Ab 2014 wird für die Krise bezahlt

Zwei Deutsche haben jeden Schritt der Krise vorhergesehen. Sie sagen, 2104 kommt der Lastenausgleich. Über die Wiederentdeckung eines geradezu prophetischen Buches.

 

Ab Anfang November wurde auch in der Mainstreampresse entsetzt über Vorstellungen des IWF berichtet, die Sparer über eine Sondersteuer von 10 Prozent auf das private Vermögen zu belasten, um die Staatsschulden wenigstens auf den Stand von 2007 zu bringen.

In der FAZ war sogar die Rede davon, dass auch die Immobilien entsprechend besteuert würden, allerdings hatte der IWF in seinem relativ versteckten Szenario nur sehr unbestimmte Begriffe benutzt, um das „Vermögen“ zu kennzeichnen. Er sprach von einer „one-off tax on private wealth“ und im Zusammenhang mit einer solchen Steuer in der Eurozone von einer „tax rate of about 10 percent on households with positive net wealth“. Das könnte man auch als reine Abgabe auf das Kapitalvermögen interpretieren, aber den IWF interessieren die möglichen Umsetzungen seiner Ideen im Einzelnen wohl nicht mehr, Hauptsache die Kohle stimmt. Absolut zutreffend auch, was im Online-Portal der österreichischen Zeitung „Die Presse“ über die Rückblicke des IWF auf die Schuldenbewältigung nach den zwei Weltkriege zu lesen war:

„Die Vergleiche mit den Nachkriegs-Schuldenschnitten implizieren, dass die Schuldenlast mitten im längsten Frieden der europäischen Geschichte praktisch „Kriegsniveau“ erreicht hätte. Tatsächlich scheinen viele Experten zum Schluss gekommen zu sein, dass dem so ist. Und dass es nicht mehr lange möglich sein wird, die heiße Kartoffel immer ein Stück weiterzuschupfen, statt das Problem an der Wurzel zu lösen.“

Nur Gedankenspiele?

Früher hat man Schulden gemacht, um Krieg zu führen, es ist zu hoffen, dass heute nicht Kriege geführt werden, um Schulden zurückzuführen, um „das Problem an der Wurzel zu lösen“. Nachdem nun in den verschiedensten Zeitungen das IWF-Szenario behandelt wurde, beeilte man sich, von reinen „Gedankenspielen“ zu reden, die im Gesamtzusammenhang gesehen werden müssten. Was fällt dem geschichtskundigen Leser zum aktuellen Datum dazu ein? „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, so der denkwürdige Satz von Walter Ulbricht kurz vor dem Mauerbau in Berlin. Besser als der IWF mit seinen „Gedankenspielen“ kann man nicht illustrieren, dass wir uns in der Weltfinanzkrise an einem kritischen Punkt befinden. Stehen wir noch am Abgrund, oder sind wir schon einen Schritt weiter?

Die Aufregung um das IWF-Szenario bringt mich aber auf eine ganz andere Frage. Obwohl unser Wirtschafts-, Finanz- und Geldsystem in derartige schwere Wasser geraten ist, ist es doch erstaunlich, wie wenig man vonseiten der Mainstream-Ökonomie in der Vergangenheit über die Gefahren und die krisenhafte Entwicklung gehört hat. Es wurden in den letzten Jahrzehnten zu viele Schulden aufgebaut, die Zinslast erstickt die Wirtschaftsaktivitäten, so dass es zu einer Sackgassen-Situation im Weltwirtschaftssystem gekommen, in der inzwischen mehr oder weniger verdeckt über mögliche Enteignungsmaßnahmen, natürlich nicht der Gläubiger oder der Schuldner, sondern eher unbeteiligter Dritter, diskutiert wird.

Alle Theorien versagten

Soweit sind wir inzwischen anscheinend gekommen, der IWF mit seinem „Gedankenspiel“ ist nur eine Facette dieser verzweifelten Anstrengungen, Konzepte zu formulieren, um aus der Falle herauszukommen. War die Entwicklung nicht vorhersehbar? Wäre es nicht Aufgabe der Wissenschaft gewesen, genau diese Entwicklung kommen zu sehen und wenigstens medienwirksam zu warnen. Man kann nur zu dem Schluss kommen, dass entweder die Theoriemodelle der Ökonomen nicht ausreichen, Gefahren zu erkennen, was nicht gerade für ihre wissenschaftliche Arbeit spricht. Oder man hat zwar die Gefahren gesehen, wollte aber „seriös“ bleiben, seine Aufträge nicht verlieren und auch keine Panik verbreiten. Man ist vor allem in Deutschland eben eher staatstragend, falls man den Mund aufmacht, dann nur im kleinen Kreis.

