AfD überblickt ihre Finanzen nicht

Die Buchführung der AfD ist chaotisch. Wegen einer Million Mehrausgaben muss Schatzmeister Leidreiter eine Haushaltssperre verhängen. Er sieht sich aber außerstande, die Dinge aufzuklären.

D ie AfD hat ein Problem mit ihrer Finanzplanung. In diesen Tagen verschickte der für die Finanzen zuständige Bundesschatzmeister Piet Leidreiter eine vielsagende Mail an die Mitglieder des Vorstandes. Darin offenbart er: „Für 2014/2015 habe ich immer noch keine genauen Zahlen. 2014 ist nicht abschließend abgestimmt. Die Buchhaltung 2015 ist nur teilweise gebucht.“

Aus der Not heraus verfügte er nun einen Ausgabenstopp. „Ich werde ab sofort nur noch die notwendigsten Dinge freigeben. Für alles andere gilt eine vorübergehende Haushaltssperre bis zur endgültigen Klärung“, schreibt Leidreiter.

„Dringender Handlungsbedarf“

Nach Informationen des Autors schlägt sich der Schatzmeister mit Mehrausgaben im Jahr 2014 von rund einer Million Euro herum, die noch nicht verbucht sind. „Wir müssen uns über die Mehrausgaben 2014 Gedanken machen und diese in diesen bzw. den folgenden Haushaltsplänen entsprechend verarbeiten und die folgenden Budgets kürzen“, mahnt er an und fügt hinzu: „Wir haben dringenden Handlungsbedarf!“

Leidreiter verweist auf Buchungsfehler und andere Probleme bei der Buchführung. „Wir hatten Mehrausgaben und Mehreinnahmen in ungefähr gleicher Höhe. Ob sich daraus letztlich ein Defizit ergibt, kann abschließend erst nach erfolgter Abstimmung der Buchführung beurteilt werden. Alles andere ist Spekulation“, sagt er. Beruhigend sei der Umstand, dass alle Ausgaben aus den laufenden Einnahmen bezahlt worden seien und es zu keiner Zeit Zahlungsengpässe gegeben habe.

Der AfD-Schatzmeister sieht die Ursache der Unstimmigkeiten „in der nicht zeitnah abgestimmten Buchführung“. Leidreiter: „Hier haben personelle Engpässe und eine unzureichende Software zu Arbeitsrückständen geführt, die eine effektive Kostenkontrolle über die Buchführung unmöglich machten.“

In diesem Zusammenhang verweist er auf den scheidenden Bundesgeschäftsführer Georg Pazderski. Dieser habe trotz wiederholter Anforderungen für das Jahr 2014 noch keine verwertbaren Zahlen zum Soll-Ist-Abgleich der einzelnen Haushaltstitel vorgelegt. In seiner Mail an den Vorstand rät Leidreiter zu externer Hilfe: „Ich schlage noch einmal vor, die Buchführung extern sehr zeitnah erstellen zu lassen. Ohne zeitnah erstellte Buchführung können wir keine Entscheidungen treffen.“

Liquiditätsengpass?

Allerdings könne er „eine Beaufsichtigung und Anleitung der Buchhaltungsabteilung“ von seinem Wohnort Bremen aus „nicht gewährleisten“. Und: „Herr (…) (Urlaub) und unsere Honorarkraft (…) können den Arbeitsanfall nicht bewältigen.“

Einen solchen Zustand nennt man an der Küste wohl „Land unter“. Dabei deutete sich die missliche Lage bereits im vergangenen Jahr an. Als Leidreiter seinen Job übernahm, berichtete er dem Vorstand von diversen Problemen im Bereich der Finanzen. Aus diesem Grund verlangten Parteichef Bernd Lucke und er im August 2014 von der Bundesgeschäftsstelle die Einstellung eines Finanzdirektors. Gegen diesen Wunsch habe es jedoch Widerstände im Bundesvorstand gegeben, woraufhin die Bundesgeschäftsstelle das Vorhaben verzögert habe.

