Der verklärte Blick auf Russland

Es gibt gute Gründe gegen eine enge politische Anlehnung an Russland zu sein. Alle Staaten, die sich an Russland banden, hatten oder haben Marionettenregierungen.

Zunehmend mehr Deutsche lehnen die Sicherheitsarchitektur der NATO unter amerikanischer Führung ab und favorisieren eine ausgleichende Außenpolitik zwischen Russland und dem Westen oder ein Bündnis mit Russland.  Als Vorbild wird oft Otto von Bismarck genannt, der eine selbstbewusste und ausgleichende Außenpolitik betrieben habe.

Bismarck als sicherheitspolitischer Nagel in der Wand? Zunächst müssen wir das Deutschland von 1871 und das Deutschland von 2014 vergleichen, und dann müssen wir mal sehen, ob Bismarck außenpolitisch so erfolgreich war, wie sein  langer Schatten es suggeriert.

Machtpolitisch eine Null

Das Deutschland von 1871 war militärisch mindestens gleichwertig mit Russland, Österreich und Frankreich machten auf der Landkarte was her. Das heutige Deutschland ist deutlich geschrumpft und liegt unbewaffnet zwischen den Atommächten Russland und Frankreich. Die Bundeswehr wird gerade zu einem Teilzeitkindergarten umgerüstet. Die Waffenbeschaffungspolitik ist seit Jahren durch Rücksichten auf Frankreich uneffektiv. Machtpolitisch ist Deutschland eine glatte Null. Die Bundeswehr ist durch den verlorenen Afghanistan-Feldzug auch noch demoralisiert. Deutschland 1871 und 2014 kann man nicht vergleichen. Deshalb sind die Voraussetzungen für eine Außenpolitik im bismarckschen Stil nicht vorhanden.

Bismarck als genialer Vermittler zwischen Ost und West? Beim Berliner Kongress 1878 vermittelte Bismarck den Balkankonflikt zwischen Russland, der Türkei, Österreich und Großbritannien. Russlands Lieblingswunsch eines Großbulgariens mit Zugang zum Mittelmeer wurde nicht erfüllt. Die Folge von Bismarcks Vermittlung war die Zerrüttung des deutschen Verhältnisses zu Russland. Das Verhältnis Russlands nicht nur zu Deutschland kühlte sich merklich ab, sondern auch zu Österreich.

Fatale Entscheidung

Das Dreikaiserbündnis wurde durch St. Petersburg gekündigt. Österreich erhielt auf dem Kongress den Auftrag, Bosnien-Herzegowina zu besetzen. Das erwies sich als fatale Entscheidung, denn in Sarajewo wurde Thronfolger Franz Ferdinand 1914 ermordet, was zum Ersten Weltkrieg führte.

Die ausgleichende Politik Deutschlands zwischen den Blöcken hat nicht funktioniert. Bismarck ärgerte sich im Nachhinein über seine Vermittlungsmission, weil er den angerichteten außenpolitischen Schaden erkannt hatte und bis zum Ende seiner Kanzlerschaft 1890 mit diplomatischen Reparaturarbeiten beschäftigt war.

Bleibt noch die Option eines Anschlusses an Russland. Alle Staaten, die sich an Russland anschließen, hatten oder haben Marionettenregierungen. Das betrifft Tschetschenien genauso wie die ehemalige DDR. Wenn heute Verbrechen der DDR-Führung erwähnt werden, so ist das lächerlich. Die Statthalter in Ostberlin hatten in entscheidenden Dingen wirklich nichts zu melden. Ihr einziges Verbrechen war, ihr Gesicht für die nationale Fassade einer ausländischen Diktatur hergegeben zu haben.

Eine Anlehnung an Russland ist auch deshalb nicht wünschenswert, da sie von Polen, der Westukraine, den baltischen Staaten, Finnland, Schweden, der Slowakei und Rumänien nicht mitgetragen wird. Es entstünde eine Situation wie beim Stalin-Hitler-Pakt. Letzterer hat nichts mit der Tradition bismarckscher Politik zu tun, sondern war das Werk des Außenministers Joachim von Ribbentrop. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde Ribbentrop 2.0 für Deutschland wieder in die Hose gehen.

Katharinas Schneeglöckchen

Bismarck hätte einen Anschluss Deutschlands an Russland vermieden. Denn aus seiner Botschafterzeit in St. Petersburg kannte er Russland zu gut. Russland war ihm zu despotisch. Einmal sah er in St. Petersburg einen bewaffneten Posten in einem Park stehen. Bismarck konnte sich über den militärischen Sinn keinen Reim machen. Er forschte nach. Niemand von den Vorgesetzten konnte ihm das Rätsel lösen. Der Posten stand eben auf Befehl.

Ein sehr alter Bediensteter kannte die Lösung. In der Regierungszeit von Katharina II, also hundert Jahre vorher, hatte an der Stelle besonders früh ein Schneeglöckchen geblüht. Katharina hatte den Posten angeordnet, damit es nicht zertrampelt wird. Sie selbst hatte die Entfernung des Postens verbummelt und ihre Untergebenen hatten sich nicht getraut, eine Entscheidung der Zarin zu hinterfragen.

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Über Wolfgang Prabel

Wolfgang Prabel über sich: "Ich sehe die Welt der Nachrichten aus dem Blickwinkel des Ingenieurs und rechne gerne nach, was uns die Medien auftischen. Manchmal mit seltsamen Methoden, sind halt Überschläge... Bin Kommunalpolitiker, Ingenieur, Blogger. Ich bin weder schön noch eitel. Darum gibt es kein Bild." Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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