Von „seriösen“ Ökonomen wurde die verschärfte krisenhafte Entwicklung der Finanz- und Wirtschaftswelt seit 2007 jedenfalls nicht groß thematisiert und in medienwirksamen Publikationen so nicht vorausgesehen. Es gibt hunderte von Makro- und Sonstwas-Ökonomen, sie tummeln sich an den Universitäten und in privaten Wirtschaftsinstituten, aber abgesehen von einzelnen Stimmen, die auf Gefahren hinweisen und die, wie der Professor für Betriebswirtschaftslehre, Max Otte, dann das Etikett „Crashprophet“ umgehängt bekommen, wird der Bürger von dieser Seite nicht informiert oder gar gewarnt.

Neue Propheten

Insgesamt ist es so, dass nur einige Außenseiter, wie z. B. Weik und Friedrich mit ihrem Bestseller „Der größte Raubzug der Geschichte“, klar Stellung beziehen. Die Überraschungserfolge und die Medienwirksamkeit, die die „Crashpropheten“ mit ihren Büchern haben, sprechen für sich, ebenso die abfälligen Kommentare der Etablierten. Sicher, manche haben sich in ihrem Außenseitertum ganz gut eingerichtet, wir wollen keine Märtyrer aus ihnen machen. Ihr „Erfolg“ ist aber nur möglich, weil andere ihre Arbeit nicht machen.

Die Autoren, die ich allerdings jetzt hier vorstelle, sind eher unbekannt geblieben, trotzdem ist es sehr interessant, sich aus der Perspektive des Jahres 2013 einmal anzusehen, was sie schon 2007 „prophezeit“ haben. Kürzlich bin ich beim Umräumen in meinen Regalen auf einige Bücher zur Wirtschafts- und Finanzkrise gestoßen, die sich in den Jahren so angesammelt haben, und habe sie mal wieder durchgesehen. Da ist ganz schön was zusammengekommen. Dabei ist mir das Buch „Angriff auf Ihr Geld – Was uns erwartet und wie man sein Vermögen schützt“ von Jürgen und Markus Wipfler wieder in die Hände gefallen. Ich hatte es im Januar/Februar 2008 (in der damals verfügbaren 3. Auflage von 2007) gelesen und völlig verärgert, ja geradezu wütend wieder beiseite gelegt. Unter anderem deshalb, weil die Autoren sich als Wirtschaftsastrologen entpuppten, die ihre wirtschaftliche Prognosen auch aufgrund astrologischer Konstellationen durchführten.

„Exkurs in die Wirtschaftsastrologie“

Außerdem erschienen mir die Aussagen in ihrem Buch damals als zu extrem. Letzteres, das muss ich den beiden Autoren schon einmal zugestehen, war ein Irrtum. Nach 2008 hatte die Krise derart Fahrt aufgenommen, so dass die Aussagen der Autoren bestätigt wurden. Alle Prognosen über „wahrscheinliche“ und „vernünftigerweise“ zu erwartende Entwicklungen von den Schönrednern und sogenannten Experten des Mainstreams lagen falsch. Trotzdem hat man als eingefleischter Skeptiker ein flaues Gefühl, wenn in einem Buch, gespickt mit durchaus harten Wirtschafts- und Finanzfakten, jemand plötzlich einen „Exkurs in die Wirtschaftsastrologie“ macht und erwartet, dass der Leser diese Information als gleichberechtigt zu den anderen ansieht.

Bevor es zu den eigentlichen Aussagen im Buch geht, eine kurze Information über die Autoren: Auf dem Buchumschlag heißt es zu Jürgen Wipfler, dass er selbstständiger Steuerberater und vereidigter Buchprüfer sei und sich seit 1985 in der Unternehmensberatung auch mit Wirtschaftszyklen beschäftige. Zudem sei er Referent in der Erwachsenenbildung. Markus Wipfler, der mit dem Titel „Dipl.-Wirt.-Ing. (FH)“ ausgewiesen wird, sei zur Zeit Projektingenieur. Er habe sich im Bereich der Volkswirtschaft mit Deflationsszenarien beschäftigt. Die beiden Autoren haben 2009 noch eine aktualisierte 4.Auflage des Buches geliefert, die hier aber nicht mehr thematisiert wird. Auch werden natürlich viele Themen, die die Autoren in ihrem Buch auch ansprechen, hier nicht behandelt. Der Fokus soll auf ihrer Prognose liegen.

