Für die AfD stellt sich die Gretchenfrage bei der Freiheit

„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?", fragt Gretchen in Geothes "Faust"in der Hoffnung, einen Blick in seine Seele und so auf seine wahren Motive tun zu können. So geht es heute der AfD-Spitze mit neuen Mitgliedern der Partei Die Freiheit.

Wenige Wochen nachdem die Alternative für Deutschland (AfD) nur knapp den Einzug in den Bundestag verpasste, muss sie um ihre Reputation kämpfen. Denn sie steht im Verdacht, ein Sammelbecken für nationalistische, islam- und ausländerfeindliche Kräfte zu sein.

Zu diesem in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck haben zuletzt ganz wesentlich Aussagen des Vorsitzenden der islamkritischen Partei Die Freiheit, René Stadtkewitz, beigetragen. Stadtkewitz hatte angekündigt, künftig zugunsten der AfD nicht mehr zu Bundes- und Landtagswahlen anzutreten. Das gelte auch für die Europawahl im Mai nächsten Jahres. „Mit der Alternative für Deutschland hat es erstmals eine bürgerlich-liberale Partei geschafft, sich eine realistische Chance zu erarbeiten, bereits 2014 in zahlreichen Parlamenten vertreten zu sein“, schrieb er in einem Brief an die Freiheit-Mitglieder. Und weiter: „Wir verbinden unsere Entscheidung mit dem Appell an alle Kleinparteien, die eine ebenso große Übereinstimmung ihrer Ziele mit denen der AfD entdecken, es uns gleich zu tun.“

„Aufnahmestopp“

Nicht nur in der AfD-Spitze wurde dies als Aufruf zu massenhaften Parteiübertritten interpretiert. Außerdem kamen Gerüchte auf, die AfD sei bereits weitgehend von der Freiheit unterwandert. Prompt reagierte AfD-Chef Bernd Lucke mit einem „Aufnahmestopp“ für Mitglieder der Freiheit, der allerdings in der AfD-Führung heftig umstritten ist. „Wir werden ehemalige Mitglieder der Freiheit nicht generell als rechtspopulistisch abqualifizieren“, sagt etwa die sächsische AfD-Sprecherin Frauke Petry.

Tatsächlich  gab und gibt es  eine starke Unterstützung der AfD durch ehemalige und aktive Mitglieder der rechtspopulistischen Freiheit-Partei. Dies gilt vor allem für die ostdeutschen Bundesländer und Berlin. In Berlin und Sachsen sollen ehemalige und noch aktive Mitglieder der Freiheit Straßenwahlkampf für die AfD gemacht haben, heißt in der Partei. In Sachsen wird die AfD von Leuten unterstützt, die bereits früher für die Statt-Partei oder Die Schill-Partei antraten.

„Ich helfe, wo ich kann.“

Einer von ihnen ist Uwe Schuffenhauer aus Dresden. „Ich bin wegen der immer schärfer werden Islamkritik aus der Freiheit ausgetreten“, sagt der Betriebsleiter einer Auto-Lackiererei. „Das war noch, bevor die AfD in Sachsen gegründet wurde.“ Bei der Schillpartei war er einst im Bundes- und Landesvorstand. In der AfD hat er keine Funktion. „Ich helfe, wo ich kann“, sagt Schauffenhauer.

In einem sogenannten „alternativen AfD-Newsletter“ heißt es, er sei von Frauke Petry mit dem Aufbau der Kreisverbände beauftragt worden. Sowohl Schuffenhauer als auch Petry weisen diese Darstellung zurück. Uwe Wurlitzer kümmere sich darum. Der war früher in der CDU, arbeitete lange für den CDU-Abgeordneten Manfred Kolbe.

Kandidaten der Freiheit

Wie eng die Bande zwischen der Freiheit und der AfD im Freistaat sind, belegt dann aber eine Liste der Freiheit-Kandidaten zur Bundestagswahl vom 13. Oktober 2012. Auf dieser Liste taucht Uwe Schuffenhauer auf Platz vier auf. Weitere Nahmen sind Jens Mehlhorn (Platz zwei), Ulrich Oehme (Platz acht) und Steffen Ehrt (Platz zehn). Sie alle unterstützen heute die AfD.

In Gesprächen mit der AfD-Landesvorsitzenden Petry hatten sie sich darauf verständig, auf dem Gründungsparteitag des Landesverbandes im April, nicht für die Landesliste zu kandidieren. Oehme hielt sich nicht daran, fiel aber „krachend“ durch, wie Schuffenhauer und Petry übereinstimmend berichten. Die AfD-Landesvorsitzende schätzt die Mitarbeit der ehemaligen Freiheits-Mitglieder und warnt davor, diese in Bausch und Bogen zu verurteilen. „Der Vorstoß von Bernd Lucke kam für mich insofern auch überraschend“, sagt sie.

Luckes Sinneswandel

Im September hatte auch AfD-Chef Lucke noch keine Bedenken gegen die Mitgliedschaft von Ex-Freiheitlern in seiner Partei. Inzwischen hat er seine Ansicht geändert. „Die Freiheit hat sich von einer konservativen CDU-Abspaltung zu einer islamophoben Partei entwickelt“, sagt er.  Viele Mitglieder hätten aus Protest gegen diesen Kurs die Partei verlassen. Eine Mitgliedschaft dieser Ex-Freiheitler in der AfD hält der Parteichef für unproblematisch. Jenen aber, die der Freiheit aber erst jetzt den Rücken kehren und bei der AfD anklopfen, will Lucke vorerst den Zutritt verweigern. „Denn unter den verbleibenden Mitgliedern muss man viele eingefleischte Islamfeinde vermuten“, sagt Lucke. Eine islamfeindliche Einstellung sei aber mit einer Mitgliedschaft in der AfD unvereinbar.

Kritik an politischen und gesellschaftlichen Forderungen mancher Strömungen des Islam halte er zwar für legitim, „nicht aber eine pauschalisierende Verurteilung des Islam“. In einer mit den anderen Vorstandssprechern herausgegebenen Erklärung betont er zudem, dass die AfD sich seit ihrer Gründung konsequent gegen den politischen Extremismus abgegrenzt habe und keine Mitglieder mit ausländerfeindlichen, antisemitischen, rassistischen oder islamfeindlichen Ansichten dulde. „Unsere Zielgruppe sind Nichtwähler und die Wähler der etablierten Parteien“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Ehemalige Mitglieder „von Kleinparteien an den politischen Rändern oder mit sektiererischen Ansichten“ seien in der AfD jedenfalls nicht willkommen.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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