Die frustrierte Gesellschaft

Für die große Mehrheit verschwimmt die hochausdifferenzierte Realität, sie wird in einer vereinfachten Form wahrgenommen. Auch deshalb steigt die Verdrossenheit.

 

Die Unzufriedenheit mit Wirtschaft und Gesellschaft wird intensiver und der Verdruss über die bestehenden Verhältnisse wird breiter – der überwiegende Teil der Gesellschaft ist mittlerweile frustriert, es gilt ein allgemeines Missfallen an Politik und Wirtschaft, das aber in seiner Frustration steckenbleibt.
Die schreibende und theoretisierende Minderheit kümmert sich wenig darum, wie die Mehrheit die – ja, klar – verschlungenen bestehenden Verhältnisse sieht, eher neigt man noch zur Komplexitätssteigerung in der papiergeführten Auseinandersetzung. Vielleicht kommen deswegen auch Theorie und Praxis nicht mehr zusammen.

Minderheitenperspektiven

Die unbeschönigende Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Wirtschaft und unserer Überwachungsgesellschaft (um einen aktuellen Aspekt herauszustreichen) ist mittlerweile in den Feuilletons der qualitätsvolleren Zeitungen angekommen.

Jedoch, die kritischen Beschreibungen und Erklärungen der Realität – an sich die vornehmste Aufgabe von journalistisch und wissenschaftlich orientiertem Denken – erreicht die großen Mehrheiten nicht. Das ist nicht nur eine Frage der Medien, sondern auch eine der Sprache, der angewendeten Begrifflichkeit.[1]

Die Mehrheit der Bevölkerung sieht – kulturgemäß – viele Ausdifferenzierungen und Kontexte in Wirtschaft und Gesellschaft nur sehr diffus, oft in einer Art von magischem Denken. Wirklichkeit ist für diese Mehrheit, anders als für die kritische Minderheit, nicht fluid und gestaltbar, sondern eher ziemlich festgelegt und ungestaltbar, dem Einzelnen bleibt da nicht viel anderes übrig, als sich einzufügen und anzuschmiegen.

Die Welt der Intellektuellen

Kritisches Denken, eine intellektuelle (um diesen alten Begriff aufzugreifen) Weltsicht, wurde durch das Verständnis der Aufklärung und dem Leitziel einer humanistischen Bildung den Menschen nahegebracht. Aufklärung ist Anstrengung, mehr Quälerei als Wohltat, etwa durch gute Lehrer oder durch Selbstbildung zum Wissen hingeführt zu werden, dass letztlich die Menschen für ihre Wirklichkeit selbst verantwortlich sind. Quälerei umso mehr, als man als Einzelner tatsächlich kaum etwas gestalten, verändern kann.

Das illustriert auch, wie unerbaulich die Dialektik von Bildung ist: Die Menschen sind für vieles verantwortlich, für Kriege, Leiden, Unrecht, Demütigungen, Hunger und das Ausgesetztsein von willkürlichen gesellschaftlichen Mächten. Aber der einzelne Mensch, der dann, wenn er das begriffen hat, auch Unrecht ändern will, schlägt schnell an die harten Mauern der trägen Mehrheiten. Man sollte viel und kann tatsächlich wenig tun.

Mehr humanistische Bildung

Nun gut, diese ‚aufgeklärte‘ Minderheit kann in Depression versinken oder Bücher und Essays schreiben und versuchen, Aufklärung voran zu treiben und widerständische Gruppen zu organisieren. Aber die Sprache der Intellektuellen, ihre Begriffsstruktur und ihr Modell der Wirklichkeit, das Veränderbarkeit, also die Gestaltung durch den Menschen im Zentrum hat, erreicht die großen Mehrheiten nicht. Dafür bräuchte es mehr (humanistische) Bildung für mehr Menschen. Bildung – nicht naturwissenschaftliche Ausbildung für die Industrie. Aber auch der größere Teil jener, die formal so eine Bildung genossen haben, interessieren sich nicht besonders für Veränderung und Auseinandersetzung.