„Ich habe wiederholt mein Unverständnis über dieses Verhalten deutlich gemacht“, sagt Lucke. Daraufhin habe Bundesgeschäftsführer Pazderski ihm gegenüber stets betont, die Parteifinanzen im Griff zu haben. Inzwischen stelle sich die Lage jedoch ganz anders dar. „Der Zustand der Buchführung ist, zurückhaltend ausgedrückt, unzulänglich“, sagt Lucke. Jetzt will er diesen Bereich neu ordnen. Mit anderen Worten: Der Parteichef greift durch.

Das scheint auch höchste Zeit, denn in der Partei kursieren nun gar Gerüchte über einen akuten Liquiditätsengpass der AfD. Mitarbeiter fürchten um die Zahlung ihrer Gehälter und verweisen darauf, dass bereits im Dezember 2014 die Auszahlung von Mitarbeiterprämien aus Rücksicht auf die Finanzlage der Partei auf Februar 2015 verschoben wurde. Außerdem gebe es Schwierigkeiten bei der Berechnung des den Ländern zustehenden Anteils an der staatlichen Parteienfinanzierung.

Lucke dementiert

„Gerüchte über Liquiditätsengpässe sind völliger Unfug“, sagt Lucke. „Unsere Liquidität ist vorzüglich.“ Derzeit bilde die Partei Rücklagen in Millionenhöhe für die Wahlkämpfe der kommenden Jahre. „Die Haushaltslage des Bundesverbandes ist nur deshalb angespannt, weil wir so viel Geld auf die hohe Kante legen“, sagt Lucke. „Davon will ich auch nicht abweichen. Wir müssen jetzt den Gürtel enger schnallen, damit wir in den Wahlkämpfen aus dem Vollen schöpfen können.“

Die in der Partei kursierenden Gerüchte entstünden, weil Leute sich auf Halbwahrheiten stützten. „Natürlich hatten wir in 2014 mehr Ausgaben als geplant, aber wir hatten eben auch erheblich höhere Einnahmen. Das lag einfach daran, dass wir den Haushalt 2014 vorsichtshalber mit sehr geringen Einnahmen geplant hatten. In dem Maße, in dem sich unsere Einnahmen verbesserten, haben wir auch unsere Wahlkampfaufwendungen erhöht“, sagt Lucke.

Das vergangene Jahr sei das erste volle Wirtschaftsjahr nach der Parteigründung im Februar 2013 gewesen. Das habe die konkrete Haushaltsplanung erschwert, denn ohne entsprechendes Vorjahr sei sie „bei einer stark wachsenden Organisation“ nur sehr eingeschränkt möglich.

Finanzplanung neu ordnen

„Was ich wirklich monieren muss, sind die Unzulänglichkeiten, die sich in der Buchführung der Partei aufgebaut haben“, sagte Lucke. Er kündigte an, die Finanzabteilung ab sofort von zwei Vorstandsmitgliedern überwachen zu lassen. „Das werden Schatzmeister Leidreiter und Frauke Petry als das für die Geschäftsstellenaufsicht zuständige Vorstandsmitglied sein“, sagt Lucke. Deren erste Aufgabe solle es sein, das Auswahlverfahren für den Finanzdirektor abzuschließen, damit das Buchungswesen, das Controlling und die Finanzplanung neu und verlässlich geordnet würden.

Außerdem sei umgehend fachkundiges Personal zu rekrutieren, das die Buchungsrückstände aufarbeite. „Ich werbe seit Langem dafür, dass die Partei sich professionalisiert. Manchen Mitgliedern behagt das nicht, aber in vielen Bereichen ist das einfach unverzichtbar“, sagt der AfD-Vorsitzende, der im Sommer statt des bislang geplanten Delegiertenparteitages gern einen Mitgliederparteitag abhalten möchte. Weil auch der mehr Geld kostet als bisher im AfD-Haushalt vorgesehen ist, hofft Lucke, dass die Mitglieder ihn mit einer „Geldbombe“ ermöglichen.

 

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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