Deutschland als Sündenbock Europas

Der Europa-Wahlkampf hat gerade erst angefangen, und schon sind die Deutschen Zielscheibe der Kritik. Deutschland soll sich auf Kosten des Südens bereichert haben.

Kürzlich hatte die Bundesbank gefordert, erst einmal die Vermögenden in den Krisenstaaten selbst durch eine Sondersteuer an der Rettung ihrer Staaten zu beteiligen. Sie tat dies vor allem auch im Hinblick darauf, dass es in den Krisenländern der Südperipherie eigentlich sehr viele große Vermögen gibt. Obwohl das so ist, zahlen aber vor allem die Nordstaaten der Eurozone, darunter Länder wie Lettland oder Estland erneute Schuldenschnitten oder Rettungspakete.

Nun hat der immer noch für Deutschland im Europäischen Parlament sitzende griechischstämmige FDP-Abgeordnete Jorgos Chatzimarkakis – fast könnte man sagen: als Antwort auf die Vorstellungen der Bundesbank – ganz neue Ideen unterbreitet, wie man den Griechen helfen müsse.  Kern seiner Aussagen in der Bild-Zeitung (1) ist, dass Deutschland sich in der seit 2010 andauernden Euro-Schuldenkrise bereichert habe. Chatzimarkakis, dessen Doktortitel ebenso wenig Bestand hatte wie der von zu Guttenberg oder Schavan, spricht davon, dass es an der Zeit sei, die Wahrheit über die Gewinner der Schuldenkrise zu sagen, Deutschland habe an der Krise der Schuldenländer verdient:

„Denn: Anleger seien wegen der Schuldenkrise in die sicheren Anleihen der EU-Nordländer geflohen. Dadurch seien die Zinsen gerade für Deutschland drastisch gesunken. ‚Durch Billig-Zinsen und deshalb mögliche rasche Tilgungen haben Bund, Länder und Gemeinden rd. 114 Milliarden Euro gespart‘, hat Chatzimarkakis ausgerechnet.“

Deutschland soll 114 Milliarden Euro zahlen

Chatzimarkakis fordert nun, dass diese Zinsgewinne umgehend den Schuldenländern zur Verfügung gestellt werden. Seine Vorstellung ist, dass Deutschland diese von ihm errechneten 114 Milliarden zum Beispiel in einen Fonds einzahlen könne, um nachhaltiges Wachstum in den Schuldenländern zu erzeugen. Er äußert sich allerdings nicht dazu, welchen Verteilungsschlüssel er für diese Summe anlegen will.

Wer von den Krisenländern soll denn wie viel bekommen? Und wie erzielt man Wachstum in einer Ökonomie wie der Griechenlands, in der es Unternehmer durch Korruption der Verwaltung und überdurchschnittlich große Streikbereitschaft traditionell sehr schwer haben? Aber das sind alles schon Fragen, die viel zu sehr ins Detail gehen.

Fragen über Fragen

Fragen könnte man auch, warum der Tatbestand der Bereicherung erfüllt sein soll, wenn Deutschland weniger Zinsen zahlen muss als z.B. Griechenland, das war vor Einführung des Euro der absolute Normalfall. Wie er ja selbst formuliert, sind im Verlauf der griechischen Schuldenkrise, die durch – ja genau – eine zu hohe Verschuldung der Griechen entstanden ist, die Anleger in die sicheren Anleihen der EU-Nordländer geflohen. Es ist nicht so, dass Deutschland sie mit vorgehaltener Waffe gezwungen hat. Fragen über Fragen.

Es ist aber vermutlich sinnlos, einen wirklich tieferen Sinn in den Äußerungen von Chatzimarkakis zu vermuten.  Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass sich Jorgos Chatzimarkakis im Wahlkampf befindet, und zwar im griechischen Europa-Wahlkampf. Er tritt bei der Europa-Wahl im Mai mit einer eigenen Partei in Griechenland an und geht nun dort auf Stimmenfang. Dass er bis Mai eigentlich noch ein deutscher Abgeordneter ist, ist unwichtig geworden.

Deutsche Rentner nach Griechenland!

