Mysteriöser AfD-Bericht zu Pretzell

Der AfD-Landesvorsitzende Marcus Pretzell wird durch einen Prüfbericht zur Partei-Konten-Affäre entlastet. Dennoch soll er den Landesvorsitz abgeben. Warum? 

Im Ringen um Macht und Einfluss in der AfD wird nun dem Vorsitzenden des großen nordrhein-westfälischen Landesverbandes, Marcus Pretzell, ganz offiziell der Rückzug nahegelegt. Die Empfehlung stammt aus dem Gutachten innerparteilicher Sonderprüfer, die ungeklärten Fragen einer Steuerforderung des Finanzamtes gegen Pretzell nachgegangen sind. Allerdings steht die ausgesprochene Empfehlung in einem seltsamen Verhältnis zum letztlich positiven Prüfergebnis.

Denn in den beiden aus der Untersuchung hervorgegangenen Prüfberichten empfehlen die Gutachter ausdrücklich, keine parteienrechtlichen Schritte gegen Pretzell einzuleiten. Die AfD habe weder an noch für Pretzell Geld gezahlt. Ihr sei somit kein finanzieller Schaden entstanden. „Die ,Causa Pretzell’ ist aufgrund ,privater chaotischer Zustände’ entstanden und ist aufgrund tätiger Reue entschuldbar, erfordert folglich keine parteienrechtlichen Konsequenzen“, schreiben die Sonderprüfer und empfehlen dem Bundesvorstand, „gegen Marcus Pretzell nicht vorzugehen“.

Vorwurf der Lüge

Mit den „chaotischen privaten Zuständen“ meinen die Prüfer Pretzells Scheidung, in deren Folge das Finanzamt von ihm 1023,45 Euro forderte. In der Angelegenheit wandte sich die Behörde auch an die AfD-Landesgeschäftsstelle mit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung, woraufhin Pretzell den Betrag überwies.

Als die Steuergeschichte öffentlich geworden war, erhielt Pretzell viel Zuspruch aus dem eigenen Landesverband. Aber es gab auch andere Stimmen. Zu diesen zählte etwa die Schwester des Parteivorsitzenden Bernd Lucke, Beate Forner. Sie unterschrieb zusammen mit anderen einen Brief an die Sonderprüfer, in dem sie Pretzell der Lüge bezichtigten. Wörtlich heißt es darin, Pretzell habe „im Zusammenhang mit dieser Zwangsgeld- und Pfändungsangelegenheit den Mitgliedern , dem Landesvorstand und der Öffentlichkeit gegenüber die Unhwahrheit erklärt.“

Dafür fanden die Prüfer allerdings keine Anhaltspunkte. In der nordrhein-westfälischen AfD heißt es, es sei den Kritikern darum gegangen, Pretzell zu beschädigen und ihn als Lucke-Gegner aus dem Weg zu räumen. In diesem Sinne werden auch Fragen interpretiert, die AfD-Vorstandsmitglied Gustav Greve im Rahmen der Sonderprüfung formulierte. Greve ist ein Vertrauter Luckes und wird als künftiger Generalsekretär unter einem Vorsitzenden Lucke gehandelt. So stellte Greve etwa die Frage, ob Pretzell das Amt des Vorsitzenden und seinen Zugang zur Post des Landesverbandes genutzt habe, „um eine für ihn unangenehme private Auseinandersetzung mit dem Finanzamt zu verheimlichen?“

Acht Abwahlanträge

Auch dazu findet sich im Prüfbericht nichts. Daher wundern sich nicht wenige in der nordrhein-westfälischen AfD, warum die Prüfer dennoch mit Nachdruck den Standpunkt vertreten, Pretzell möge sich „ohne schuldhaftes Verzögern“ vom Landesvorsitz zurückziehen. Da Pretzell für die nächste Sitzung des Bundesvorstandes am 17. April nach Berlin einbestellt ist, fürchtet sein Umfeld gar, dort werde es zum Scherbengericht über ihn kommen. Dabei verweisen sie auf den Landesparteitag am 25. April, wo es Abwahlanträge gegen acht Vorstandsmitglieder gibt, darunter auch Pretzell.

In den kommenden Wochen sind eine Reihe wichtiger Landesparteitage, die letztlich maßgeblich darüber mitentscheiden, wie der Delegiertenparteitag im Juni ausgehen wird. Zu dem von Lucke angestrebten Mitgliederparteitag wird es voraussichtlich nicht mehr kommen, da bis gestern „nur“ rund 50.800 Euro Spenden dafür eingegangen sind und nur noch einen Tag lang gespendet werden kann. Spendenziel waren 150.000 Euro.[1] Sollte das Geld für den Mitgliederparteitag auch am letzten Tag nicht zusammenkommen, werden folglich Delegierte im Juni über die neue Doppelspitze, den Generalsekretär und die restlichen Vorstandsmitglieder entscheiden.

Seit Wochen versuchen das Lucke-Lager und ihre Gegner um Frauke Petry, Alexander Gauland, Marcus Pretzell und Beatrix von Storch Mehrheiten in den Ländern zu organisieren. Dabei musste Lucke in seinem Heimatverband Niedersachsen eine empfindliche Niederlage hinnehmen, wo sämtliche ihm zugerechnete Vorstandskandidaten durchfielen.[2] Die ostdeutschen Landesverbände stehen geschlossen hinter Petry und Gauland. Außer im wichtigen Landesverband Nordrhein-Westfalen gewinnen sie zunehmend auch Sympathien in Hessen, Bayern und Rheinland-Pfalz.

Vertrauensfrage?

Auch Lucke ist dies nicht verborgen geblieben. Am vergangenen Wochenende hieß es, er plane vorab eine Vertrauensfrage über seinen Kurs, um einer Niederlage auf dem Bundesparteitag zuvorzukommen.

Dann tauchte im Internet der Aufruf zu einem Mitgliederentscheid über die künftige Richtung der Partei auf. Initiator ist das langjährige FDP-Mitglied Ronald Geiger, ebenfalls ein Lucke-Mann. Es müsse klar entschieden werden, „ob die AfD fundamental-oppositionellen und isolationistischen Positionen als Plattform dienen soll“. Damit meint er offenbar den Kurs von Petry, Gauland, Pretzell und von Storch. In ihrem Lager heißt es, Lucke sei nervös, sonst würde er nicht zu solchen Mitteln greifen.

Zum einem besonders harten Mittel griff nun die thüringische Landtagsfraktion, die ihren Abgeordneten Siegfried Gentele ausschloss. Anlass war eine abfällige Äußerung über Fraktionschef Björn Höcke. Intern heißt es, es habe eine Reihe von Vorfällen mit Gentele gegeben, die das Vertrauen zerstörten.

 

Anmerkungen

[1] Günther Lachmann, „Lucke fordert Geldbombe von AfD“, GEOLITICO vom 24. März 2015

[2] Vergl. Günther Lachmann, „AfD-Streit um völkische Gesinnung“, GEOLITICO vom 19. März 2015

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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