.

Drei Gründe

Als rundum staatsgläubiger und wohl auch staatshöriger „Elite-Ökonom“ fügte er natürlich noch hinzu, dass damit auch Steuerflucht und Drogenkriminalität besser bekämpft werden könnten. Dabei müsste er als Ökonom ja eigentlich wissen, dass Prohibitionen aus volkswirtschaftlicher Sicht ebenso schädlich sind wie viel zu hohe Steuersätze.

Zwar kann ich die im Internet kursierenden Behauptungen, dass die EU bereits konkrete Pläne schmiede, Bargeld zu verbieten, nicht bestätigen. Aber wundern würde es mich aus folgenden 3 Gründen nicht:

  • Erstens ist die Überwachungs- und Regelungswut der linkspopulistischen Neokeynesianer, die den monströsen EU-Apparat beherrschen und immer weiter ausbauen, extrem ausgeprägt. Sie werden wohl nicht ruhen, bevor sie ihre Vision vom gläsernen Untertan verwirklicht haben, der in allen Bereichen des Lebens nach ihren bürokratischen Vorgaben tanzt.
  • Zweitens hat mit Jean-Claude Juncker einer der mächtigsten EU-Politiker den politischen Durchsetzungsprozess auf EU-Ebene einst sehr anschaulich beschrieben: Zunächst gibt man die Idee eines umstrittenen und eigentlich aussichtslosen politischen Vorhabens an die Öffentlichkeit und wartet auf die Reaktion. Fällt diese ablehnend aus, zieht man sich zurück, aber nur vorübergehend, dann bringt man die Idee erneut, usw. Auf dieser Weise sinkt nach und nach die Aufmerksamkeit des Volkes, und irgendwann wird der Punkt erreicht, an dem der Widerstand gebrochen ist. Schließlich hat das Volk noch anderes zu tun, als sich gegen immer neue Gängelungen aus Brüssel zu wehren. Der Prozess des Vorfühlens ist mit Hilfe von Rogoff und Konsorten schon erfolgt.
  • Drittens schließlich wohnt der Planwirtschaft zwingend die Tendenz zur Beseitigung der Freiheit inne. Das hat der große liberale Denker Friedrich August von Hayek in aller Klarheit deutlich gemacht. Jeder staatliche Eingriff in die Marktwirtschaft zieht einen ganzen Rattenschwanz unvorhergesehener Folgen nach sich, auf die dann mit neuen Eingriffen, Regelungen, Verboten und Gesetzen reagiert wird.

Springer-Kantine ohne Bargeld

Nicht zuletzt deshalb kam Hayek auch zu dem Ergebnis, dass den Regierungen die Macht über das Geld entzogen werden müsse. Er wollte eine Freigeld-Bewegung anstoßen in Analogie zu der sehr erfolgreichen Freihandels-Bewegung des 19. Jahrhunderts. Eine großartige, aber weitgehend in Vergessenheit geratene Idee.

Wenn sich Deutschland bzw. die EU weiter in Richtung Überwachungsstaat und Polizeistaat bewegen, dann wird wohl auch das Verbot von Bargeld früher oder später auf der politischen Agenda ganz nach oben rücken. Im Unterschied zu einem Land wie Schweden sind wir davon aber noch ein gutes Stück entfernt – obwohl, der Springer-Konzern hat das Bargeld bereits zugunsten einer Paypal-Kooperation aus seiner Konzernkantine verbannt, die auch von den vielen Angestellten der um liegenden Büros genutzt wird. Dennoch setzte ich als unverbesserlicher Optimist darauf, dass es dazu letztlich doch nicht zur gänzlichen Abschaffung von Bargeld kommen wird.

Droht auch ein Goldverbot?

Doch wie steht es mit einem Goldverbot? Auch diese Frage wird neuerdings immer wieder gestellt. Ein Goldverbot ist wesentlich schwerer umzusetzen als ein Bargeldverbot, weil die Politik Gold nicht als bedrohlich empfindet. Außerdem gibt es Gold auch in Form von Schmuck und Sakralgold. Daraus ergibt sich ein nicht zu lösendes Abgrenzungsproblem: Wie immer die Grenze gezogen wird, sie kann leicht umgangen werden.

Ein ähnliches Argument gilt in gewissem Umfang aber auch für Bargeld. Wie bei jedem Verbot wird es auch bei einem Bargeldverbot zahlreiche Umgehungen geben, also Ersatzgelder. Gold wird sicherlich eines davon sein, aufgrund seines hohen Wertes aber nicht das wichtigste.

Der Staat muss in dieser Situation immer weitere Besitzverbote aussprechen und durchsetzen, also letztlich eine Diktatur etablieren. Als Kenner der Geschichte kann ich dieses Extremszenario leider nicht ausschließen. Auch wen ich es für unwahrscheinlich halt, wundern würde es mich aus den genannten Gründen nicht.

Um das Geschehen auf den Punkt zu bringen, bietet sich ein Bonmot von Albert Einstein an, der einst sagte, dass nur zwei Dinge unendlich seien: das Universum und die menschliche Dummheit. Allerdings sei er sich bei Ersterem nicht ganz sicher.

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Über Claus Vogt

Claus Vogt ist Chefredakteur des Börsenbriefs „Krisensicher Investieren“. Zusammen mit Roland Leuschel schrieb er die Bücher „Das Greenspan-Dossier“, „Die Inflationsfalle“, „Bitcoin & Co. - Finte“ oder „Neugestaltung des Geldsystems?“. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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