Zinssystem verschärft die Krise

Im Buch werden die Risikofaktoren der Weltwirtschaft benannt: Staatsverschuldung, Rentenproblematik, Risiken des internationalen Finanzsystems. Schon vor dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbanken Bear Stearns und Lehman Brothers 2008 warnten die beiden Autoren vor einer Verschärfung der amerikanischen Immobilienkrise, als deren eigentliche Verursacherin sie schon die amerikanische Notenbank mit ihrer lockeren Geldpolitik sahen. Systemisch sehen die Autoren die Ursache aber vor allem im herrschenden Zinseszinssystem, das ihrer Meinung nach zwangsläufig zu einer krisenhaften Entwicklung führen muss:

„Es kommt eine Verschärfung der Krise durch das Zinseszinssystem hinzu, da die Geldvermögen durch Zins und Zinseszins im Laufe von Jahrzehnten immer weiter anwachsen und diese riesigen Geldvermögen sich Schuldner „suchen“ müssen oder anders gesagt, diese steigenden Geldvermögen erzwingen eine immer höhere Verschuldung und sie treiben die Preise voran, sind eine Ursache für Inflation.“ (S. 28)

Gefahr einer Deflation

Aufgrund der Situation 2007 sehen die Autoren die Gefahr einer deflationären Entwicklung, einer Abwärtsspirale der Wirtschaft. Aus der Perspektive von 2013 sind sie mit ihrer Analyse bestätigt worden. Nach den Bankencrashs von 2008 haben alle westlichen Industriestaaten und Japan durch eine beispiellose Verschuldungspolitik versucht, einen Wirtschaftsabschwung aufzuhalten. Und jetzt, wo die Schuldentragfähigkeit sehr vieler Staaten erreicht wurde, treten die Notenbanken an ihre Stelle und kaufen die Staatsanleihen der Staaten auf, in der Hoffnung, dass endlich der selbsttragende Aufschwung einsetzen wird, so dass die Staaten aus ihren Schulden herauswachsen werden. Zum Thema „Euro“ schreiben sie schon 2007 im Zusammenhang mit einer möglichen Währungsreform:

„Der Euro und die Europäische Zentralbank stehen zur Zeit einer reinen deutschen Währungsreform im Weg. Doch wegen der gewaltigen Staatsdefizite der übrigen EU-Länder besteht die Gefahr, dass der Euro zu einer Weichwährung absinkt, die eines Tages in einzelne nationale Währungen zerfallen kann. Das wird nicht kurzfristig geschehen, aber mittelfristig für den Bereich ab 2010 sollte man diese Möglichkeit im Auge behalten.“ (S. 84)

Die Eurokrise hat 2010 begonnen und eben aus dem Grund (Staatsverschuldung), der im Buch genannt wurde. Was die Wipflers nicht auf der Rechnung hatten, ist eine Kanzlerin Merkel, die den Euro-Zerfall mit dem Untergang Europas gleichsetzt und versuchen wird, die Währungsunion in der bestehenden Zusammensetzung unter allen Umständen zusammen zu halten. Das war 2007 eine ziemlich nüchterne Einschätzung der Stabilität der Währungsunion und manche Zukunftsforscher könnten sich da eine große Scheibe abschneiden.

2014 kommt der Lastenausgleich

Jürgen und Markus Wipfler haben schon 2007 bei der Lösung der für sie unausweichlich kommenden Krise durch mehr Wachstum beträchtliche Skepsis gezeigt und unter Zuhilfenahme auch astrologischer Berechnungen ganz andere Optionen der Krisenlösung gesehen. Im Jahre 2007 hat das manche Leser, mich eingeschlossen, etwas überfordert. Man fragt sich natürlich, ob die durchgeführte negative Einschätzung der bestehenden Situation und die Extrapolation in die Zukunft nicht auch ohne astrologische Berechnungen hätten durchgeführt werden können. Schließlich hatten Jürgen und Markus Wipfler die die Krise treibenden Einzelfaktoren, nämlich umfassende Verschuldung im Privat- und Staatssektor und die durch fehlende Kontrolle entstehenden Übertreibungen im Finanzsektor, völlig richtig erkannt. Hätte es da noch der Astrologie bedurft?

