Anzeichen für eine dritte Intifada

In den besetzten Palästinensergebieten schlägt die Verzweiflung der Menschen in Wut um. Und Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas droht die Kontrolle zu entgleiten.

Die israelische Armee setzt ihre Angriffe auf Gaza unvermindert fort. Dabei scheute sie nicht einmal vor dem Beschuss einer UN-Schule zurück, weil aus der unmittelbaren Umgebung der Schule angeblich Mörsergranaten abgefeuert worden seien. Täglich wächst die Zahl der getöteten Plästinenser. Für die Überlebenden ist die Versorgungslage katastrophal. Es fehlt nicht nur an Medikamenten zur Versorgung der vielen Verletzten, sondern am Nötigsten: Die Menschen haben nicht einmal mehr genügend Trinkwasser.

Von Gaza greift die Gewalt zunehmend auch auf die besetzen palästinensischen Gebiete über. In Nablus und Hebron lieferten sich Demonstranten Straßenschlachten mit der israelischen Armee, bei denen zwei Palästinenser erschossen wurden. Von Ramallah marschierten 10.000 Palästinenser zum Qalandiya Checkpoint. Israelische Grenzschützer sperrten die Region wegen der geplanten Demonstrationen am sogenannten al-Kuds-Tag ab. Es war die größte Demonstration im Westjordanland seit Jahrzehnten.

Tage des Zorns

Die Demonstranten warfen Steine, schossen mit Feuerwerksraketen und zündeten Autoreifen an. Die israelischen Soldaten feuerten mit Gummigeschossen und scharfer Munition. Seit Donnerstagnacht wurden insgesamt neun Palästinenser im Westjordanland durch Schüsse getötet, Hunderte wurden zum Teil schwer verletzt. Auf israelischer Seite seien 13 Polizisten leicht verletzt worden, hieß es in israelischen Medien.

Als Vorsichtsmaßnahme ließ die israelische Armee auf dem Tempelberg nur Frauen sowie Männer im Alter von über 50 Jahren zum Freitagsgebet in der Al-Aqsa-Moschee zu. Die Fatah hatte zuvor den „Day of Rage“ (Tag des Zorns) ausgerufen.

Auf palästinensischer Seite wird die Demonstration als spontane Protest-Veranstaltungen gegen das anhaltende Töten von Zivilisten in Gaza bezeichnet. Die Demo wurde ebenso wie viele andere Kundgebungen über Twitter mobilisiert. Da es diesmal jedoch so viele Demonstranten waren, vermutet das israelische Militär in diesem Fall, Hamas-Aktivisten könnten diesen Marsch der 10.000 Demonstration schon vorher organisiert haben.

Angesichts der Entwicklungen stellt sich die Frage: Ist dies der Beginn der dritten Intifada? Die Frage ist berechtigt. Denn aus der Verzweiflung der Palästinenser wird immer mehr Wut: Jugendliche und junge Erwachsene traktieren die Mauer, mit der Israel sie eingeschlossen hat, mit Steinen und Feuerwerkskörpern.

Wie lange noch?

Die ersten beiden Intifadas haben gezeigt, dass solche Unruhen Monate, wenn nicht sogar Jahre anhalten und zur vollständigen wirtschaftlichen Lähmung führen können. Auf lange Sicht würde ihnen das keine Vorteile bringen, sondern ihre Situation eher nur noch weiter verschlechtern.

Die Älteren haben die letzte Intifada noch in lebendiger Erinnerung. Sie möchten solche Verhältnisse am liebsten vermeiden. Aber wird das möglich sein? Ist es wirklich besser, sich nicht zu wehren? Diese Position in der palästinensischen Bevölkerung scheint zu bröckeln. Vor allem den Jüngeren scheint eine dritte Intifada unausweichlich, wenn sich keine Fortschritte in den Friedensverhandlungen zeigen.

Im Grunde genommen ist es erstaunlich, wie lange die Sicherheitskräfte der Palestinian Authority mit der israelischen Armee zusammenarbeiteten, ohne dass es zu Ausschreitungen zwischen den beiden kam. Vermutlich ist das Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas zu verdanken. Auch wenn die Einigung von Hamas und Fatah einiges aufs Spiel setzte, hat sich die Kooperation von israelischer und palästinensischer Armee im Westjordanland bewährt. Ein Grund dafür ist sicher die ablehnende Haltung der palästinensischen Armeechefs gegenüber der Hamas. Sie nutzen die Zusammenarbeit mit der Israel, um eine Rückkehr der Hamas ins Westjordanland zu verhindern. Aber werden sie auf diese Weise eine dritte Intifada stoppen können?

Es brodelt

Die letzte Intifada liegt über ein Jahrzehnt zurück. Doch Situation im Westjordanland spitzt sich mehr und mehr zu. Abbas entgleitet die Kontrolle über die Palästinenser. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis er sie ganz verliert.

Sollte sich nicht bald eine Lösung im Gaza-Konflikt finden, wird eine dritte Intifada wohl immer wahrscheinlicher. Denn es brodelt in der palästinensischen Bevölkerung. Schließlich sind bereits 10.000 aufgestanden. Das hat es in den vergangenen Jahren seit der letzten Intifada nicht mehr gegeben.

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