„Rechtsnationale Massenbewegung“

Radikalismusforscher sehen PEGIDA als „neue echtsextreme, rechtspopulistische und rechtsnational motivierte Massenbewegung in Deutschland“. Die NPD werde von ihr profitieren.

Anfangs waren es einige Hundert, inzwischen sind es Tausende, die von Dresden bis Köln auf die Straße gehen. Ihre Bewegung nennt sich „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA). Am vergangenen Montag zählte die die Polizei bei der sechsten Demonstration in Dresden 5500 Teilnehmer. Zwar spielt die NPD bei diesen Demonstrationen überhaupt keine Rolle. Doch Radikalismusforscher ziehen eine direkte Verbindung vom Volksprotest zu der Partei, für die die  Bundesländer vor einem Jahr, genau war es der 3. Dezember 2013, im Alleingang ein neues Verbotsverfahren auf den Weg brachten. Sie sprechen von einer dramatischen Entwicklung.

„Wir haben erstmals wieder eine rechtsextreme, rechtspopulistische und rechtsnational motivierte Massenbewegung in Deutschland“, warnt etwa der Berliner Politologe Hajo Funke angesichts der in 33 deutschen Städte geplanten Schweigemärsche. Und für ihn steht außer Frage, wer von dieser Bewegung profitieren wird. „Mit diesen Demonstrationen gewinnt die NPD wieder an Aufwind“, sagt er.

„Angst und Ressentiment“

Zwar ist die Partei durch den Verlust ihres langjährigen Vorsitzenden Udo Voigt, durch katastrophale Parteifinanzen, durch die Niederlagen bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie den Aufstieg der AfD demoralisiert. Angesichts der durchaus aus dem bürgerlichen Lager gespeisten Marschbewegung werde sie sich jedoch schnell als Kraft zur Verteidigung des Abendlandes gegen Salafismus und Überfremdung begreifen und sich als solche einzubringen versuchen. Aufgeben werde die NPD auf jeden Fall nicht. „Das ist eine Überzeugungstäterpartei“, sagt Funke.

Seiner Ansicht nach mischen sich in der PEGIDA-Bewegung „verstehbare Ängste“ im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung, mit „Rechtspopulismus und weiterreichendem Rassismus“. „Angst wird in das Ressentiment gegen Ausländer und den Islam gerührt“, sagt Funke. Ursache für das Entstehen von PEDIGA seien Defizite in der politischen Kommunikation. „Zu viele Probleme auf einmal werden politisch nicht erklärt und damit nicht begreifbar“, sagt er.

Wie Funke sieht auch sein Dresdner Kollege Werner Patzelt „in den nächsten Monaten eine gigantische Verschärfung der Zuwanderungs- und Flüchtlingsproblematik“ mit erheblichen Folgen für das politische System. „Wenn die etablierten Parteien weiterhin nicht in der Lage sind, darüber eine vernünftige Diskussion hinzubekommen, und wenn auch die AfD diese Debatte nicht führen kann, dann sind neue Stimmengewinnen für die NPD möglich“, sagt Patzelt. Allerdings sieht er in den 5500 Demonstranten, die am vergangenen Montag in Dresden auf die Straße gingen, kaum potenzielle NPD-Wähler. „Das sind nicht die üblichen Verbohrten, sondern ganz bürgerliche Gruppen“, sagt er.

Rechts ist eine Lücke entstanden

Am ehesten werde die von einer ratlosen Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik gepägten Stimmung im Land der NPD zugute kommen, weil sie deren originäre Milieus mobilisiere. Patzelt beklagt ostentativ die „vollständige Passivität“ der aktuellen Flüchtlingspolitik. Den Kommunen würden Kontingente vorgegeben, und dann müssten sie sehen, wie sie die Flüchtlinge unterbringen.

„Der wortlose Protest der PEDIGA-Demonstrationen ist die Antwort der Bürger auf die Sprachlosigkeit der Politik“, sagt Patzelt. Er habe in der Zuwanderungspolitik und der Europolitik beobachtet, wie der öffentliche Diskurs nach links verschoben wurde. Rechts sei eine Lücke entstanden. „Die CDU will sie nicht schließen“, sagt Patzelt. „Und die AfD tut alles, um sich vom rechten Rand zu distanzieren.“ Das sei die Chance der NPD.

Seiner Ansicht nach ist es unsinnig, die AfD-Spitze mit Bernd Lucke, Frauke Petry und Alexander Gauland als rechtspopulistisch zu bezeichnen. Sie verträten im Wesentlichen ehemalige CDU-Positionen und seien sehr darum bemüht, die AfD zu professionalisieren, indem sie sich von problematischen Mitgliedern trennten.

Deutsch-nationales Milieu

„Es ist aber eine Frage, wie lange das noch gut geht“, sagt Patzelt. „Denn je tiefer man an die Basis geht, desto größer wird der Anteil an rechten Spinnern.“ Oder anders ausgedrückt: Der National-Konservatismus sei ein prägendes Element der neuen Partei.

Genau das mache die AfD so gefährlich, sagt wiederum Funke. Mit Patzelt ist er sich darin einig, dass die AfD-Spitze keinesfalls rechtsextrem sei, aber: „Auch die Nazis haben das deutsch-nationale Milieu gebraucht, um stark zu werden“, sagt er. Demnach wäre die AfD nur der Wegbereiter für den Aufstieg einer wirklich rechtsextremen Partei. Ob dies die NPD sein kann, sei einmal dahingestellt. Den von den Bundesländern eingereichten Verbotsantrag prüft das Verfassungsgericht nun bereits ein Jahr. Anzeichen dafür, dass es bald zu einer Entscheidung gelangen könnte, gibt es nicht.

Am Montag, 1. Dezember, wird in Dresden wieder demonstriert.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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