Schäubles Herablassung auf Portugal

Portugal soll mehr Geld bekommen, empfiehlt das Finanzministerium. Es lobt die Reform-Regierung in Lissabon – und kritisiert das selbstbewusste Verfassungsgericht.

Das von Wolfgang Schäuble geführte Finanzministerium will der Auszahlung von weiteren 1,8 Milliarden Euro an Portugal zustimmen. Schäuble stützt bei seiner Empfelung auf den jüngsten Prüfbericht der sogenannten Troika, also der Kontrolleure von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). In dem Bericht befand die Troika, das Krisenland am Atlantik sei reformpolitisch auf einem guten Weg. Zu verdanken sei dies vor allem der portugiesischen Regierung.

„Vor dem Hintergrund der erfolgten Programmumsetzung befürwortet die Bundesregierung die Auszahlung der nächsten Kredittranche an Portugal“, schrieb der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), nun dem Haushaltsausschuss des Bundestages. Die Troika komme in ihrem Prüfungsbericht zu dem Ergebnis, dass die portugiesische Regierung die Reformen planmäßig umsetze und „alle relevanten Auflagen erfüllt wurden“.

Weiterhin hohe Arbeitslosigkeit

Während Kampeter auf den ersten Seiten seines Schreibens von verbesserten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Land schreibt, räumt er auf den letzten Seiten ein, dass „die Troika den Wirtschaftsausblick Portugals als noch fragil“ einstufe. „Die Notwendigkeit, den hohen privaten und öffentlichen Schuldenstand weiter abzubauen, wird das Tempo der wirtschaftlichen Erholung nach Einschätzung der Troika drosseln“, so Kampeter. Zudem sei die weitere Entwicklung in der übrigen Eurozone und bei den wichtigsten Handelspartnern Portugals entscheidend.

Nach wie vor leidet das Land unter hoher Arbeitslosigkeit. Insgesamt sei die Arbeitslosigkeit nach einem Höchststand von 17,6 Prozent im ersten Quartal 2013 auf nunmehr 15,5 Prozent gesunken. Doch die Jugendarbeitslosigkeit verharrt trotz eines Rückgangs von vier Prozentpunkten mit 36,8 Prozent auf hohem Niveau.

„Risiko Verfassungsgericht

Ein besonderes Risiko für die Reformpolitik sieht die Bundesregierung im portugiesischen Verfassungsgericht. „Risiken für den Konsolidierungskurs bestehen zum einen durch ausstehende Verfassungsgerichtsurteile gegen bestimmt im Haushalt 2014 vorgesehene Sparmaßnahmen“, schreibt Kampeter. Dem Gericht seien nämlich vier weiter Vorgaben zur Prüfung eingereicht worden. Sollte das Gericht nicht im Sinne der Troika entscheiden, würde es „einen neuen Konsolidierungsbedarf in Höhe von 0,4 Prozent des BIP auslösen“. Außerdem sehe die Troika „Implementierungsrisiken bei bereits vorgesehenen Personal- und Ausgabenkürzungen“.

Im vergangenen Jahr durchkreuzte das Verfassungsgericht die Pläne von EU, EZB, IWF und der Regierung in Lissabon, indem es die verordnete Angleichung der Altersversorgung im öffentlichen Dienst an den privaten Sektor für verfassungswidrig erklärte. Damit habe das Gericht einen „neuerlichen Konsolidierungsbedarf von 0,2 Prozent des BIP“ ausgelöst, so Kampeter.

Defizitziel von 4 Prozent

Allerdings habe die Regierung in Lissabon schnell reagiert. Sie beschloss eine Erhöhung des außerordentlichen Solidaritätsbeitrags auf Pensionen sowie eine Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages der öffentlich Bediensteten. „Darüber hinaus arbeitet die Regierung an einer strukturellen Reform der Pensionen mit dem Ziel, die langfristige Tragfähigkeit des Systems zu verbessern“, schreibt der Staatssekretär

Für 2013 gehe die Troika davon aus, dass Portugal ein Haushaltsdefizit in Höhe von 5,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erzielt habe. Der für das laufende Jahr zwischen Regierung und Troika abgestimmt Haushalt sei vom Parlament „ohne wesentliche Änderungen“ beschlossen worden und stehe nach Ansicht der Troika-Kontrolleure „im Einklang mit dem vereinbarten Defizitziel von 4 Prozent“.

Kritik der Linken

Das heißt, auch im laufenden Jahr müssen die Portugiesen weiterhin kräftig sparen. Denn in dem von der Troika vorgegebenen Defizitziel von 4 Prozent sind bereits „Konsolidierungsmaßnahmen in Höhe von 2,3 Prozent“ eingepreist.

Erstaunt über die optimistische Einschätzung der Bundesregierung äußerte sich die Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages, Gesine Lötzsch (Die Linke). „Die angebliche gute wirtschaftliche Entwicklung scheint bei den arbeitslosen Jugendlichen nicht angekommen zu sein“, sagte sie. Sie frage sich, was aus dem groß angekündigten EU-Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit geworden sei.

„Dem Gericht mit Respekt begegnen“

Etwas eigenartig finde sie auch die in Kampeters Schreiben projizierten Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung Portugals. „Nur die Zahlen für die Zukunft sehen positiv aus“, sagte Lötzsch. „Das ist zumindest auffällig.“ Ganz und gar unangebracht sei die Art und Weise, in der sich Kampeter und die Troika über das portugiesische Verfassungsgericht äußerten. „In Deutschland würde niemand so herablassen über das Verfassungsgericht reden“, sagte die Linken-Politikerin. „Darum sollten wir auch dem portugiesischen Verfassungsgericht mehr Respekt entgegenbringen.“

Die Linke hält die Sparmaßnahmen grundsätzlich für falsch, weil sie die Inlandsnachfrage erstickten und so eine nachhaltige Erholung verhinderten. Die Partei plädiert für ein breit angelegtes Investitionsprogramm.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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