Intellektuelle machen ihr Geschäft und formulieren ihre Perspektiven. Im Wesentlichen für andere Gleichgesinnte. Die Orte dieser Auseinandersetzung sind aber keine problemlosen, sondern oft recht heftig umkämpfte Hot Pots. Wer Platz in der Wärme haben will, der muss sich den Spielregeln fügen, die dortige Sprache sprechen und sich in deren Anerkennungsmuster einfügen.

Gehör finden

Die meisten, die Ideen haben, werden nicht gehört, viele, die öffentlich schreiben oder denken wollen, finden keinen Platz dafür. Meist, wie etwa in der etablierten Wissenschaft oder Journalistik, ist es eine Ochsentour, schließlich einmal Gehör zu finden.

Wie aber kann die Mehrheit, die nicht durch die harte Schule der Aufklärung und humanistischen Bildung geführt wurde und damit auch etwas anfangen kann, mit Wirtschaft und Gesellschaft umgehen? Wie sehen diese Menschen ihre Welt?

Mehrheitsperspektiven

Versuchen wir, genauer hinzuschauen. Menschen werden in eine vorhandene Welt hineingeboren, das Milieu ihrer Familie wird dann langsam zur Selbstverständlichkeit, wie diese Welt ist und funktioniert. Vor allem das Fernsehen bringt die große Erzählung von einer zweiten Welt, von den Schönen und Reichen, von Luxus und Abenteuer kontrastierend hinzu.

Für Kinder und Jugendliche ist das Fernsehen nach wie vor das Leitmedium, auch der Computer funktioniert vielfach als Fernsehen, daneben als Spiel- und Chat-Maschine. Soziale Netzwerke sind im Wesentlichen Chat-Maschinen.

Hausverstand

Kinder und Jugendliche erlernen ihre Welt, auch wenn sie mitunter in der Schule lernunwillig sind. Es ist eine Art von Hausverstand-Lernen[2]: einfach, robust und unprätentiös. Die Umwelt, die anderen Menschen, die sind immer schon da, und um dabei zu sein, um auch dazu zu gehören, muss ich mir sinnvollerweise ihr Verhalten aneignen. Die Herdplatte ist heiß, das tut weh, wenn man hingreift, einen Besucher in den Bauch zu boxen, das mag der gar nicht – spätestens beim dritten Mal hat man das gelernt und verfeinert später das Wissen dazu.

Magie des Konsums

Heute beginnen Kinder schon früh in die Welt des Konsums einzutauchen. Die Inhalte im Fernsehen und in der Werbung verstehen Kinder wörtlich, das weiß man schon längere Zeit:[3] Ein Duschgel macht zufrieden, eine Spielekonsole macht Abenteuer und Spaß, eine Automarke bringt Glücksgefühle. Das sind magische Gegebenheiten, die Kinder lernen. Auch wenn sie später dann erfahren, dass Werbung lügt, bleibt wohl ein Rest des Magischen bestehen, genauso, wie wir im Kern unserer Psyche oft das kleine Kind mitschleppen.

Dazu kommt, dass größere Kinder rasch entdecken, dass bestimmte, vor allem heftig beworbene und teure Konsumgüter eine zweite magische Wirkung haben: die Anderen interessieren sich dafür, aus der Peer-Group kommt Achtung, Anerkennung, mitunter Neid. Jedenfalls findet man Aufmerksamkeit mit dem stolz oder schlauerweise eher beiläufig (Understatement) präsentierten Produkt.