Aber offenbar im Bestreben, die kommenden Dinge jahreszahlenmäßig genau einzuordnen, wollten die Autoren auf dieses Hilfsmittel nicht verzichten. Ich bin zwar der Ansicht, dass die Autoren mit ihrem analytischen Ansatz auch ohne astrologische Berechnung eine gelungene Prognose hinbekommen hätten, aber das ist meine Meinung. Die Autoren haben ihren eigenen Weg gewählt. So gehen sie an die Sache auch mit ihrem astrologischen Analyseinstrument (Planeten und Tierkreiszeichen) heran und sehen im Jahr 2014 durchaus „den Plan, die Staatsschulden überraschend durch Umschichtung der Besitzverhältnisse zu tilgen (= ein Lastenausgleich mit Vermögensabgabe)“ (S. 106). Und so kommen sie zusammenfassend unter der Überschrift „2012 bis 2015: Alarmstufe Rot“ für 2014/2015 zu folgenden Voraussagen:

 „Einführung eines negativen Zinses: Das heißt, wer sein Geld spart, anstatt es auszugeben, wird dafür jedes Jahr „bestraft“, er erhält zwar Zinsen von der Bank bzw. von seinen Kreditnehmern, aber es wird ihm vom Staat per Gesetz von seinem Kapital etwas weggenommen = ein negativer Zins.
Oder:
Plötzliche Durchführung eines Lastenausgleichs, um den Crash der Staatsfinanzen zu vermeiden. Mit einer Vermögensabgabe auf Geld, Grundbesitz und anderes Vermögen nimmt der Staat seinen Bürgern Vermögen weg. Das geschieht plötzlich.
Oder:
Dauerbelastung des Vermögens mit hohen Substanzsteuern wie z.B. Vermögenssteuern und Erbschaftssteuern, was etwa auf das selbe wie ein Lastenausgleich her-auskommt, nur länger dauert.“ (S. 107)

Strafsteuer für Sparer

Respekt, das ist für die Jahre 2006/2007, in denen dieses Zukunftsszenario entworfen wurde, eine sehr zutreffende Prognose, und eventuell wird man das eine oder andere „Oder“ im obigen Text sogar streichen können bzw. müssen.

Die Aufregung um den IWF-Vorstoß zur Einführung auf eine Steuer auf das Sparvermögen der Bürger in diesen Wochen zeigt, dass solche Maßnahmen für die meisten Ökonomen und Wirtschaftsjournalisten noch bis in jüngster Zeit unvorstellbar waren. In der ersten Maßnahme geht es nicht um die negativen Realzinsen, die die Sparer in Kombination mit schlechter Verzinsung und Inflationsrate schon jetzt enteignen. Sondern es geht darum, dass der Staat die vorhandenen Sparvermögen aktiv besteuert. Es geht also um eine Strafsteuer für „Geldhorter“, die ihr Geld partout nicht in den Umlauf bringen und verjubeln wollen, sondern es immer noch auf dem Konto bunkern oder es völlig unnötigerweise als Altersvorsorge in langfristigen Sparverträgen liegen haben. Auch solche Strafsteuern (nicht nur für Banken, sondern eben auch für Privatpersonen) sind seit 2008 in den Jahren der Krise vereinzelt diskutiert worden. Es ist nicht völlig an den Haaren herbeigezogen und der IWF-Vorschlag könnte im weitesten Sinne als so eine Strafsteuer interpretiert werden.

Mutige Prognose

Bevor das angesprochene Thema „Lastenausgleich“ behandelt wird, noch kurz zur dritten genannten Maßnahme, nämlich der höheren Besteuerung des Vermögens. Es wird, falls die Krise sich verschärfen sollte (und das wird sie), auf jeden Fall immer eine der Hauptoptionen jedes Staates sein, eine solche höhere Besteuerung durchzuführen. Hätten die Autoren nur diese Prognose gemacht, wäre es nicht sehr eindrucksvoll gewesen. Aber im Jahre 2006 bzw. 2007 für die Mitte des nächsten Jahrzehnts eine Strafsteuer auf Sparvermögen oder einen Lastenausgleich vorauszusagen, war mutig.

