Chinas Deutschland-Offensive

China geht zum Großangriff über, bei dem Technologie und Marken in Windeseile übernommen und aufgebaut werden, um schnell die globale Führerschaft in wichtigen Industien zu erreichen.

 

Wenn amerikanische Intellektuelle, Manager und Politiker die Chinesen loben, dann oft dafür, dass sie sich zum Kapitalismus bekannt haben. Der Vormarsch der  privaten Industrie, die weitere Öffnung des Finanzsystems und des Investment-Regimes sowie der wachsende Einfluss von Preisen auf wirtschaftliche Entscheidungen: Sie gelten flüchtigen Beobachtern – wie auch ideologisch verblendeten Analysten – als Beweis für den Siegeszug des Kapitalismus im größten von einer KP beherrschten Land der Erde.

Doch es ist und bleibt Wunschdenken, was Amerikaner und andere im Westen stets zu dem Schluss kommen lässt, die Führung in der Volksrepublik habe sich für ein wirtschaftspolitisches Kochrezept entschieden, das bei uns selbst derzeit gründlich in Misskredit gerät.

„Effizienter Markt, effektive Regierung”

Wenn man in Asien reist, vor allem in China, sieht man, dass der Staat fast allerorten seine strenge – und weit reichende Hand – behalten hat und nicht loslassen will. Die China Daily macht das in ihrer Wochenausgabe “Asia Weekly” – die Zeitungen in Südostasien zu propagandistischen Zwecken beigelegt wird – deutlich.

Dort wird in einem Kommentar das chinesische Wirtschaftsmodell so beschrieben: „Effizienter Markt, effektive Regierung.” Es wird also gar kein Zweifel daran gelassen, wer das Zepter führt. Es ist jedenfalls nicht der Markt. Der soll im Rahmen des Freiraums funktionieren, den ihm die politischen Eliten gewähren. Basta. Von Kapitalismus kann da keine Rede sein.

Über 100 Milliarden Direktinvestitionen

Das macht ein weiteres Stück in der China Daily-Ausgabe deutlich. Es beschreibt unter der Schlagzeile “Investment growth triple that of GDP”, dass Chinas Direktinvestitionen im Rest der Welt fast drei Mal so schnell wachsen wie die chinesische Wirtschaft selbst. In dem Bericht wird festgestellt, dass Chinas Investitionen in Firmen, Fabriken und andere Anlagen in Übersee von Januar bis September des Jahres um 20 Prozent auf 73 Milliarden Dollar gestiegen sind.

Das heißt, dass China in diesem Jahr mit fast 100 Milliarden Dollar erstmals mehr direkt im Ausland investieren wird, als Ausländer in China investieren. Die Chinesen selbst kommen offiziell nicht zu diesem Schluss, weil die Direktinvestitionen nach China hinein zuletzt bei über 100 Milliarden Dollar im Jahr lagen.

Geld auf dunklen Kanälen

Doch es gibt verschiedene Studien, die ich mir für ein Buchprojekt besorgt habe, die von den Direktinvestitionen nach China hinein zwischen 25 Prozent und 50 Prozent abziehen, weil dieses Geld auf dunklen Kanälen zuerst die Volksrepublik verlässt (zu hoch angegebene Importrechnungen zum Beispiel), um dann als internationales Anlagekapital deklariert zurück ins Land zu kommen und Steuerprivilegien zu genießen.

Staatsfirmen, die von der eisernen und strategisch ausgerichteten Hand der Regierung geführt werden, haben an der Investment-Welle Chinas in Übersee einen Anteil von 75 Prozent.

Investitionen in Deutschland

Zwei Dinge sind an dem Bericht interessant. Erstens: Chinas Direktinvestitionen im Ausland zielen in jüngster Zeit deutlich stärker auf die Industrie und den Service-Sektor, nicht mehr so einseitig auf die Sicherung von Rohstoffen und Energie-Quellen.

Zweitens: Nur 13,9 Prozent von Chinas M&A-Deals in Übersee zielen auf Europa. Wegen der Vielsprachigkeit, den untersciedlichen Mentalitäten und dem noch lange nicht realisierten Binnenmarkt ist Europa für viele chinesische Firmen sehr schwer zu knacken, abgesehen von den eigenen Schwächen, mit denen sie kommen. Doch während in den ersten 9 Monaten des Jahres Chinas Direktinvestitionen in Europa um 25 Prozent zurückgingen, schossen sie in Deutschland um 72 Prozent in die Höhe, in Frankreich stagnierten sie.

Jagd nach Know How

Hier wird ganz klar, was wir vor uns haben, ohne jeden Tag die gesamte Entwicklung zu erfassen. China bringt seinen Großangriff auf den Weltmarkt jetzt auf Hochtouren, jenen Angriff, bei dem Technologie und Marken in Windeseile übernommen und aufgebaut werden, um schnell die globale Führerschaft in wichtigen Industien zu erreichen. Und Deutschland wird eines der Top-Angriffszile sein.

Chinesische Firmen sind aber nicht nur auf der Jagd nach Know How und globalen Marken. Sie müssen auch den teuer gewordenen Küstenregionen der Volksrepublik adé sagen. Dort steigen die Löhne seit Jahren im Schnitt um 10-15%. Jetzt zeigt sich aber, dass das Ausweichen in die “billigeren” Inlandsprovinzen weiter im Westen von China in vielen Fällen keine attraktive Option ist, weil es dort nicht die etablierten Lieferketten gibt, die moderne Firmen unbedingt brauchen.

Druck zur Expansion

Außerdem haben sich die Löhne im Westen China in den vergangenen 3-5 Jahren rasant angenähert. Und in Südostasien – Vietnam, Thailand oder Indonesien zum Beispiel – ist es schwierig, immer die richtigen Leute in der gewünschten Zahl zu bekommen. Daher bereiten sich viele Firmen in der Region auf eine Expansion nach Europa und in die USA vor.

Dabei nimmt der Anteil der Privatfirmen, die nicht die starke Hand des Staates gereicht bekommen, deutlich zu. Das alleine zeigt, dass der Druck zur globalen Expansion sehr stark geworden ist. – Wir können uns auf einiges gefasst machen, vor allem auch, weil Chinas große Staatskonzerne während des Wechsels zur neuen Führungsgeneration, der jetzt vollzogen ist, langsamer gemacht haben und im nächsten Jahr einen Zahn zulegen werden.

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Über Markus Gaertner

Markus Gaertner war über viele Jahre freier Wirtschafts-Korrespondent mit Sitz in Vancouver. Heute arbeitet er für den Kopp-Verlag. Weitere Artikel

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