Wie Medien gesteuert werden

Die Wirtschaftswoche löste Chefredakteur Roland Tichy durch die im politischen System aufgestiegene Miriam Meckel ab. Was dort geschah, war mehr als ein Personalwechsel.

Allerorten hört man die Klage über den Leserschwund bei Zeitungen und Zeitschriften, aber weiterhin wird konsequent an einer Verengung und Verödung der Meinungsvielfalt in den Mainstream-Medien gearbeitet.

Am 15.11.2014 erschien ein Beitrag der neuen Chefredakteurin Miriam Meckel im Online-Portal der Wirtschaftswoche zum Thema „Strafzinsen auf Spargelder: „Privatanleger sollen neuerdings Strafzinsen zahlen. Unverschämtheit? Nein, derzeit das richtige Signal für offensivere Anlagestrategien.“[1]

Im Weiteren wird von Frau Meckel, die Niedrigzinspolitik der EZB zur Rettung der verschuldeten Eurozonen-Länder als völlig normales Verhalten einer Notenbank dargestellt. Die Nachricht an die Leser lautet: Es gibt keine Krise, wir sind auf dem richtigen Kurs, alles wird gut. Nur mit ihrem Sparverhalten müssen die Menschen sich halt ein bisschen anpassen:

„Wer sein Geld heute richtig anlegen will, muss sich vom Sparbuch verabschieden, die Anlagestrategie diversifizieren und vor allem auch überschaubare Risiken eingehen. Dazu kann der ärgerliche Strafzins durchaus einen Beitrag leisten: endlich die ängstliche Zurückhaltung deutscher Anleger gegenüber der Aktie zu brechen. Als Langfristanlage sind Aktien unschlagbar. Aus volkswirtschaftlicher Sicht darf der Strafzins ruhig richtig weh tun.“

Bilderbuchkarriere im politischen System

Man ist versucht, Frau Meckel zu fragen, ob sie wirklich so naiv ist, ihren Lesern einzureden, dass mit solchen Strafzinsen die finanzielle Repression beendet ist. Die Problematik von Aktienanlagen in einer Zeit unberechenbarer Schwankungen wird außerdem fahrlässig verharmlost.

Aber der Inhalt des Artikels soll nur als Beispiel dienen, was in der Wirtschaftswoche mit dem Wechsel der Chefredaktion passiert ist: Dort wurde ein Journalist mit volkswirtschaftlichem Hintergrund, ein unbequemer Mahner der herrschenden Politik, ausgewechselt durch eine stromlienienförmige Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin. Und die Systemkonformität der neuen Chefredakteurin überrascht eigentlich nicht.

Miriam Meckel ist fest im System der deutschen Funktionselite verankert: Sie arbeitete unter anderem als Journalistin beim WDR, war Staatssekretärin für Medien und Regierungssprecherin in Nordrhein-Westfalen unter SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement. Unter seinem Nachfolger Peer Steinbrück war sie dann Staatssekretärin für Europa, Internationales und Medien. Eine Bilderbuchkariere in unserem politischen System.

Es ist sehr wahrscheinlich kein Zufall, dass ausgerechnet sie bei der Wirtschaftswoche die Nachfolge des langjährigen und klassisch liberalen Chefredakteurs Roland Tichy übernommen hat. Von diesem wäre noch in der zweiten Jahreshälfte zum Thema „Strafzinsen“ ein ganz anderer Kommentar in der Wirtschaftswoche erschienen.

Redaktionelle Säuberung

Aber Tichy, ein bekennender Kritiker der Euro-Rettungsschirme, der EZB-Niedrigzinspolitik und der neo-keynesianischen Schuldenwirtschaft, war offenbar nicht mehr zu halten. Im Oktober dieses Jahres wurde Roland Tichy abgelöst.[2] Herr Tichy veröffentlicht jetzt in seinem eigenen Online Portal „Tichys Einblick“[3], aber nicht mehr in der Wirtschaftswoche. Damit ist die Reichweite seiner Kritik natürlich eingeschränkt.

Befürchtungen, dass mit diesem Wechsel in der Leitung der Wirtschaftswoche Vielfalt der Meinungen und Möglichkeiten zur Kritik an der von fast allen Parteien im Bundestag getragenen Politik der Euro-Rettung und der Niedrigzinsen beendet sein werden, haben sich nur allzu schnell erfüllt. Roland Tichy wird, wie gesagt, nicht einmal mehr Kommentare für die Wirtschaftswoche schreiben, was angesichts der unterschiedlichen Meinungen, die zu bestimmten Themen nun einmal vorhanden sind, eine durchaus vorstellbare Lösung gewesen wäre.

Sehr deutlich wird die redaktionelle Säuberung, die mit Frau Meckel Einzug gehalten hat auch in dem Umstand, dass die bisherige Kolumne von Bettina Röhl im Online-Portal der Wirtschaftswoche gestrichen wurde. Bettina Röhl wird somit nicht mehr jeden Dienstag streiten „für mehr Fairness und weniger Ideologien in der Wirtschaft und Politik“ (wie es noch auf der Internetseite der Wirtschaftswoche heißt).

Im Mainstream gelandet

Schade eigentlich, denn genau das ist für viele Leser das Defizit bei den Mainstream-Medien: zu wenig Fairness und zu viel Ideologie. Bettina Röhl veröffentlicht ihre „treffenden“ Beiträge (und sie muss wohl einige in der Elite getroffen haben) nun im Online-Portal ihres bisherigen Chefs.

Unter der Chefredaktion von Miriam Meckel ist die Wirtschaftswoche somit endlich zur Gänze im publizistischen und bundespolitischen Mainstream gelandet. Mission accomplished, Frau Meckel!

Für kritische Leser sind diese Vorgänge nichts Überraschendes mehr. Die schnelle Auswechslung der Chefredaktion lässt allerdings erahnen, wie sehr die Kritik an der aktuellen Finanz- und Europa-Politik in der bisherigen Wirtschaftswoche bestimmte Kreise in Politik, Hochfinanz und Exportwirtschaft gestört haben muss.

 

Anmerkungen

[1] Miriam Meckel, „Verbrechen und Strafe“, Wirtschaftswoche Online: http://blog.wiwo.de/chefsache/2014/11/15/versprechen-und-strafe/

[2] Thomas Heuzeroth, „Miriam Meckel neue Chefredakteurin der Wirtschaftswoche“, Die Welt: http://www.welt.de/wirtschaft/article127767332/Miriam-Meckel-neue-Chefin-der-Wirtschaftswoche.html

[3] „Tichys Einblick“: http://www.rolandtichy.de

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