Und genau das Thema „Lastenausgleich“ wird auch immer wieder angesprochen. Es scheint für viele, die gerade Lösungsvorschläge für die Schuldenkrise machen, eine große Faszination auszuüben. Auch im schon genannten Artikel der „Presse“ ist das Thema präsent, nachdem unter anderem auch wieder die Boston Consulting Group mit ihren Vorstellungen zur eleganten Schuldenreduzierung per Vermögensabgabe genannt wurde:

„Um das [einen Schuldenstand von nicht mehr als 180 Prozent des BIP] zu erreichen, müssten in der Eurozone Schulden im Ausmaß von mehr als 6000 Mrd. Euro verschwinden. In den USA müssten umgerechnet sogar mehr als 8000 Mrd. Euro an Forderungen „vernichtet“ werden.
Das geht mit einer Einmalabgabe etwas schwerer – außer man will Volksaufstände provozieren. Deshalb gilt in den einschlägigen „analytischen Arbeiten“ das Modell „Deutschland 1952“ als besonders elegant: Damals hatte Deutschland seinen entgleisten Staatshaushalt mit einer 50(!)-prozentigen Zwangsabgabe saniert. Allerdings nicht auf einen Schlag, sondern in Form einer auf 30 Jahre befristeten jährlichen Vermögens-Zwangsabgabe von 1,67 Prozent. Die in Österreich und Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern aufgebrochenen Vermögensteuer-Diskussionen gehen in diese Richtung.“

Noch schweigt die Politik

Jürgen und Markus Wipfler sahen das Grundproblem der verschuldeten Staaten schon 2007 in aller Schärfe, deshalb war das Thema „Lastenausgleich“ für sie geradezu selbstverständlich. Wie sollen die hochverschuldeten Staaten denn überhaupt je ihre Schulden loswerden? Sie fragen deshalb (und sie fragen es im Jahre 2006/2007 unter der Überschrift „Neuer Lastenausgleich um 2013“ !):

„Könnte auch uns in naher Zukunft ein Lastenausgleich treffen? Dieses erfolgreiche Verfahren des Lastenausgleichs muss nicht alleine auf Kriegsschäden begrenzt bleiben, es könnte sich auch für die Umlage von Staatsschulden eigenen. Die eine Seite, der Staat, hat sich durch seine Sozialpolitik und infolge des Zinseszinseffekts völlig verschuldet; die andere Seite, die wohlhabenden Bürger und Unternehmen, haben ein Vermögen aufgebaut. Die Idee, hier einen Ausgleich herbeizuführen geistert hin und wieder durch die Köpfe von hochrangigen Politikern.“ (S. 85)

Diese Idee muss inzwischen im Jahre 2013 durch die Köpfe auch vieler Ökonomen und selbsternannter Krisenbewältiger in Beratungsunternehmen und internationalen Organisationen geistern. Die Politiker halten sich mit Äußerungen, die in diese Richtung gehen, (noch) zurück. Aber kein EU-Bürger sollte sich täuschen. Eben ist etwas noch undenkbar, und plötzlich wird es alternativlos. Geht es wirklich noch um das Ob oder nur noch um das Wie?

Lastenausgleich schlug gleich dreimal zu

Der historische Lastenausgleich in der Bundesrepublik, der die Folgen des Zweiten Weltkriegs zumindest abmildern sollte, wird von den Wipflers in ihrem Buch sehr ausführlich behandelt:

„ ‚Lastenausgleich‘ hieß diese Abgabe, und sie schlug auf dreifache Weise zu. Mit dem Lastenausgleichsgesetz 1952 wurde eine Vermögensabgabe festgesetzt, dazu kamen die Hypothekengewinnabgabe und die Kreditgewinnabgabe. Allein die Vermögensabgabe betrug 50% (!) des Vermögens einer Person. Bemessungsgrundlage hierfür war deren Vermögen nach dem Stand der Währungsreform 21.6.1948 (Rückwirkung!). Die Abgabeschuld wurde auf 30 Jahre gestreckt, war in Vierteljahresraten mit 1 bis 1,5% zu tilgen, bis weit in die 1970er Jahre hinein. Das sind immerhin Jahresraten von 4 bis 6% gewesen. Während die Währungsreform die Geldvermögen erfasste, besteuerte der Lastenausgleich die Sachwertbesitzer.“ (S. 84)

Zu beachten ist vor allem ein Punkt: dem Staat sollte durch den Lastenausgleich zusätzliche Mittel in die Hand gegeben werden, um Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen.

