AfD-„Rebell“ Pretzell tritt zurück

NRW-Chef Pretzell ist aus dem AfD-Vorstand zurückgetreten. Zwischen ihm und Bernd Lucke gab es tiefgreifende Differenzen. Die Partei macht mit Gold fast eine Million.

Lange schwelte die Auseinandersetzung an der AfD-Spitze zwischen Parteichef Bernd Lucke und dem nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Marcus Pretzell. Nun hat Lucke diesen Kampf für sich entschieden. Pretzell trat von seinem Beisitzerposten im Bundesvorstand zurück.

Pretzell suchte hingegen den Eindruck einer einvernehmlichen Entscheidung herzustellen. Demnach will er sich stärker auf seine Arbeit im nordrhein-westfälischen Landesverband konzentrieren. Pretzell wörtlich: „In Zukunft möchte ich meine Arbeitskraft in den Landesverband NRW investieren. Im Hinblick auf die Wahlen in 2017 und für die weitere Stabilisierung der Partei bin ich dort gefordert und sehe dort die besten Wirkungsmöglichkeiten für mich innerhalb der Partei.“ Auf Anfrage erklärte der Parteivorstand:

„Wir betonen, dass dem Rücktritt von Marcus Pretzell weder eine Rivalität, noch ein Streit noch ein Machtkampf zugrundeliegt, sondern, dass wir uns in den politischen Zielen der AfD völlig einig sind und an unterschiedlicher Stelle dafür gemeinsam weiterkämpfen werden. Bernd Lucke dankt Marcus Pretzell für die im Bundesvorstand geleistete Arbeit und wünscht ihm viel Erfolg für seine Arbeit im Landesverband NRW.“

Antipoden der AfD-Politik

In Berliner Parteikreisen besteht indes kein Zweifel, dass Lucke mit Pretzell seinen härtesten Widersacher aus dem Parteivorstand entfernte. Zwischen ihm und Lucke gibt es seit langem tiefgreifende inhaltliche Differenzen, und auch über den Aufbau und die Struktur der Partei seien die beiden grundsätzlich anderer Auffassung, heißt es. Pretzell habe andere Vorstellungen von Basisdemokratie und der Machtverteilung innerhalb der Partei.

Lucke und Pretzell waren in der Vergangenheit immer wieder als Antipoden der AfD-Politik in Erscheinung getreten. Wiederholt wurden ihre unterschiedlichen Auffassungen auch öffentlich. Am deutlichsten sichtbar wurden sie, als Pretzell vor der Europawahl an einer Veranstaltung mit dem britischen Ukip-Vorsitzenden Nigel Farage in Köln teilgenommen hatte. Farage war von den „Jungen Alternativen“ eingeladen worden. Lucke hatte Pretzells Teilnahme mit aller Macht verhindern wollen, weil er fürchtete, die AfD könne durch Ukip, die für einen Austritt Großbritanniens aus der Eurozone eintritt, vor der Europawahl als extremistisch wahrgenommen werden. Doch Pretzell widersetzte sich und folgte seiner Überzeugung statt der Anweisung aus Berlin.

Lucke war damals stinksauer. „Nigel Farage einzuladen ist ein Zeichen von mangelndem politischen Fingerspitzengefühl“, sagte er. „Es gibt erhebliche Differenzen zwischen der AfD und UKIP.“

Russland-Resolution

Für öffentliches Aufsehen sorgte im Sommer auch das unterschiedliche Abstimmungsverhalten der beiden im Europaparlament. Während Lucke und alle anderen AfD-Abgeordneten entgegen der Beschlüsse von Partei und Bundesvorstand einer Resolution zustimmten, die Sanktionen gegen Russland unterstütze, hielt sich Pretzell als einziger an die Parteivorgaben und stimmte gegen die Resolution. Als die Sache bekannt wurde, gerieten die beiden Vorstandsmitglieder Lucke und Hans-Olaf Henkel unter Erklärungsdruck. Nur mit Mühe konnten sie den AfD-Anhängern ihr Verhalten anschließend verständlich machen.

Als Pretzell nach seinem Einzug ins Europaparlament die stellvertretende Parteisprecherin Patricia Casale als Regionalassistentin in seinem Brüsseler Abgeordnetenbüro anstellte, legten ihm andere Mitglieder des Bundesvorstandes ihm dies zur Last. Was er in Brüsel treibe, habe Geschmäckle, das könne die AfD nicht dulden. Darum müsse entweder er sich aus dem Bundesvorstand zurückziehen oder Frau Casale.

„Am Dienstag habe ich Herrn Lucke meinen Rücktritt angeboten“, sagte Pretzell. „Dann haben wir gemeinsam entscheiden, dass wir noch mal zwei darüber nachdenken.“ Allerdings seien sie bereits einen Tag später zu der Überzeugung gelangt, dass der Rückzug die für alle günstigste Lösung sei. „Darauf habe ich per E-Mail meinen Rücktritt erklärt“, sagte Pretzell.

Probleme mit den Pro-Parteien

Pretzell ist zweifellos einer der wichtigsten und vielleicht mächtigsten Landesfürsten der AfD. Allerdings rumort es immer wieder in seinem Landesverband. Vor kurzem erst stimmten zwei Duisburger AfD-Ratsherren offen zugunsten der NPD ab. Die rechten Pro-Partein in Nordrhein-Westfalen rühmen sich immer wieder damit, wie eng die Absprachen zwischen ihren Ratsherren und denen der AfD in der Kommunalpolitik seien. Pretzell lehnt derartige Kooperationen strikt ab, dringt aber nicht immer bis in die unteren Gliederungen der Partei durch.

Der Machtkampf an der Spitze trifft die Partei in einer Phase, in der sie sehr erfolgreich einen Goldhandel zur Stabilisierung ihrer Finanzen aufgenommen hat. Parteimitglieder und Anhänger können über eine Internetseite verschiedenen Goldmünzen kaufen und auf diese Weise die AfD unterstützen. Im Angebot sind eine kanadische Maple-Leaf-Münze und eine südafrikanische Krugerrand-Münze zu je 112,56 Euro sowie eine Nachbildung eines Ein-Mark-Stückes aus Gold zum Preis von 485 Euro. Innerhalb von nur fünf Werktagen nahm die AfD mit dem Goldverkauf bereits rund 900.000 Euro ein. Ihr Ziel sind zwei Millionen Euro.

Vergoldete D-Mark

Anlass für den Handel gaben die Regelungen des Parteienfinanzierungsgesetzes. Danach muss die AfD jenseits von Einnahmen aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen ihre Einnahmen erhöhen, um in den Genuss der vollen Höhe der Parteienfinanzierung zu kommen. Und das sind jene zwei Millionen Euro, zu denen die AfD aus eigener Kraft noch zwei Millionen hinzuverdienen muss.

Wie zu erwarten war, erzielte die AfD mit dem goldenen Markstück den höchsten Umsatz. Die Partei hatte zunächst 90 Münzen für 45.000 Euro gekauft, die aber bereits vergriffen sind. Nun kaufte sie 50 weitere Münzen bei Privatbanken nach. Bleibt die Nachfrage so hoch, dürfte noch ein Satz von 50 Münzen nachgeordert werden.

 

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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