Vier Lehren aus dem NSA-Skandal um Angela Merkel

Die US-Geheimdienste haben Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört. Wir werden Zeugen eines Skandals, der viel mehr über die Verkommenheit der westlichen Welt aussagt, als ihr lieb ist.

 

Erinnert sich noch jemand an diese Sätze? „Wenn ich wissen will, was Kanzlerin Merkel denkt, dann rufe ich Kanzlerin Merkel an“, sagte US-Präsident Barack Obama noch Anfang Juli. Damals gab es im Zuge der NSA-Affäre erste Spekulationen darüber, dass auch die Bundeskanzlerin abgehört worden sein könnte. Angela Merkel selbst spielte die Sache herunter. „Mir ist nichts bekannt, sonst hätte ich das schon dem Parlamentarischen Kontrollgremium gemeldet“, sagte sie und versicherte, sie habe keinen Grund „an den Angaben der USA zur Einhaltung deutschen Rechts zu zweifeln“.

Welch ein Irrtum! Allem Anschein nach hat die NSA die Kanzlerin doch abgehört. Und herausgefunden haben das nicht etwa die deutschen Geheimdienste, sondern angeblich eine Gruppe um den Internetaktivisten Jacob Appelbaum, der in Kontakt zu dem NSA-Whistleblower Edward J. Snowden steht. So heißt es in Berlin. Die Gruppe soll dem Kanzleramt die entscheidenden Hinweise gegeben haben, die schließlich vom Bundesnachrichtendienst (BND) bestätigt wurden.

Jagt den BND zum Teufel

Was sagt uns das alles?

  • Erstens hat sich Angela Merkel gehörig blamiert. Denn so lange sie annahm, nicht selbst Opfer der NSA-Überwachungs-Orgien zu sein, deckte sie ihre amerikanische Freunde so gut es nur ging. Es war ihr völlig gleichgültig, was die Amerikaner mit den Millionen in Deutschland gesammelten Daten anstellten. Jetzt aber, da sie annehmen muss, dass die US-Geheimdienste auch vor ihrem Telefon nicht Halt machten, rief sie empört bei Obama an. Was ist das für eine Regierungschefin, die nur dann das legitime Recht auf informationelle Selbstbestimmung einfordert, wenn es sie selbst betrifft?
  • Zweitens wissen wir nun endgültig, dass unsere Geheimdienste zum Schutz der Interessen der Bürger des Landes, von denen sie für ihre Arbeit fürstlich entlohnt werden, schlicht nicht taugen. Die Verantwortlichen gehören sofort entlassen. In einem Land wie Russland würde man sie für den Rest ihres Lebens nach Sibirien verbannen! Eigentlich sollten Regierung und Parlament den ganzen Laden dichtmachen.
  • Drittens zeigt uns die NSA-Affäre die ganze Verlogenheit der westlichen Allianz. Im Grunde trauen sie sich gegenseitig keinen Millimeter über den Weg. Darum bespitzeln sie sich allesamt gegenseitig. Gleichzeitig beschwören sie die das einzigartige Friedensprojekt Europas, fordern Hilfen in Billionenhöhe vom deutschen Steuerzahler und machen sich – die veröffentlichten Telefonate der irischen Banker beweisen es – anschließend über die Bürger der Bundesrepublik lustig.
  • Viertens ist die Affäre allein schon durch die offizielle Beschwerde Merkels bei Obama die schwerste politische und moralische Niederlage für die USA seit dem Vietnamkrieg. Vor wenigen Jahren wollten sich die USA zur obersten Instanz der Welt aufspielen. Sie zwangen ihre westlichen Verbündeten zur Teilnahme an einem Kreuzzug gegen die „Achse des Bösen“. Sie zettelten Kriege an, die nichts als millionenfaches Leid und die Zerstörung von Staaten, ja ganzer Regionen brachten.

Wikileaks, Manning, Snowden…

Darum es ist gut, dass der ganze Schmutz ans Licht kommt. Dass nichts mehr geheim bleibt. Lasst sie nur all ihre Daten sammeln, denn mit der Menge der gesammelten Daten steigt proportional das Risiko, dass ihr Fang unbeherrschbar, sprich die Gaunerei öffentlich wird.

Den Anfang machte Wikileaks, dann kamen Manning und Snowden. Spätestens jetzt hat es auch der Dümmste begriffen: Big Brother ist watching you! Die USA haben die Welt grundlegend verändert. Nutzen wird es ihnen nicht. Im Gegenteil…

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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