„Ziel dieses Lastenausgleichs war es, die Schäden, die in der Kriegs- und Nachkriegszeit entstanden waren, auszugleichen; vor allem die Zerstörungen durch den Luftkrieg und die Enteignungen im Osten. Wer sein Vermögen heil durch die Kriegswirren gebracht hatte, musste denjenigen einen Ausgleich zahlen, die ihr Vermögen durch diese Ereignisse verloren habe.“ (S. 84)

Historische Hintergründe

Beim Lastenausgleich ging es nicht um die Verringerung der Staatsschulden, die wurden schon durch die Währungsreform von 1948 „bereinigt“. Es ging auch nicht darum, die Schuldenmacherei von verantwortungslosen Privatpersonen, Banken oder Staaten auszugleichen, sondern der Lastenausgleich hatte die Aufgabe, so ist es schon durch die Bezeichnung ausgedrückt, Kriegslasten etwas gerechter zu verteilen. Der Lastenausgleich von 1952 hatte somit eine zutiefst soziale Funktion.

Wenn also IWF-Ökonomen, Mitglieder von Consulting-Groups oder Journalisten heute von einem möglichen Lastenausgleich zur Behebung der grassierenden Schuldenkrise reden, dann „vergessen“ sie nur allzu gern die historischen Hintergründe der damaligen Maßnahme. Die Schuldner unserer Zeit sind nicht ausgebombt oder aus ihrer Heimat vertrieben worden. Sie haben zu viele Schulden gemacht, eventuell eine tolle Zeit gehabt, aber jetzt ist die Party eben zu Ende.

Altersvorsorge in Gefahr

Andere, die versucht haben, Vorsorge zu betreiben und zusätzlich zu ihren Rentenansprüchen noch eine Altersvorsorge aufzubauen, so wie es z.B. die deutsche Politik lebhaft propagiert hatte, oder die sich ein kleines Eigenheim erarbeitet haben, würden, falls ein neuer Lastenausgleich käme, nun mit ihrem „Vermögen“ dafür haften, dass andere entschuldet werden. Es wären aber nicht die Superreichen der Gesellschaft, sondern eher die sogenannten kleinen Leute, die hier den Kopf hinhalten würden. Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, dass der Versuch, einen „Neuen Lastenausgleich“ durchzusetzen, nicht ohne Konflikte abgehen würde.

Dass Gleiches nur mit anderem Namen oder Ähnliches in neuer Verpackung wieder diskutiert wird und eventuell auch zu erwarten ist, haben die beiden hier genannten Autoren vorausgesehen. Man kann Jürgen und Markus Wipfler also nach dem, was sie schon 2006/2007 prognostiziert haben, gemäß der in Deutschland üblichen Denkungsart und Vorgehensweise den durchaus ehrenvollen Titel „Crashpropheten“ zugestehen.

Erschreckende Weitsicht

Im Gegensatz zu den Mainstream-Ökonomen, die sich entweder mit der Politik verbrüdert oder sich in so abgehobenen Theorien verloren haben, dass sie die realen Gefahren eines aus den Fugen geratenen Wirtschafts- und Finanzsystems nicht mehr sehen konnten, haben Jürgen und Markus Wipfler einen unverstellten und pragmatischen Blick auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zustände geworfen. Sie haben schon 2006/2007 ein Buch mit Aussagen zu drohenden Verwerfungen in unserem Wirtschafts- und Finanzsystem veröffentlicht, die sich im Rückblick als geradezu erschreckend zutreffend erwiesen haben. Das Krisenpotenzial in unserem Wirtschafts- und Geldsystem wurde erkannt.

Ob alle Vorschläge an ihre Leser zur Absicherung vor den drohenden Gefahren richtig waren, sei dahin gestellt. Man kann nicht alle negativen Entwicklungen vorhersehen, nicht alle Formen der Vermögensanlage in ihrer weiteren Entwicklung genau im Blick haben. Immerhin haben auch sie schon für eine Beimischung von Gold in der Vermögensanlage geworben. Wenn man sich ansieht, wie sehr der Goldpreis seit 2006 gestiegen ist, war das gar kein schlechter Rat.

Die Annahmen und Voraussagen von Jürgen und Markus Wipfler waren zum damaligen Zeitpunkt sehr mutig, man kann ihnen im Rückblick den Respekt nicht versagen.

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