Das Mittelschicht-Elternideal

Haben diese Kinder-Verkaufsagenten mithilfe ihrer Eltern es geschafft, die Peer-Group auch zum Kauf solcher magischen Dinge zu animieren, dreht sich das Bild. Wer jetzt keine aktuellen Marken-Sneakers, kein angesagtes Smart-Phone oder was immer en vogue ist, hat, wird zum Außenseiter, zum „Opfer“, zum Prolo. Das Mittelschicht-Elternideal fürchtet nichts so sehr, wie die Diskriminierung ihres kleinen Lieblings; da spielen natürlich auch persönliche Erfahrungen mit, aber so gut es geht, erfüllt man Konsumwünsche der Kleinen, sie sollen nicht darunter leiden, weniger zu haben, als andere.

Ja, Magie – nur wer mithalten kann, besser noch: Wer zur Konsumavantgarde gehört, bekommt Aufmerksamkeit, die verdinglichte Form von sozialer Anerkennung. Und das macht für das Kind, dass es sich gut, besser fühlt. Die meisten Eltern, ihre Kinder, deren Lehrer oder andere Beteiligte, verstehen diesen sozialen Konsumkontext begrifflich nicht so ganz, auch nicht seine Spiegelung ins Psychische hinein. Aber man versteht das Drama des Sich-arm-Fühlens, der Minderwertigkeit. Genauer braucht man es auch nicht zu wissen,  es ist viel zu mühsam, sich mit demonstrativem, kompensatorischem Konsum, den Werbestrategien der Markenartikelindustrie, dem Sponsoring in der Schule, usw. auseinanderzusetzen. Wichtig und interessant ist nur, bei der Magie dabei zu sein.

Konsumistisches Grundwissen

Das neue Stück verschafft Aufmerksamkeit, Anerkennung und diese, sowie das interessante Ding selbst besitzen, führt zu einem Gefühl der Zufriedenheit. Aber nur so lange, als nicht ein Anderer ein neueres oder besseres Stück hat, oder die nächste Version am Markt erscheint. Nur diese zwei Aspekte (Anerkennung und ihre Bedrohung) registriert der Hausverstand und genau das bleibt als kontinuierliches Lernergebnis in einer sonst völlig unübersichtlichen, wettbewerbsgepeitschten Welt bestehen.

Verloren im Weihnachtstrubel / Foto: GEOLITICO

Verloren im Weihnachtstrubel / Foto: GEOLITICO

Im Alltag helfen einige auch durch Beobachtung leicht lernbare Heuristiken. Meist kostet höhere Qualität einen höheren Preis, bekannte Marken werden wohl nicht so schlecht sein, wenn man kauft, was die anderen kaufen, kann man nicht viel irren. Mitunter kläglich, aber meist funktioniert „der Markt“ passabel, das sind empirische Beobachtungen, und dass das Ganze Sinn hat, unterstellt man dann: So ist die Welt eben. Auch Magie.

Keine Frage, alle sind auf der Suche nach einem guten Leben. Für die große Mehrheit ist dieses gute Leben durch die Welt der Konsumgüter definiert. Natürlich gibt es die in unterschiedlichen Preis- und Distinktionsklassen und das hat die Mehrheit bald auch akzeptiert. Smartphones und Markenkleidung für die Unterschicht, Bio- und Ökoprodukte für die Mittel- und teure mechanische Uhren oder moderne Kunst für die Oberschicht.

Magie der Macht 1, Erwerbsarbeit

Erwerbsarbeit hat sich im entwickelten Kapitalismus als zentraler identitätsstiftender Sachverhalt herausgebildet, auch da sie die Magie des eigenen Konsums finanziert. Da stand und steht noch immer viel Druck dahinter: à la wer nicht arbeitet, soll nicht essen.[4] Für den großen Teil der Jugendlichen oder jungen Erwachsenen reduzieren sich die gesellschaftliche Ausdifferenzierung von Erwerbsarbeit und der rhetorische Nebel, der um die Tatsache des Verkaufs von Arbeitskraft gemacht wird, auf ein simples Muster des Hausverstands:

