FDP dreht auf AfD-Kurs

Die Liberalen fassen einen Grexit ins Auge und werden von der Wirtschaft mit Rekordspenden belohnt. Es gibt nichts, was die AfD mehr fürchtet…

Wovor sich nicht wenige in der AfD-Führung seit langem heimlich fürchten, scheint tatsächlich einzutreten. In ihren aktuellen Aussagen zur Griechenland-Krise gehen führende Vertreter der FDP auf Distanz zum bisherigen Euro-Kurs der Partei. Sowohl der Europa-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff als auch Parteichef Christian Lindner wollen Griechenland nicht mehr um jeden Preis im Euro halten. So sagte Lambsdorff zu Beginn der Woche, er halte es nur für schwer vorstellbar, dass Griechenland bis zum 9. April einen überzeugenden Plan vorlege. Dann könne man den Austritt Griechenlands aus der Eurozone riskieren.

Mit welcher Skepsis die Liberalen die finanzpolitische Entwicklung und er Eurozone inzwischen betrachten, formulierte Parteichef Lindner unlängst so:

„Vor einigen Jahren war ein chaotischer Grexit die größte Gefahr, heute ist es ein Verbleiben im Euro unter den falschen Bedingungen.“

Deshalb erwarte er, dass die Bundesregierung „ihr lähmendes Denkverbot“ überwinde und einen Plan B entwickle:

„Ein drittes Hilfspaket im Sommer ist nicht alternativlos. Die eigentliche Frage daneben ist: Was ist mit Frankreich? Dass die EU Frankreich bis 2017 wieder mehr Schulden erlaubt, beschädigt die Autorität von Regeln in einer anderen Dimension als all das, was wir über Griechenland diskutieren“, sagte Lindner.[1]

Diefenbachs frustrierter Rückzug

Mit solchen Aussagen nimmt die FDP der AfD ein Stück weit ihr bisheriges Alleinstellungsmerkmal im bürgerlichen Lager und wendet sich wieder jenen zu, die der FDP damals den Rücken kehrten. Denn nach dem Ausbruch der Euro-Krise hatten Unternehmerkreise es der FDP übel genommen, dass sie in der schwarz-gelben Koalition die Rettungspolitik der Union mittrug. Als die FPD dann aus dem Bundestag ausschied, hegten sie leise Hoffnungen auf die AfD. Doch damit scheint es nun vorbei zu sein. Von Enttäuschung bei den Unternehmern ist die Rede, die Rufe nach der FDP werden wieder lauter. Und die wiederum geht mit ihren Aussagen zur Euro-Krise unübersehbar auf das Unternehmerlager zu.

Der Wunsch der Wirtschaft nach der Rückkehr der FDP als liberale Stimme in der deutschen Politik lässt sich inzwischen auch am Spendenaufkommen für die Partei ablesen. „Mit 1,617 Millionen Euro im Jahr 2014 hat die FDP das zweitbeste Ergebnis in einem Nicht-Wahljahr erreicht“, sagte FDP-Sprecher Nils Droste. „Etwa die Hälfte der Spenden kommen aus der Wirtschaft. Durch Dreikönig und das Wahlergebnis in Hamburg ist die Unterstützungsbereitschaft noch einmal spürbar gestiegen.“

All das wird in der AfD mit Sorge registriert. „Wenn die FDP tatsächlich ihren Kurs in der Europolitik wechselt, haben wir ein Problem“, heißt es in der AfD-Führung, die sich seit dem Jahreswechsel immer wieder durch Konflikte um den künftigen Kurs der Partei selbst blockiert. Personalien wie zuletzt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Bundesgeschäftsführer Georg Pazderski[2] und der frustrierte Rückzug des Vorstandsmitglieds Beatrix Diefenbach verhindern, dass etwa das eigene Abschneiden vor dem Hintergrund des Wahlerfolgs der FDP bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg analysiert wird.

Stiftung für Adam

Obwohl sie den Anspruch erhob, war die AfD in Hamburg nicht als liberale Kraft wahrgenommen worden.[3] In den von Parteichef Bernd Lucke und seinem Vize Hans-Olaf Henkel anvisierten bürgerlichen Milieus hatte die bereits todgesagte FDP die AfD weit hinter sich gelassen. Im Vorstand schoben sich verfeindeten Anhänger von Parteichef Bernd Lucke und das nationalkonservative Lager um Frauke Petry und Alexander Gauland gegenseitig die Schuld zu.

Auch Noch-Parteisprecher Konrad Adam zählt zu den Lucke-Kritikern. Doch anders als Petry oder Gauland, die auch künftig in der Parteiführung eine tragende Rolle spielen wollen, suchte sich Adam mit dem Aufbau einer parteinahen Stiftung seit längerem eine neue Aufgabe. Lucke unterstützte dieses Vorhaben möglicherweise auch in der Hoffnung, damit einen Kritiker ein wenig besänftigen zu können. Jedenfalls wählte das Gremium, dem neben den drei Parteisprechern noch vier weitere AfD-Mitglieder angehörten, Adam zum Vorsitzenden der Erasmus-Stiftung e.V.

Furcht vor dem Parteitag?

Doch kaum war Entscheidung getroffen, da regte sich auch schon Widerstand und auch die Stiftung war auf einmal ein Streitthema. Die Vereinsgründung verstoße gegen den Beschluss des Erfurter Parteitages, hieß es. Von möglichen Gegenanträgen war die Rede. Das ganze Vorhaben müsse gestoppt werden, da nur der für Juni geplante Bundesparteitag die notwendigen Entscheidungen fällen könne.

Dies sei keineswegs der Fall, sagen übereinstimmend Adam und sein Stellvertreter, der sächsische Fraktionsgeschäftsführer Michael Muster. Gleichwohl verabredeten sie, für die Eintragung ins Handelsregister und damit die Möglichkeit, den Antrag auf Gemeinnützigkeit zu stellen, erst einmal den Parteitag abzuwarten. Denn der Parteitag könne seine Zustimmung zur Stiftung an Bedingungen knüpfen und etwa den Wunsch äußern, dass die Satzung oder auch der Name geändert werde.

 

Anmerkungen

[1]Ich will Vollprogramm“, FDP.de

[2] Günther Lachmann, „Luckes eiskalte Eroberung der AfD“, GEOLITICO vom 4. März 2015

[3] Wolfgang Prabel, „Die AfD ist die Hoffnung der Armen“, GEOLITICO vom 17. Februar 2015

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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