In der FDP ist er inzwischen isoliert und hat wohl keinen aussichtsreichen Listenplatz für die Europa-Wahl bekommen. Man kann sich auch vorstellen, dass in der FDP angesichts des Rauswurfs aus dem deutschen Bundestag ein ziemliches Gedrängel bei der Aufstellung der Kandidatenliste für das europäische Parlament gegeben hat, schließlich gibt es hier nicht die ärgerliche 5-Prozent-Hürde. Chatzimarkakis ist jedenfalls nicht mehr dabei. Schon seit längerem versucht er sich deshalb in Griechenland zu positionieren. Ob aber die Griechen mit ihm glücklich werden?

Schon im April 2013 hat er in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung zum Besten gegeben, was für ihn alles vorstellbar wäre, um die griechische Wirtschaft wieder auf Vordermann zu bringen:

„Zudem sei Griechenland ein perfektes Rentnerland. Sonne satt und viele leerstehende Dörfer. Die sollen gefüllt werden mit Senioren aus aller Welt.  Chatzimarkakis’ Idee: Griechenland erhält von den die Rentner entlassenden Ländern einen Abschlag, um die Dörfer altengerecht umzubauen und sein Gesundheitssystem anzukurbeln, umgekehrt werden anderswo die Rentenkassen entlastet.“

 

Ein gefundenes Fressen

Auch hier ist auffallend, wie unausgegoren seine Ideen sind, die er öffentlich vorträgt: Welche Entlastung von Rentenkassen sollte es geben? Natürlich würden die Renten aus Deutschland weiter an die deutschen Rentner in Griechenland zu überweisen sein, da Griechenland sehr wahrscheinlich auch in Zukunft kein Geld für deutsche Rentner übrig haben wird.  Für die Bild-Zeitung ist der Vorstoß von Chatzimarkakis nach einer Abschöpfung deutscher Zinsgewinne jedenfalls ein gefundenes Fressen:

„Wir Deutschen zahlen, zahlen und zahlen – dabei haben griechische Haushalte mehr Geld zur Verfügung als deutsche! (…) Im Mittel verfügt ein griechischer Haushalt über 101900 Euro Vermögen, hat die Eurobank EZB bereits 2013 ermittelt. Ein deutscher Haushalt kommt dagegen gerade mal auf 52000 Euro.“

Es wird einfach weitergemacht

Ach ja, man spürt förmlich, wie Europa jeden Tag zusammen wächst.  Auch ein anderer Altmeister des Politklamauks hat sich dieser Tage wieder einmal gemeldet: Silvio Berlusconi (2). Er will jetzt für das Europa-Parlament kandidieren. Man kennt es vielleicht. In manchen Actionthrillern stürzen über dem sich durch die Landschaft prügelnden Protagonisten ganze Häuser zusammen. Nachdem der Staub sich gelegt hat, sieht der Zuschauer, wie ein Arm sich aus dem Dreckhaufen herausbohrt; und dann kriecht der Held daraus hervor und macht da weiter, wo er vorher aufgehört hat (also mit der Schlägerei mit den bösen Jungs).

So ähnlich ist es auch mit Silvio Berlusconi. Rechtskräftige Verurteilung wegen Steuerbetrugs, Zusammenbruch der politischen Macht, und eigentlich darf man nicht mehr an Wahlen teilnehmen? Egal, es wird einfach weitergemacht. Jetzt liest man in Zeitungsberichten, dass Berlusconis Forza Italia den Kampf gegen die „calvinistische Mentalität“ des Nordens aufnehmen will.

Politisches Getöse

Der Parteichef der Partei Brunetta hat die unumstößliche Vorstellung, dass sich Deutschland auf Kosten des Südens bereichert habe. Also wieder der Vorwurf der Bereicherung, diesmal durch die Export-Überschüsse.  Die Wahl zum Europa-Parlament ist erst im Mai, aber das politische Getöse und die Zielrichtung mancher der Kandidaten, und seien ihre Chancen noch so gering, ist nicht zu übersehen. Die Deutschen sind zur Zielscheibe der Kritik all jener in der Süd-Peripherie der Eurozone geworden, die keine Lust mehr haben, für den Euro zu leiden, aber keinen Schneid haben, ihren Austritt aus der Zone zu fordern. Jetzt im Februar2014 erleben wir wohl erst den Anfang.

Weiterführende Links:

(1) http://www.bild.de/politik/inland/griechenland-krise/fdp-politiker-will-den-griechen-ein-milliarden-geschenk-machen-34552998.bild.html
(2) http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/02/06/eu-wahl-berlusconi-macht-stimmung-gegen-merkel/

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