Am Arbeitsplatz gehorchen alle (mehr oder weniger eifrig bis unwillig), Widerspruch gibt’s nicht, und wer unangenehm auffällt, fliegt schnell. Wer sich hingegen anpasst, sich mit ‚sozialer Kompetenz‘ in die Organisation des Unternehmens einschmiegt, der steigt auf, bekommt Macht. Damit kann man auch ein kleines Stück selbst bestimmen und von anderen Gehorsam verlangen. Das ist in Organisationen entscheidend. Brav sein, Zuverlässigkeit wird nach längerer Zeit – nicht immer, aber oft – mit mehr Macht und Geld belohnt. Auf dieses Muster reduziert sich für die Mehrheit Erwerbsarbeit. Auch das ist eine magische Heuristik: Wohlverhalten wird sich langfristig lohnen.

Wer jedoch Kapitalismus (Verkauf von Arbeitskraft) einerseits und Belohnungsaufschub (deferred gratification)[5] nicht gut genug gelernt hat, landet schnell auf dem Abstellgleis. Und Trost gibt es auch für die verzögerte Belohnung im Beruf: immerhin kann man sich Entschädigung ohne große Verzögerung in der privaten Konsumwelt leisten.

In den Schulen stellt sich das oft etwas anders dar. Im Mittelschichtverständnis sind heute Kinder besonders heikle Wesen, die man – damit sie es einmal gut, und wenn geht, besser haben – besonders fördern und tolerant behandeln muss. Dazu wird vielfach die Bildungsarbeit von den Eltern an die Lehrer bzw. Schule delegiert. Denn die sind ja Spezialisten dafür, daher können Eltern zuhause mit ihren Kindern permissive Freunde bleiben. Auch ein Stück Magie.

Magie der Macht 2, Politik

In Parteiendemokratien, oder wie es weit schöner heißt: in repräsentativen Demokratien, wird heute die Welt der formalen Gemeinwesen (Europa, Bund, Länder, Gemeinden) von den politischen Parteien gestaltet. Die autoritäre Macht der Aristokratie und der Diktatoren oder diktatorischer Regimes ist gebrochen und durch Parteien ersetzt, aus denen die Menschen alle paar Jahre auswählen dürfen. Ja, das ist zweifellos ein Fortschritt.

Politik kann Möglichkeiten schaffen und Wirklichkeiten umstellen. Am intensivsten zeigt sich das auf kommunaler Ebene, wenn etwa eine Straße an der eigenen Wohnung verkehrsberuhigt oder zu einem neuen Verkehrskanal umgewidmet wird. Wer das beschließt, der hat Macht und für viele Menschen bleiben die Strukturen, die hinter diesen Umstellungen wirksam sind, unscharf und unbekannt.

Parteien sind Organisationen, die im Inneren wie Unternehmen funktionieren. Das weiß auch der erwähnte Hausverstand. Wenn man als Mitglied bei der in der Stadt regierenden Partei dabei ist, wird man sich leichter tun, Widerstand gegen die vorhin erwähnte Straßenumwidmung vorzubringen. Wenn jemand über viele Jahre brav ehrenamtlich mitgearbeitet und bei den Wahlkämpfen zur Basisarbeit beigetragen hat, wird er oder sie vielleicht sogar Mandatar, bekommt Geld und vor allem etwas mehr Macht, – eine angesparte Belohnung gewissermaßen.

Abgeschottete Machtballungen

Parteien sind – das sagt der Hausverstand – Organisationen, denen es mithilfe des verwalteten Steuergelds der Bürger, vor allem um Macht und Geld geht. Da sie an der Macht bleiben wollen, achten sie auch ein Stück auf das, was sie für die Interessen ihrer Wähler und Spender halten.

Über dieses Basiswissen verfügen die meisten Menschen und sehen es als Magie des Drinnen oder Draußen. Die Bürger hätten übrigens gern etwas mehr direkte Demokratie, da sie schon ein bisschen skeptisch gegenüber abgeschotteten Machtballungen sind und sich  nicht so optimal von den Parteien vertreten fühlen. Allerdings wird keine Organisation, der es um Macht und Geld geht, freiwillig ein Stück davon abgeben wollen.

Natürlich sagen die Parteien, in erster Linie gehe es ihnen um die Menschen, um Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und um das Gemeinwohl. Das sagen die meisten Menschen auch, wenn man ihnen solche Fragen stellt. Vieles wird mit einem Nebel von gehörten Werten und für passend gehaltenen Ideologemen (Ideologie-Fragmenten) umhüllt und verwirbelt. Mit Misstrauen und Erfahrung kann man das als Betroffener durchschauen, sofern man will und die Energie dafür hat.[6]

Magie des Tausches

Ganz wichtig ist, sagt der Hausverstand, egal nun ob in der Arbeit oder in privaten Beziehungen, der passende Tausch: In der Arbeit wird Gefügigkeit meist (langfristig) gegen mehr Macht und Geld getauscht, unter Freunden oder in der Partnerschaft schließt man – ohne das so zu nennen, denn Illusionen sollte man nicht zerstören – einfach Tauschgeschäfte. Wer ein Geschenk macht (oder einem eine Hilfeleistung spendiert), bekommt eines (oder etwas anderes) zurück, und das muss dann auch nicht eurogenau sein, gibt man etwas mehr, ist der andere wieder in der Pflicht. So ein Austausch unterstützt Beziehungen, schafft Bindung und, klar: natürlich auch Abhängigkeiten.

Schon vor einem halben Jahrhundert wurde die Ökonomisierung der persönlichen Beziehungen als Austauschtheorie[7] beschrieben, die Anthropologie nannte das ziemlich gleichzeitig „reziproker Altruismus“. Dieses Ökonomische im Sozialen scheint heute dominant, wobei, wenn man etwa das Heiratsverhalten in früheren Jahrhunderten ansieht, die ökonomische Haltung dort wesentlich ausgeprägter auftaucht. Jedenfalls der kräftige Tauschcharakter in den sozialen Handlungsmustern lässt noch für kooperative Formen Platz. Das zeigt sich bei vielen ehrenamtlichen sozialen Tätigkeiten und bei Notfällen – nicht alle Menschen verfallen dem Bystander-Effekt.[8]

Eingeschränkte Wahrnehmung

Die Magie der Konsumgüter im sozialen Kontext, die Magie des Wohlverhaltens in der Erwerbsarbeit und anderen Organisationsstrukturen, das Vorgehen nach Tauschkalkülen,  entspricht den vereinfachten Wahrnehmungen der großen Mehrheit und führt zum  erwähnten „Hausverstand“ und den einfachen empirisch gewonnenen Formeln (Heuristiken und Alltagstheorien) der Menschen.

Wer mit dem Hausverstand in der informationsüberlastenden Wirklichkeit unterwegs ist und vielleicht auch unterwegs sein muß, der nie etwas von der Gestaltungsfähigkeit der Welt durch den Menschen gehört hat, der wird mit hochdifferenzierenden Analysen nicht zu beeindrucken sein, das rauscht an ihm einfach vorbei.

Vielleicht sollten wir uns mehr mit diesem Hausverstand, diesen Alltagstheorien der Mehrheit auseinandersetzen, sie sind ja nicht gänzlich falsch, nur halt einfach, robust und unabgelenkt von allen Hintergründen und Eventualitäten aus großer Theorie und noblem Essayismus. Möglicherweise wäre das ein brauchbarer Beitrag zum Verblasen des Nebels der Unmündigkeit.



[1] Die Sprache, die man spricht, schafft die Wirklichkeit, in der man sich wiederfindet. Und die Sprache wird natürlich auch von der Machtelite definiert, aktuelle  empirische Beispiele dazu:
Kai Biermann, Martin Haase: Sprachlügen. Unworte und Neusprech. Frankfurt 2013.
Pierangelo Maset: Wörterbuch des technokratischen Unmenschen. Stuttgart 2013.
Ludwig Wittgenstein hat anfangs des Zwanzigsten Jahrhunderts am Problem von Wirklichkeit und Sprache gerätselt, Ludwig Wittgenstein:  Tractatus Logico-Philosophicus, ursprünglich 1921,  http://www.gutenberg.org/ebooks/5740 (englisch).

[2] Hausverstand (gesunder Menschenverstand), „natürliche Einstellung“ hat das etwas mißverständlich Alfred Schütz, der Begründer der Phänomenologischen Soziologie genannt.
Alfred Schütz:  Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt, ursprünglich Wien 1932.

[3] Karl Sierek, Wolf Wiedner: Kinder und Fernsehwerbung, Institut für Gesellschaftspolitik, Wien 1980.
Was interessant ist: die zwanzig Jahre davor hat sich niemand für dieses Problem interessiert. Auch die Europäische Kommission hat es nur kurz (2004) getan und schnell ein verbraucherpolitisches Papier dazu wieder schubladisiert. Heute ist dieses Thema im Grundrauschen der vielen öffentlichkeits-vermarkteten Studien untergegangen.

[4] Das steht in der Bibel, das war das Credo der konservativ-christlichen Parteien, das findet sich bei Bebel und das wiederholte auch Schröder. Nur wer seine Arbeitskraft verkauft, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist ein braver Mensch.

[5] Nach Freud eine der zentralen Kulturleistungen, die sich im Realitätsprinzip manifestiert.
Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur, ursprünglich Wien 1930.
Im Gutenberg-Projekt: http://gutenberg.spiegel.de/buch/922/1 .

[6] Was ein Grund dafür ist, daß Jugendliche und Erwachsene gelernt haben, die erste Magie von Konsumgütern, nämlich ihre Werbung, nicht mehr so ernst zu nehmen. Dennoch spielen diese werblichen Inszenierungen im Alltag eine große Rolle, einige Beispiele dazu finden sich in: Wolfgang Ullrich: Alles nur Konsum. Kritik der warenästhetischen Erziehung. Berlin 2013. „Nun erobern Fiktionswerte auch die sonst über Gebrauchswerte definierte materielle Dingwelt.“ S. 26 und folgende.

[7] Im Gefolge von George Caspar Homans: Elementarformen sozialen Verhaltens. Köln 1968.
John W. Thibaut, Harold H. Kelley: The social psychology of groups. New York 1966.
Homans hat früh auf die hohe Bedeutung sozialer Anerkennung hingewiesen: „Soziale Anerkennung spielt in unserer Gesellschaft ungefähr die Rolle des Geldes in der Wirtschaft.“ a. a. O. S. 30.
Interessant auch seine Feststellung: „Tatsächlich sind wir dabei, den Ruf des homo oeconomicus wiederherzustellen. Die Schwierigkeit mit ihm bestand nicht darin, daß er „ökonomisch“ war, daß er also seine Mittel zum eigenen Vorteil verwendete, sondern daß er unsozial und materialistisch eingestellt und ausschließlich an Geld und materiellen Gütern interessiert war und dafür bereitwillig selbst seine alte Mutter geopfert hätte.“
a. a. O. S.  67.
Nach wie vor lesenswert: Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Frankfurt/Main, ursprünglich 1969.

[8] Eingedeutscht: Zuschauereffekt. Insbesondere bei mehreren Zuschauern im städtischen Bereich unterlassen Menschen bei einem Notfall die (übrigens auch rechtlich normierte) Hilfeleistung.

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Über Karl Kollmann

Karl Kollmann, Titularprofesser der WU-Wien, Vorsitzender des österreichischen Verbraucherrates (ASI), viele Jahre in der Verbraucherpolitik tätig, früher auch Berater der Europäischen Union in Verbraucherfragen. Beschäftigt sich mit Konsum- und Haushaltsökonomie sowie Technikökonomie. Weitere Artikel

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